Mannheim. Deutschland hat viel mehr Verbindlichkeiten als in den offiziellen nationalen Statistiken zur Staatsverschuldung ausgewiesen. Die Verschuldung der EU taucht in den nationalen Daten nämlich nicht auf. Es geht da nicht um Peanuts, wie eine Studie belegt, die das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mit Unterstützung der Strube-Stiftung durchgeführt hat. Die Wissenschaftler beziffern die Verpflichtungen Deutschlands auf 262 Milliarden Milliarden Euro. „Das ist eine stolze Summe, die den fiskalischen Spielraum Deutschland weiter einengt“, sagt Friedrich Heinemann vom ZEW. Die nicht ausgewiesenen Beträge für Rückzahlung und Haftung aus allen Verschuldungsinstrumenten der EU belaufen sich auf mehr als zehn Prozent der deutschen Staatsschuld oder sechs Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts.
„Die EU-Verschuldung ist politisch attraktiv. Ökonomisch setzt sie jedoch falsche Anreize, vor allem für hoch verschuldete Mitgliedstaaten“, kritisiert Heinemann. Nach seiner Ansicht ist es notwendig, dass die EU-Verschuldung den Staatsschulden der Mitgliedstaaten zugerechnet wird. „Damit würde man die aktuelle fiskalische Intransparenz überwinden“, so Heinemann weiter.
Abwicklung des Corona-Wiederaufbauplans: Neuland für die EU
Besonders der Corona-Wiederaufbauplan Next Generation EU (NGEU) zieht mit seinen schuldenfinanzierten 750 Milliarden Euro hohe Verpflichtungen für Deutschland mit sich, die in der deutschen Schuldenstatistik fehlen. Der Anteil Deutschlands zur Tilgung der Zuschüsse und Programme im Corona-Wiederaufbauplan beläuft sich nach voller Auszahlung aller Mittel auf rund 109,3 Milliarden Euro. Zusätzlich übernimmt Deutschland bis zur Rückzahlung aller Kredite Garantien von 134 Milliarden Euro. Hinzu kommt noch Deutschlands Anteil an Krediten für Nicht-EU-Staaten, die das ZEW Mannheim auf rund 18,3 Milliarden Euro beziffert.
Bei der Abwicklung des Corona-Wiederaufbauplans hat die Europäische Union Neuland betreten. Zum ersten Mal werden Zuschüsse an Mitgliedstaaten und Ausgaben im EU-Haushalt über Schulden finanziert. Diese Zuschüsse müssen von den begünstigten Mitgliedstaaten nicht zurückgezahlt werden, sondern werden später aus dem EU-Etat getilgt. Weil dieser aber über die Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert wird, wird auch die Tilgung letztlich durch die Mitgliedstaaten geleistet.
„Es ist damit zu rechnen, dass vor allem hoch verschuldete EU-Mitgliedstaaten in Zukunft noch stärker in Richtung einer Ausweitung der EU-Verschuldung drängen“, sagt Mitautor Marc-Daniel Moessinger von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim.
Die zwei Studien-Autoren verweisen auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2023. Die Karlsruher Richter hatten die Schuldenfinanzierung über Schattenhaushalte für grundgesetzwidrig erklärt. Begründung: mangelnde Transparenz. Bei den verdeckten Lasten der EU-Verschuldung für Deutschland und den Bundesetat handelt es sich aber nach Ansicht der Wissenschaftler um ein ähnlich gelagertes Problem in vergleichbarer Größenordnung. was
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