Gewerbesteuer

Darum ist die Gewerbesteuer für Kommunen auch ein Risiko

Die Gewerbesteuer ist für die Kommunen eine wichtige Einnahmequelle. Der Mannheimer Steuerexperte Erik Röder erklärt, warum es besser wäre, wenn die Städte sich anders finanzieren könnten

Von 
Walter Serif
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Die Gewerbesteuer in Mannheim – hier das Grosskraftwerk – ist vergleichsweise hoch. © Bernhard Zinke

Mannheim. Herr Röder, die letzte Unternehmenssteuerreform ist schon ewige Zeiten her. War das 2008 ein großer Wurf?

Erik Röder: Auf den ersten Blick schon, denn Deutschland lag im internationalen Steuerwettbewerb damals vergleichsweise eher hinten. Die Große Koalition hat deshalb den nominalen Steuersatz für Unternehmen von 38 auf 30 Prozent gesenkt. Allerdings hat der Gesetzgeber gleichzeitig die Bemessungsgrundlage verbreitert und ist da in einigen Bereichen übers Ziel hinausgeschossen.

Das müssen Sie genauer erklären.

Röder: Zum Beispiel hat man die Abschreibungsmöglichkeiten eingeschränkt. Das heißt, dass die Steuerbelastung durch die Steuersatzsenkung eben nicht automatisch um acht Prozentpunkte gesunken ist. Der nominale Steuersatz allein sagt wenig über die genaue Höhe der Besteuerung aus. Außerdem hat man die Verlustnutzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Das hat sich natürlich als Nachteil für jene Unternehmen erwiesen, die keine schwarzen Zahlen schreiben.

Gehören Verluste nicht zum Unternehmensrisiko?

Röder: Das ist richtig. Allerdings sollte der Staat nicht Betriebe, bei denen es in einem Jahr nicht gut läuft, zusätzlich bestrafen. Kein Unternehmen macht ja gerne Verluste. Verluste sind vielmehr eine unvermeidliche Begleiterscheinung unternehmerischer Tätigkeit, die in einer Marktwirtschaft stets mit Risiken behaftet ist. Deshalb ist es sinnvoll, dass ein Unternehmen anfallende Verluste mit dem Gewinn in einem anderen Jahr verrechnen kann. Das hat dann den Vorteil, dass die Betriebe unterm Strich weniger Steuern zahlen müssen. Kritiker haben deshalb schon damals von einem Schönwettersteuerrecht gesprochen, das nur dann gut funktioniert, wenn die Wirtschaft läuft.

Erik Röder is Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Unternehmenssteuerrecht an der Universität Mannheim. © Katrin Glückler

Und wenn nicht?

Röder: Eben. Kurz nach der Unternehmenssteuerreform brach die Finanzkrise aus, unter der damals auch die Wirtschaft in Deutschland stark gelitten hat. Als der Staat dann bei notleidenden Banken, unter anderem der Commerzbank, einsteigen wollte, musste er seine eigenen Fehler korrigieren, weil es ihn sonst selbst getroffen hätte.

Warum?

Röder: Damals gab es eine radikale Regelung, die bedeutet hätte, dass wegen des Einstiegs des Staates als neuer Investor die betroffenen Banken ihre hohen Verluste nicht mehr mit späteren Gewinnen hätten verrechnen können.

Wie steht denn Deutschland gegenwärtig im internationalen Vergleich da?

Röder: Die Unternehmenssteuerreform von 2008 hat damals dazu geführt, dass wir uns im internationalen Vergleich gut positionieren konnten. Natürlich brauchen wir keinen niedrigen Steuersatz wie Irland, um Investoren mit ihrem Kapital ins Land zu holen. Da aber eine weltweite Harmonisierung der Unternehmenssteuern unrealistisch ist, müssen wir schon aufpassen, dass wir nicht irgendwann das Schlusslicht sind. Inzwischen sind die Steuersätze für die Unternehmen im internationalen Vergleich hoch. Selbst Frankreich, das in der Vergangenheit die Unternehmen meist deutlich stärker als Deutschland besteuert hat, steht jetzt mit 25 Prozent besser da als wir.

