Mannheim. Stephan Meeder ist gespannt auf den Herbst. Dann soll in Mannheim die erste öffentliche Tankstelle Deutschlands mit E20 versorgt werden. Um welche Tankstelle es sich handelt, verrät der Vorstandsvorsitzende von CropEnergies noch nicht. E20 ist die Weiterentwicklung der Benzinsorte E10 mit bis zu zehn Prozent Ethanol.
Das Unternehmen plant einen groß angelegten Flottenversuch. Zuerst werden Dienstwagen der Südzucker-Gruppe mit E20 betankt. Dann können Beschäftigte mit ihren Autos vorfahren, sofern diese für die neue Spritsorte freigegeben sind.
Zudem fragt CropEnergies weitere Unternehmen aus der Region an, ob sie Interesse haben, sich an dem Versuch zu beteiligen. Privatleute sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. „Wir können die Klimaziele nur erreichen, wenn auch die Bestandsflotte einen wesentlichen Beitrag leistet - und das ist mit E20 möglich“, erklärt Meeder. Die Einführung könne „reibungslos“ vonstatten gehen. Schon 2021 hatte der Flughafen Stuttgart seine Flotte (Dienstwagen sowie Betriebsfahrzeuge für die Abfertigung) testweise mit E20 betankt.
CropEnergies stellt aus pflanzlichen Rohstoffen wie Getreide Ethanol her, das konventionellen Kraftstoffen beigemischt wird. Biokraftstoffe sollen dabei helfen, weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) im Straßenverkehr zu erzeugen. Laut ADAC könnten allein mit E10 jährlich bis zu drei Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
E10 - viele haben Angst vor Schäden am Fahrzeug
E10 gibt es hierzulande seit mehr als zehn Jahren. Zwar ist der Anteil am Benzinmarkt peu à peu gestiegen, im europäischen Vergleich ist er mit 25 Prozent allerdings mickrig. Und das, obwohl er pro Liter etwa sechs Cent günstiger ist als der immer noch angebotene E5-Kraftstoff. E10 hat in Bulgarien und Rumänien einen Marktanteil von 100 Prozent, in den Niederlanden 95 Prozent, in Finnland 77 Prozent. Warum läuft es in Deutschland nicht?
Viele Leute befürchten nach wie vor Schäden in ihren Fahrzeugen. Der ADAC weist das zurück: Inzwischen seien fast alle Benziner-Pkw im Bestand für E10 geeignet. Umweltverbände wie Greenpeace kritisieren zudem, wertvolle Lebensmittelpflanzen wie Getreide und Ölsaaten würden zu Biosprit und Tierfutter verarbeitet und fordern deshalb: „Kein Essen in den Tank!“ Auch die Grünen samt Umweltministerin Steffi Lemke tun sich schwer. Lemke hatte gar einen Anlauf gestartet, den Einsatz von Biokraftstoffen in den kommenden Jahren schrittweise zu reduzieren und bis 2030 ganz auslaufen zu lassen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, durch den Getreide knapp geworden ist, hatte diese Diskussion befeuert.
Ungeeignet für den Verzehr
Meeder ist wichtig hervorzuheben: Die Herstellung von Ethanol basiere auf der Verarbeitung von Getreide, das nicht die Qualitätsanforderungen für den menschlichen Verzehr erfülle. Dieses werde nicht extra für Biokraftstoffe angebaut. Zudem, so Meeder, entstünden bei der Ethanol-Produktion proteinhaltige Lebens- und Futtermittel.
Das geplante Verbot von Neuwagen mit Verbrennermotor in der Europäischen Union ab 2035 stößt beim CropEnergies-Chef auf wenig Begeisterung. Er moniert, dass lediglich die Emissionen am Auspuff berücksichtigt würden. Aus seiner Sicht werden Lebenszyklusemissionen von Fahrzeugen ohne lokale Emissionen, wie zum Beispiel Elektroautos, ignoriert. Denn die Emissionen aus der Herstellung der Akkus würden ebenso wenig eingerechnet wie jene des verwendeten Ladestroms. Generell spricht sich der Manager für mehr Technologieoffenheit aus.
Dass es vor allem der jungen Generation entschieden zu langsam geht beim Klimaschutz, kann Meeder nachvollziehen. Sich deswegen auf der Straße festzukleben, wie es Aktivisten tun, hält er aber für den falschen Weg. Das sei Nötigung. „Selbst eine gute Intention heiligt nicht alle Mittel.“
Warum die CropEnergies-Hauptversammlung online stattfindet
Im Geschäftsjahr 2022/2023 hat CropEnergies das bisher beste Ergebnis erwirtschaftet. Mit einem Umsatz von fast 1,5 Milliarden Euro wurde der Rekordwert aus dem vorangegangenen Geschäftsjahr nochmals übertroffen (siehe Grafik). Auch die Gewinne stiegen kräftig. Zwar schnellten die Kosten für Rohstoffe und Energie nach oben. Die deutlich höheren Ethanolerlöse glichen das mehr als aus.
Nächster Termin ist die Hauptversammlung am 11. Juli. CropEnergies hat sich für die Online-Variante entschieden - um mehr Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, die nicht extra nach Mannheim kommen wollen oder können, wie Meeder erklärt. Aktionärsvertreter hingegen kritisieren virtuelle Formate. Sie bevorzugen Hauptversammlungen in Präsenz, allein wegen der Debattenkultur.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Virtuelle Hauptversammlungen sind eine vertane Chance