Mannheim. Im Februar hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Untreue-Freisprüche von vier VW-Managern in Zusammenhang mit üppig entlohnten Betriebsratsmitgliedern gekippt und für das gesetzlich definierte Ehrenamt die Vergütungsmaßstäbe heruntergeschraubt. Vor diesem Hintergrund bekommt die Klage des langjährigen BR-Vorsitzenden beim Grosskraftwerk Mannheim (GKM) gegen die Kürzung seines Gehalts besondere Brisanz. Am Dienstag sind beim Mannheimer Arbeitsgericht drei Stunden lang Argumente ausgetauscht worden. Die Kammer legte für den 13. April einen Verkündungstermin fest.
Vor der Verhandlung versammeln sich im Hof gewerkschaftlich organisierte GKM-Beschäftigte, die Plakate mit Texten wie „Ein Angriff auf unseren Betriebsratsvorsitzenden ist ein Angriff auf uns“ hochhalten, Verdi-Fahnen schwenken und sich mit Trillerpfeifen Gehör verschaffen. Im Gerichtssaal geben sich die Konfliktparteien betont höflich. Der Kammervorsitzende Jan Schipper dampft als Einstieg die 339 Seiten umfassende Akte auf den inhaltlichen Kern ein: Im Mittelpunkt des Streits steht, ob dem gelernten Dreher und freigestellten Vorsitzenden des Beschäftigtengremiums 2008 beziehungsweise 2009 rechtsverbindlich im Unternehmen eine mit 165 000 Euro dotierte Personal-Stabsstelle angeboten wurde – mit jenem Jahressalär, das dem BR-Chef nach Ausschlagen der Position bezahlt wurde. Jedenfalls bis zum Mai 2022, weil dann eine Gehaltskürzung auf 96 000 Euro erfolgte, außerdem der Dienst-Mercedes wegfiel.
Der Anwalt des BR-Vorsitzenden, Dietrich Growe, führt aus, das GKM habe sich dafür „rächen“ wollen, dass sein Mandant als engagierter Kämpfer für die Belegschaft ein ständiges Mehr an Überstunden ablehnte. Growe kritisiert, dass mit dem BGH-Urteil Strafrichter, „die sich in der Arbeitswelt überhaupt nicht auskennen“, bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte aushebeln. „Das BGH-Urteil ist nun mal da“, kontert der Vorsitzende Richter.
Gericht sucht Weg für Einigung
Anwältin Katharina Steinbrück, die mit einem GKM-Vorstand erschienen ist, weist Willkür wie Racheüberlegungen zurück. Vielmehr habe die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig von 2021, dass die Vergütung von Betriebsräten gleich „Co-Managern“ genauso unzulässig wie eine zugrunde gelegte „Sonderkarriere“ sei, zum Handeln gezwungen – „und dies gilt nach dem BGH-Urteil erst recht“.
Bei der Debatte, aus welchen Motiven dem Kläger vor Jahren eine noch nicht existierende Stabstelle angeboten worden sein könnte, blitzen Mutmaßungen auf: Beispielsweise, dass damit ein unbequemer BR-Chef aus dem Amt „gekauft“ werden sollte. Außerdem ist von der einst gängigen Praxis die Rede, mit einer offerierten, aber letztlich abgelehnten, hoch dotierten Position einen Gehaltssprung begründen zu können.
Arbeitsrichter Schipper lotet die Möglichkeit einer Einigung aus und gibt zu bedenken, dass die auf 96 000 Euro gekürzten Jahresbezüge durchaus eine berufliche Weiterentwicklung berücksichtigen. In einem Nebensatz merkt er an, als promovierter Richter mit zwei Staatsexamen unterhalb eines solchen Gehalts zu liegen.
Die GKM-Anwältin zeigt sich an einem Vergleichsvorschlag seitens des Gerichts interessiert. Und der Kläger-Vertreter verweist auf einen hinter den Kulissen, aber jenseits des Vorstands ausgetüftelten Kompromiss. Sollte die Kammer einen Vergleich unterbreiten, dürfte dieser den Parteien schriftlich zugehen. Ohne Einigung wird am 13. April das Urteil fallen oder verkündet, dass der Prozess noch weitergeht, beispielsweise mit Zeugenbefragungen.
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