Erik Röder

  • Erik Röder (44) durchlief nach dem Abitur in Chemnitz eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Commerzbank.
  • Danach absolvierte Röder ein Jurastudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung und habilitierte sich an der juristischen Fakultät der Universität München.
  • Seit 2022 ist Röder Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Unternehmenssteuerrecht an der Universität Mannheim. was

 

Sie sind ja Mitglied in einer Expertenkommission, die Finanzminister Christian Lindner Vorschläge zur Reform der Unternehmensbesteuerung gemacht hat. Interessant ist, dass die Kommission da eine Senkung in „Richtung von 25 Prozent“ vorgeschlagen hat.

Röder: Das ist nicht der Kern des Berichts. Letztlich ist das natürlich eine politische Entscheidung. Klar ist aber, dass in Deutschland der Steuersatz teilweise sogar über 30 Prozent liegt, weil Städte wie zum Beispiel auch Mannheim hohe Hebesätze bei der Gewerbesteuer haben. Das könnte problematisch sein im Hinblick auf die Attraktivität unseres Investitionsstandorts.

Schauen die Investoren nicht eher auf den nominalen Steuersatz und interessieren sich weniger für die Gewerbesteuer, Abschreibungen oder Verlustrechnungen?

Röder: Beim Vorstand eines Dax-Konzerns mag das der Fall sein. Aber diese Unternehmen haben Steuerabteilungen und die prüfen natürlich alles genau. Aber der nominale Steuersatz ist definitiv ein zentrales Entscheidungskriterium.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Politik seit 2008 keinen ernsthaften Versuch unternommen hat, eine Unternehmenssteuerreform in Angriff zu nehmen?

Röder: Es gab dafür einfach keine Not. Die Wirtschaft lief früher prächtig. Und es war ja nicht so, als hätte die Politik damals keine anderen Aufgaben gehabt, um die sie sich hätte kümmern müssen. Außerdem sind Steuern nicht wahnsinnig sexy. Es gab da keinen richtigen Druck und kein Interesse, etwas zu ändern.

Deutschland leistet sich drei Steuern auf Unternehmensgewinne: die Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften, die Einkommensteuer für Personengesellschaften und die Gewerbesteuer für alle Unternehmen. Ein bisschen viel Kuddelmuddel, oder?

Röder: Wir leisten uns in Deutschland mit der Gewerbesteuer eine zusätzliche Unternehmenssteuer. Das ist auch eine enorme bürokratische Belastung für die Unternehmen und die Finanzverwaltung. Wenn Sie Steuerexperten fragen, würde Ihnen wahrscheinlich die große Mehrheit sagen, dass wir die Gewerbesteuer abschaffen sollten. Das Problem dabei ist, dass sich die Gemeinden zu einem erheblichen Teil über die Gewerbesteuer finanzieren. Allerdings wäre es auch für die Gemeinden selbst besser, wenn sie eine andere Steuerquelle bekommen würden.

Warum?

Röder: Bei der Gewerbesteuer gibt es Klumpenrisiken. Eine kleine Gemeinde mit einem großen Konzern kann in einer Wirtschaftskrise in riesige Schwierigkeiten geraten. Das Aufkommen ist generell konjunkturabhängig und schwankt sehr.

Die Gewerbesteuereinnahmen sind ja auch ungleich verteilt. 2019 hatte Wolfsburg pro Einwohner ein Gewerbesteueraufkommen von 1231 Euro pro Kopf, in Gelsenkirchen waren es nur 273.

Röder: Ja, ich habe früher in München gelebt. Grünwald . . .

. . . dort wohnen die Reichen . . .

Röder: . . . hat ein unglaublich hohes Gewerbesteueraufkommen, die Gemeinde hat deshalb enorme Rücklagen. Da frage ich mich schon, ob diese Art von Steuerwettbewerb der Kommunen untereinander sinnvoll ist. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, die Gewerbesteuer durch eine andere Finanzquelle zu ersetzen. Allerdings sind bisher alle Vorschläge für eine grundlegende Reform am Widerstand der Gemeinden gescheitert, weil es dann natürlich Gewinner und Verlierer geben würde. Wir haben und uns deshalb in der Kommission darauf verständigt, die Gewerbesteuer als gegeben hinzunehmen und Verbesserungen im bestehenden System vorzuschlagen. Beispielsweise fordern wir eine Annäherung der Gewerbesteuer an die übrigen Unternehmenssteuern sowie für Kapitalgesellschaften eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer.

