Mannheim. Eigentlich hat die Vierte Große Wirtschaftsstrafkammer des Mannheimer Landgerichts, vor der im letztjährigen Februar ein Prozess wegen des Verdachts betrügerischer Marktmanipulation rund um kanadische Billigaktien begonnen hat, dies schon mehrfach signalisiert: Aus ihrer Sicht sei das Beweisprogramm abgearbeitet. Üblicherweise bedeutet solch ein Hinweis, dass mit Plädoyers und Urteil zeitnah zu rechnen ist. Dieser Rückschluss kann bei dem in angespannter Atmosphäre und manchmal auch harschem Ton laufenden Mammutverfahren nicht gezogen werden. Die Verteidigung hat bereits weitere Zeugenwünsche angekündigt.
Beworbene Aktien waren „Schrott“
Drei ehemaligen Geschäftspartnern aus dem nordbadischen Raum – einer davon lebte in Mallorca – legt der Staatsanwalt zur Last, Aktien mit niedrigem Kurswert, sogenannte Pennystocks, mittels Täuschungsmanövern jenseits üblicher Kurspflege geschönt wie gepusht und dadurch Gewinne in Millionenhöhe erzielt zu haben. Einer der Angeklagten, alle drei Ende 30, hat schon vor Prozessbeginn ein Teilgeständnis abgelegt und ist auf freiem Fuß.
Er gab zu, dass es teilweise „Dump und Pump“ gab – eine Strategie, bei der (erworbene) Billigaktien künstlich „aufgepumpt“ werden, um sie vor dem Kursabsturz günstig verkaufen („wegwerfen“) zu können. Dafür seien über vielfältige Kanäle wie Börsenbriefe oder Internetforen auch Wertpapiere beworben worden, die eigentlich „Schrott“ waren.
Die Anwälte der beiden Kompagnons weisen die Anklagevorwürfe vehement zurück. Eingeräumt haben freilich alle drei Angeklagten, dass sie sich in internen Chats despektierlich über Anleger ausließen und diese als „Lemminge“ (im Sinne kopflos hinterherrennender Herdentiere) bezeichneten.
Seit Monaten hagelt es in der hochstreitig geführten Beweisaufnahme seitens der Verteidigung Anträge wie Rügen. Während einer längeren Sitzungspause hat sich die Wirtschaftsstrafkammer mit teilweise schon vor Monaten gestellten Beweisanträgen befasst. Die Kammervorsitzende verliest die jeweiligen Zurückweisungen – so manche mit seitenlangen Begründungen. Beispielsweise haben Verteidiger einen weiteren Gutachter gefordert, weil sie an der Kompetenz einer Sachverständigen von der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen) zweifeln. Die Kammer sieht die vorgebrachten Argumente als nicht stichhaltig.
Zur gereizten Stimmung trägt bei, dass zwei der Angeklagten seit 23 Monaten in Untersuchungshaft sitzen. Die vor einigen Wochen gestellte Haftbeschwerde – es war nicht die erste – liegt beim Oberlandesgericht in Karlsruhe. Eigentlich hatten die Anwälte damit gerechnet, dass ihre Mandanten vor Weihnachten freikommen.
In dem Prozess geht es nicht nur um drohende Gefängnisstrafen, auch um viel Geld. Jene zwei Gesellschaften der Angeklagten, die mit Sitz in Heidelberg und Walldorf für werbende Finanzkommunikation zuständig waren, sind als sogenannte Einziehungsbeteiligte Teil des Strafverfahrens. Sollte es eine rechtskräftige Verurteilung geben, könnten erzielte Gewinne abgeschöpft werden. Ein Großteil von Vermögenswerten wurde bereits mit Sicherungshypotheken belegt.
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