München/Mannheim. Von außen ist der Betonröhre kaum anzusehen, dass in ihr möglicherweise die Mobilität revolutioniert wird. Nur der Schriftzug „Hyperloop“ lässt erahnen, dass auf dem Campus der Technischen Universität München in Ottobrunn/Taufkirchen etwas Großes passiert. Vor allem etwas Schnelles.
Mit dem Hyperloop sollen Passagiere in ferner Zukunft mit mehr als 800 Kilometern pro Stunde durch weitgehend luftleere Röhren von A nach B reisen - ohne Flugzeug und klimaneutral. Eine Fahrt von München nach Berlin würde so etwa 40 Minuten dauern. Mit Hyperloop könnten sich nicht nur Menschen, sondern auch Güter transportieren lassen. Die Idee geht auf Elon Musk zurück, dem Gründer des Elektroautoherstellers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX.
Vor rund zehn Jahren hat Musk Wettbewerbe für Studenten weltweit zum Hyperloop ausgelobt - die „SpaceX Hyperloop Pod Competition“. Dabei waren die Teams der Technischen Universität München stets erfolgreich. Mit ihrer Simulation einer Schwebebahn mit einer Spitzengeschwindigkeit von 482 Kilometern pro Stunde brachen sie ihren eigenen Weltrekord.
Inzwischen ist die Forschung an dem Verkehrssystem an der Universität in einem eigenen Hyperloop-Programm verankert. Das Programm ist seit 2020 Teil der Hightech Agenda Bayern und wird vom Freistaat Bayern mitfinanziert. 86 junge Menschen aus 28 Nationen sind im Hyperloop-Team. Auch ein Unternehmen aus Mannheim mischt mit. Doch dazu später mehr.
Auf dem Campus bei München ist der nächste Schritt erreicht: mit einer Teststrecke in Form einer 24 Meter langen Röhre. Das gesamte Material hat etwa drei Millionen Euro gekostet. Nach Angaben der Technischen Universität ist die Anlage die erste ihrer Art in Europa, die vollständig für den Passagierbetrieb zertifiziert ist. Mit Tüv-Siegel quasi. „Wir sind nun im Stande, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie künftige Hyperloop-Systeme aussehen könnten“, sagt Projektleiter Gabriele Semino. Bereits vor zwei Wochen fand erfolgreich die erste Fahrt statt.
Zur Eröffnung der Hyperloop-Teststrecke ist jetzt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gekommen, der alles für eine „ziemlich geile Geschichte“ hält. Söder und Wissenschaftsminister Markus Blume (beide CSU) setzen sich in die Kapsel, um zumindest kurz eine Vorstellung vom Schweben zu bekommen. Hunderte Gäste, Forscher und Studenten beobachten das auf einer riesigen Leinwand. Jubel.
Im Vakuum ohne Reibungsverlust
Wie funktioniert die Technologie? Einfach ausgedrückt werden Druckfahrzeuge, die Pods, dank eines berührungslosen Schwebe- und Antriebssystems bei extrem niedrigem Luftwiderstand und hoher Geschwindigkeit mit einem Elektromotor durch versiegelte Röhren geschossen - also ohne Reibungsverlust. Die Röhren können sowohl ober- als auch unterirdisch gebaut werden. Ob es schneit oder stürmt, spielt für Hyperloop keine Rolle. Zudem sollen keine Geräusche nach außen dringen.
Auch die Mannheimer Firma Gehr ist Teil des Projekts vor den Toren Münchens. Gehr gehört zu den Weltmarktführern von thermoplastischen Kunststoff-Halbzeugen, so beschreibt sich das Unternehmen selbst. Spezielle Platten in der Hyperloop-Röhre stammen aus Mannheim. Sie liegen im Boden der Trasse, auf der die Pods fahren. In den Platten von Gehr liegen die Spulen des Magnets. Aus was sie bestehen, verrät Unternehmenschef Helmut Gehr nicht. Die „Rezeptur“ sei geheim.
„Als wir von dieser Neuentwicklung gehört haben - und dass auch noch Elon Musk hinter dem Konzept steckt -, konnten wir gar nicht anders: Wir mussten mitmachen. Auch unsere Beschäftigten sind begeistert von dem Projekt“, sagt Gehr. Die Freude ist bei jedem Wort spürbar. „Musk ist als Unternehmer genial.“
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Höchstgeschwindigkeiten werden auf der Teststrecke nicht erreicht. Vor allem ist geplant, die Abdichtung der Beton-Röhre im realen Maßstab zu erforschen, ebenso die Kapsel und die Sicherheit der Passagiere im Vakuum der Röhre. Außerdem wollen die Forscher sich mit der Steuerung und dem Antriebssystem befassen.
Die Passagierkapsel sieht aus wie ein futuristisches Wohnzimmer, allerdings ohne Fenster. Schließlich düsen die Fahrgäste durch eine Röhre. Stattdessen sollen vier interaktive Bildschirme die Reisenden mit Informationen versorgen. Auf das Design hat das Hyperloop-Team viel Wert gelegt; die Kapsel verfügt über ein vollwertiges Interieur, das bis zu fünf Passagieren eine angenehme Reise ermöglichen soll. Laut Hyperloop-Team fühlt man sich wie bei einem Flugzeugstart. Nur ohne das unangenehme Gefühl der Vibration.
Wenn bei der Teststrecke in Ottobrunn/Taufkirchen alles erfolgreich läuft, soll eine größere Teststrecke über einen Kilometer gebaut werden. Dann plant das Team der Technischen Universität weitere „Probefahrten“ mit Passagieren.
Gewaltige Investitionen
Und wann startet Hyperloop in den kommerziellen Betrieb? In diesem Jahrzehnt wohl nicht mehr. Forschung und Entwicklung haben noch einiges vor sich; zudem wären in die Infrastruktur gewaltige Investitionen notwendig. Sowohl die Politik als auch die Bevölkerung müssten die neue Technologie mittragen.
Das Team der Universität jedenfalls glaubt an den Erfolg. Hyperloop solle nicht weltumspannend sein und kein Verkehrsmittel komplett ersetzen - sondern sich integrieren und auf bestimmten Strecken besseres und nachhaltigeres Reisen ermöglichen.
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