Mannheim/Berlin. Wäre das Thema Elektromobilität ein Schulfach, dann wäre der Stadtbus, salopp gesagt, wohl sowas wie der Klassenstreber. Till Oberwörder, Chef der Bussparte von Daimler Truck, formuliert das natürlich anders. Auf den eMobility days 2.0 von Daimler Buses in Berlin spricht er an diesem Montagmorgen von einem „Leuchtturmsegment“.
Gemeint ist damit: Bei der Elektrifizierung verschiedener Fahrzeugtypen fahren Stadtbusse inzwischen deutlich voraus. Oberwörder verweist darauf, dass in den ersten neun Monaten des Jahres in Europa erstmals mehr elektrische Stadtbusse zugelassen worden sind als solche mit Verbrennerbetrieb. Zum Vergleich: Bei den Pkw hatten im vergangenen Jahr erst knapp 15 Prozent der neuzugelassenen Fahrzeuge einen Elektroantrieb.
In Mannheim baut Daimler Truck fast nur noch E-Busse
Dagegen sei die E-Variante im Stadtbus-Bereich schon fast das „neue Normal“, sagt Oberwörder. Der weitere Ausbau sei ebenso vorgezeichnet: Bis 2030 müssten 90 Prozent der ausgeschriebenen Stadtbusse in der EU emissionsfrei fahren. „Der Weg ist hier sehr klar festgelegt“, so der Spartenchef.
Daimler Truck selbst produziert seit 2018 E-Busse für den Stadtverkehr in Serie. Am Standort Mannheim, wo für die Sparte Daimler Buses mehr als 3000 Beschäftigte arbeiten, werden fast nur noch Elektromodelle gebaut.
Geschäftsjahr 2024 bei Daimler Truck
- Während das Lkw-Geschäft von Daimler Truck unter schwacher Nachfrage in Europa und vor allem in Deutschland leidet, läuft es in der Bussparte im Moment richtig gut.
- „Die Nachfrage nach unseren Produkten ist weiterhin sehr hoch und unsere Werke sind gut ausgelastet“, sagte Till Oberwörder, Chef von Daimler Buses, am Montag in Berlin. Man sei daher für das Gesamtjahr 2024 sehr zuversichtlich.
- Mit 18.900 verkauften Fahrzeugen war der Absatz in den ersten neun Monaten um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Nun will der Nutzfahrzeughersteller den nächsten Schritt angehen und mit den Überlandbussen das nächste Segment vom Verbrenner auf Null-Emissionen umstellen. Auf den eMobility Days in Berlin stellt das Unternehmen dafür das erste Modell vor, den eIntouro. Mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern soll er künftig im ÖPNV zum Einsatz kommen, um städtische Ballungszentren mit dem ländlichen Raum zu verbinden. Auch für kleinere Reisen oder den Ausflugsverkehr sei das Fahrzeug geeignet, so Oberwörder.
Ab Anfang nächsten Jahres könne das Modell von Kunden bestellt werden, die Auslieferung ist ab 2026 geplant. Gefertigt wird der E-Überlandbus wie das bisherige Verbrenner-Modell in der Türkei und in Frankreich. Das Werk Mannheim ist aber zumindest indirekt mit seinem Know-how am eIntouro beteiligt: Schließlich fließen in das Überlandmodell viele Erfahrungen ein, die das Unternehmen bisher bei der Elektrifizierung von Stadtbussen gesammelt hat.
Daimler Truck plant bis zum Ende des Jahrzehnts elektrische Reisebusse
Der Mannheimer Standort ist hier Kompetenzzentrum. Auch bei den Erfahrungen aus seiner Lkw-Sparte hat sich Daimler Truck für den Elektro-Überlandbus bedient: Die Batterietechnologie wurde vom elektrischen Fernverkehrs-Lkw eActros600 übernommen. Dessen Serienstart feiert das Unternehmen am Freitag im pfälzischen Werk in Wörth. „Wir sind jetzt an dem Punkt, dass wir auch erprobte Technologien aus dem Haus nutzen können, um Skaleneffekte zu realisieren“, sagt Oberwörder.
Bis dann der nächste große Meilenstein in der Bussparte ansteht, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Erst zum Ende der Dekade plant Daimler Truck, das letzte Segment zu elektrifizieren: die Reisebusse. Auch hier setzt das Unternehmen beim Antrieb auf eine Doppelstrategie: Während für kürzere Strecken Reisebusse mit batterieelektrischem Antrieb denkbar seien, kommen bei längeren Fahrten - Oberwörder spricht von Strecken ab 500 Kilometern - eher Modelle mit Brennstoffzelle ins Spiel.
Dass der E-Reisebus erst um 2030 herum auf den Markt kommen soll, liegt laut Oberwörder unterdessen weniger an den Fahrzeugen selbst, sondern mehr an der fehlenden Infrastruktur: Es mangelt an Ladepunkten und Wasserstoff-Zapfsäulen. Während Elektro-Stadtbusse über Nacht im Depot geladen werden können, brauchen Reisebusse Tank- und Lademöglichkeiten auf der Strecke.
Der Ausbau müsse zum einen an Autobahn-Rastplätzen erfolgen, wo den Busreisenden Verpflegung und genügend sanitäre Anlagen zur Verfügung stehen müssten, zum anderen aber auch an Orten jenseits der Autobahn, die von Reisebussen verstärkt angefahren würden: Schlösser, Museen, Freizeitparks oder Sportstätten.
30 neue Wasserstoff-Zapfsäulen müssten jeden Monat kommen
Wenn man die gewünschte Anzahl an emissionsfreien Nutzfahrzeugen versorgen wolle, müssten Oberwörder zufolge bis 2030 jeden Monat 450 Ladestationen und 30 Wasserstoff-Zapfsäulen in Europa gebaut werden. „Da ist das Tempo deutlich zu gering“, mahnt der Bus-Chef. Vonseiten der EU gebe es diesbezüglich zu wenige verpflichtende Vorgaben.
Der flächendeckende Aufbau von Ladesäulen und Wasserstoff-Tankstellen ist unterdessen nicht nur für die Daimler-Truck-Bussparte, sondern vor allem auch für das Lkw-Geschäft wichtig. Gerade wurde bekannt, dass der Nutzfahrzeughersteller vom Bund sowie den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz insgesamt 226 Millionen Euro Fördergelder bekommt. Damit sollen Brennstoffzellen-Lkw für den Schwerlastverkehr auf langen Strecken entwickelt und eine erste Kleinserie mit 100 Fahrzeugen am Standort Wörth gebaut werden. Dort wurde am Montag Bundesverkehrsminister Volker Wissing erwartet, um einen entsprechenden Förderbescheid an Daimler-Truck-Vorstandschefin Karin Rådström zu übergeben.
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