Mannheim. „Akademikerwahn“ - das war nach der Jahrtausendwende in Deutschland ein regelrechter Kampfbegriff. Der Grund: Die Zahl der Studierenden ist von 1996 bis 2015 massiv von knapp 150 000 auf fast 400 000 gestiegen. In der Gruppe der Erwerbstätigen im Alter von 30 bis unter 40 Jahren hat sich der Akademikeranteil auf fast 35 Prozent erhöht. Diese Daten nennt eine Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zusammengearbeitet hat.
Als irrig erwiesen hat sich aber die Befürchtung, dass die Hochschulen am Bedarf der Gesellschaft und Wirtschaft vorbei ausbilden und die Arbeitslosen der Zukunft produzieren. „Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern ist noch immer mit Abstand am niedrigsten“, sagt ZEW-Forscher Friedhelm Pfeiffer. Der Staat hat also nicht zu viel in die Hochschulbildung investiert. Die Unternehmen suchen weiter Hochschulabgänger und bezahlen sie gut.
Studium verspricht weiter eine ordentliche Bildungsrendite
Seit 2015 - so die Studie - hat allerdings eine Trendwende gleich in doppelter Hinsicht eingesetzt. Der Boom an den Universitäten ist vorbei - die Zahl der Abschlüsse wächst, aber nur noch gering. Außerdem steigen die Gehälter der Uniabsolventen anders als in der Vergangenheit nicht mehr überproportional. Im Gegenteil, der Lohnabstand zwischen Akademikern und Beschäftigten mit Lehre ist wieder gesunken.
Der Druck auf die Gehälter der Hochschulabsolventen hat sich bei den Akademikerinnen besonders stark ausgewirkt. Bei ihnen ist das Gehaltsgefälle zu Erwerbstätigen mit Lehrabschluss auf das Niveau der 1990er Jahre gefallen. „Also der Zeitpunkt, ab dem der Lohnabstand zu steigen begann und sich die Akademisierung vor allem der Frauen beschleunigt hat“, sagt DZHW-Forscherin Jessica Ordemann. Sie warnt jedoch vor Panikmache: „Dass die Gehälter nicht mehr so stark steigen, ist zwar ein Dämpfer für eine weitergehende Hochschulexpansion. Ein Studium verspricht dennoch für viele junge Leute eine ordentliche Bildungsrendite“, so Ordemann.
Gleichwohl sehen Schulabgänger wieder die Vorteile der klassischen Ausbildung. „Eine Lehre wird lukrativer, da viele Unternehmen höhere Löhne zahlen, um auf dem Arbeitsmarkt attraktiver zu sein“, so ZEW-Forscher Pfeiffer. Der Staat soll deshalb in die akademische und berufliche Bildung investieren.
Ohne Anstrengung keine Spitzengehälter
Die Studie zählt auch einige Gründe dafür auf, warum der Lohnabstand in Deutschland bis 2021 gesunken ist. Einige Schulabgänger entscheiden sich für eine akademische Ausbildung, obwohl sie dafür nicht besonders geeignet sind. Und manche strengen sich auch nicht richtig an. Spitzengehälter werden sie dann nicht erzielen.
Aber auch die Anziehungskraft der Geistes- und Sozialwissenschaften, die bis 2010 stark expandierten, bremste das Lohnwachstum. Denn die Absolventinnen und Absolventen dieser Fachrichtungen werden in der Regel schlechter bezahlt als die Studienabgänger der Ingenieurs-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Außerdem hat die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 Druck auf die Entwicklung der Gehälter ausgeübt. Davon profitierten vor allem die unteren und mittleren Einkommensgruppen.
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