Mannheim. Okay, Lokomotivführer wollte Leonhard Birnbaum nie werden. Schon als kleiner Junge war Birnbaum fasziniert, wenn er an den großen Chemieanlagen der BASF in Ludwigshafen vorbeilief. Sein Lebenstraum: Ingenieur werden und einen Steamcracker für die BASF bauen. Birnbaum studierte in Karlsruhe Chemieingenieurwesen - aber bei der BASF ist er nicht gelandet.
Der 57-Jährige hat dennoch eine Bilderbuch-Karriere hingelegt. Seit 2021 ist er CEO des Energiekonzerns Eon mit Stammsitz in Essen. Von dort ist der Weg ans ZEW Mannheim allerdings weiter als nur „iwwa die Brick“. Dass der Stargast des Wirtschaftsforschungsinstituts am Donnerstagabend aber genau verfolgt, was beim Chemiekonzern passiert, lässt er während seines Auftritts immer wieder einfließen.
Eon-Chef Birnbaum am ZEW Mannheim über die Energiewende
Birnbaum gibt sich als „ein glücklicher Ingenieur“, der das Publikum mit Schaubildern und technischen Details in die Geheimnisse der Energiewende einweist - ab und an wird es dann ein bisschen zu nerdig. Aber geschenkt. Klar wird auch dem Laien: Energiewende heißt Dekarbonisierung - also bitte kein CO2 mehr, die fossilen Brennstoffe werden durch Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen. Ein Prozess, der noch viele Jahre dauern wird.
Das alles kostet einen Haufen Geld. Gleich am Anfang räumt Birnbaum deshalb mit dem Märchen auf, dass es die Energiewende - wie es uns manche Politiker weismachen wollen - umsonst gibt. Sie erfordert einen enormen Kapitaleinsatz, da reichen auch die vielen Taler in Dagob.
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Immerhin, Kapital gibt es - so Birnbaum - im Überfluss. Allerdings fließt es nur dorthin, wo die Rendite stimmt. „Idealismus verändert wenig. Gewinnmöglichkeiten verändern aber unglaublich viel. Deshalb funktioniert das kapitalistische Wirtschaftssystem so gut“, erklärte der Eon-Boss in der ARD-Doku „Einsam an der Spitze“, die sich nicht nur der Gastgeber, ZEW-Präsident Achim Wambach, vorher angeschaut hat. In der Doku stellt Birnbaum die rhetorische Frage: „Wann wurden die vielen Windräder gebaut?“ - und beantwortet sie so: „Als man damit viel Geld verdienen konnte!“
Eon baut aber keine Windräder und auch keine Solaranlagen mehr, sagt Birnbaum. Der Konzern bietet „nur“ noch die Infrastruktur an. Man muss sich deshalb keine Sorgen um Eon machen. Immerhin steht das Unternehmen bezogen auf die Wertschöpfung in Deutschland auf Platz 13, zitiert Wambach aus einer Untersuchung.
Eon ist Deutschlands größter Netzbetreiber
Eon ist inzwischen sogar Deutschlands größter Netzbetreiber. Gas- und Stromleitungen trugen im abgelaufenen Geschäftsjahr 6,6 Milliarden Euro zum operativen Gewinn bei - das sind 70 Prozent. Die Margen sind aber begrenzt, die Bundesnetzagentur reguliert das Geschäft. Bei den Bestandsnetzen beträgt der Eigenkapitalzins 5,07 Prozent, für neue sind es aber 7,09. Da kann der lupenreine Kapitalist also höhere Profite erzielen.
„Als ich 2021 CEO wurde, haben wir den Kapitalbedarf für die nächsten fünf Jahre auf 21 Milliarden Euro geschätzt. Knapp drei Jahre später gehen wir von Investitionen in Höhe von 42 Milliarden aus, also das Doppelte“, beziffert Birnbaum die Dimensionen. Und: „Der Wettbewerb um Kapital wird massiv zunehmen.“ Wer Geld an einem unattraktiven Standort brauche, müsse höhere Zinsen zahlen.
Eon Chef Birnbaum am ZEW Mannheim: Bei der Transformation gibt es Gewinner und Verlierer
Der Bedarf für die zusätzliche Infrastruktur - also die Netze - und die Digitalisierung wird mit der zunehmenden Elektrifizierung drastisch steigen. „Aus ganz vielen Stromverbrauchern werden jetzt auch Stromproduzenten“, sagt der Konzernlenker. In nur sechs Jahren will Eon deshalb drei Millionen Stromproduktionsanlagen anschließen. „Also alle sieben Sekunden eine.“
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Birnbaum denkt aber nicht nur an die Gewinne von Eon. Ihm bereitet es schon Sorge, wie schwierig die Rahmenbedingungen für die energieintensiven Industriezweige sind. In der ARD-Doku taucht ja auch der scheidende BASF-Chef Martin Brudermüller auf, der in dem Film die Einweihung des Offshore Windparks Hollandse Kust Zuid im September 2023 euphorisch als das Highlight seiner Karriere bezeichnet.
Das Problem: „Um den Strom nach Ludwigshafen zu bringen, muss die BASF das Doppelte zahlen wie vorher für ihr Gaswerk“, schildert Birnbaum die Nöte des Chemieunternehmens. Momentan gehört die BASF deshalb anders als Eon eher zu den Verlierern der Energiewende. Dass der Strom in Deutschland im EU-Vergleich so teuer ist, liegt auch der Regulierungswut der Politik. Als Beleg holt Birnbaum Gesetzestexte aus seiner Aktentasche. Dass diese 8,4 Kilo wiegen, ist für den durchtrainierten Manager, der gerne klettert, kein Problem. Sie machen den Unternehmen aber das Leben schwer. „Bei der Energiewende muss Geschwindigkeit vor Perfektion gehen“, sagt er.
Zahlen müssen für die Kosten der Bürokratie die Verbraucher. Und die Prügel steckt Eon ein. „Wir schreiben ja die Rechnungen und müssen sie notfalls eintreiben“, sagt Birnbaum. Sind die Verbraucher die Verlierer? „Das kommt drauf an. Wenn Sie ein eigenes Haus mit Photovoltaik auf dem Dach haben, lohnt sich der Kauf eines E-Autos.“ Und wenn nicht? „Dann haben sie ein Problem.“
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