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Millionen-Steuerrückzahlungen in Ludwigshafen: So viel Geld ist schon geflossen

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Julian Eistetter
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Die Experten-Kommission hat sich auch ausführlich mit der steuerlichen Behandlung von Verlusten beschäftigt.

Röder: Das stimmt, unser Land braucht innovative Unternehmen, die auf den Weltmärkten bestehen. Das erfordert ein Steuerrecht, das Innovationskraft und Risikobereitschaft unterstützt. Deshalb fordern wir eine erhebliche Ausweitung der Anrechenbarkeit von Verlusten.

Fangen wir mit dem Verlustrücktrag an.

Röder: Der Verlustrücktrag ist lange Zeit beschränkt gewesen auf ein Jahr und eine Million Euro. Während der Corona-Krise ist er vorübergehend deutlich ausgeweitet worden, nämlich auf zwei Jahre und zehn Millionen Euro. An dem Zweijahreszeitraum hat man auch nach Corona festgehalten. Der Höchstbetrag für den Verlustrücktrag beträgt inzwischen aber wieder nur eine Million Euro. Das ist schlecht. Denn der Verlustrücktrag ist für ein Unternehmen ideal, weil es dann sofort Steuern zurückbekommt, die es in der Vergangenheit bezahlt hat.

Während der Pandemie war das für die kleineren Unternehmen extrem wichtig. Klar ist aber auch: Eine Steuerrückzahlung von ein paar Millionen bringt einem Unternehmen wie der Ludwigshafener BASF nichts. Für Großunternehmen müsste der Verlustrücktrag noch deutlich stärker ausgeweitet werden als während der Corona-Krise. Der Vorteil beim Verlustrücktrag ist, dass es keinen großen bürokratischen Aufwand gibt und die Betrugsanfälligkeit anders als bei den Corona-Hilfen gering ist. Die Finanzverwaltung ist auf Massenverfahren ausgerichtet.

Die Kommission schlägt außerdem vor, dass die Steuerbehörden dem Fiskus den Verlustvortrag uneingeschränkt gewähren sollen.

Röder: Ja. In Deutschland gibt es die sogenannte Mindestbesteuerung. Von Gewinnen über einer Million Euro muss ein Unternehmen in jedem Fall 40 Prozent versteuern, egal wie hoch sein Verlustvortrag ist. Der Gesetzgeber will damit erreichen, dass Unternehmen auch nach hohen Verlusten sofort wieder anfangen, Steuern zu zahlen, wenn sie in die Gewinnzone zurückkehren. Das heißt, Sie müssen Steuern zahlen, obwohl Ihr Unternehmen unter dem Strich noch in der Verlustzone ist. Das halten wir für falsch.

Weshalb?

Röder: Der Staat belohnt mit seiner Praxis Unternehmen, die selten Verluste machen, gegenüber jenen, die häufiger mal in eine Verlustphase geraten. Besonders krass ist dies bei Konzernen in zyklischen Branchen. Denken Sie an die Chipindustrie, da ist es ja ganz normal, dass die mal große Gewinne und dann wieder große Verluste machen. Außerdem ist die Steuererhebung in jährlichen Intervallen eine willkürliche Zeiteinteilung. Die unternehmerische Tätigkeit ist ja nicht auf ein Jahr beschränkt. Das war vielleicht früher in der Agrargesellschaft so, da hat der Bauer sein Feld bestellt, die Ernte eingefahren, und dann war Schluss.

Die Kommission wirft der Steuerpolitik vor, dass sie die Unternehmen unter einen permanenten Missbrauchsverdacht stellt.

Röder: Es wäre unserem Wirtschaftsstandort zuträglich, wenn man wieder ein Grundvertrauen hätte und Finanzverwaltung und Unternehmen mit Augenmaß zusammenarbeiten würden.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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