Mannheim. Um betrügerisch erschlichene Subventionen bei staatlichen Coronahilfen in Millionenhöhe geht es in einem Wirtschaftsstrafprozess am Mannheimer Landgericht. Am elften Verhandlungstag erklärt einer der beiden Angeklagten nach der Mittagspause: „Ich lege heute ein Geständnis ab und bestätige alle Vorwürfe.“
Und dann erzählt der in Spanien verhaftete und seitdem in U-Haft sitzende Unternehmer, wie alles begann, als während der Virus-Pandemie „geschäftlich nichts los war“ und er gemeinsam mit einem Heidelberger Anwalt - dieser ist ebenfalls angeklagt – ein Konzept entwickelte, um an Corona-Soforthilfen zu kommen. „Zunächst ging es um meine eigenen Firmen.“ Aber dann habe man andere Unternehmen, insbesondere nicht mehr aktive GmbH-Hüllen, erworben, um diese mit „gefakten“ Angaben für die staatlichen Antragsbedingungen passend zu machen. Von erfundenen Briefköpfen, generierten Mailadressen, falschen Unterschriften, unkorrekten Konten und Exceltabellen ist die Rede. Es habe fast einer kleinen Firma mit Ganztagsbetrieb bedurft, um das Betrugssystem samt vorgetäuschter Umsatzeinbrüche zu managen.
Rund 330.000 Euro und ein gebrauchter roter Porsche als Provision
Laut Anklage wurden um die 60 Unternehmen beziehungsweise Konten für Hilfszahlungen eröffnet. Ehe der Schwindel aufflog, sollen von 23,6 Millionen zu Unrecht beantragten Euro bereits dreieinhalb Millionen bewilligt und überwiesen worden sein. Der Kammervorsitzende Boos erkundigt sich, wer von den ausgezahlten Unterstützungssummen wie viel bekommen hat. Der Endfünfziger erklärt, mit um die 800.000 Euro der Hauptprofiteur gewesen zu sein und damit in Spanien Haus und Boot gekauft zu haben. Rund 330.000 Euro, außerdem einen gebrauchten roten Porsche, habe der Jurist an Provisionen erhalten.
Dessen Aufgabe sei gewesen, als prüfender Rechtsanwalt sämtliche Anträge zwischen September 2020 und Mitte Juni 2022 einzureichen. Außerdem habe der Heidelberger Mitstreiter übernommen, „alles zu steuern – was er auch lange gut hingekriegt hat“. 25.000 Euro seien an einen älteren Geschäftsfreund gegangen, der beispielsweise Termine beim Notar wahrnahm. Im Falle des in Norddeutschland lebenden, gesundheitlich angeschlagenen Mittachtzigers hat die Kammer das Verfahren abgetrennt. Was mit dem restlichen Geld geschehen ist, will das Gericht wissen. Dies soll laut Aussage für Honorare, Miete, GmbH-Käufe und Spesen darauf gegangen sein.
Geschäftsleute aus ganz Deutschland befragt
Die beiden fast gleichaltrigen Angeklagten (Jahrgang 1967 und 1966) könnten unterschiedlicher nicht auftreten - auch in der Kleiderwahl. Während der bislang allein geständige Unternehmer labbrige T-Shirts bevorzugt, erscheint der ebenfalls aus dem Gefängnis vorgeführte Anwalt stets in Anzug, Hemd und Krawatte. Der Jurist soll inzwischen psychiatrisch untersucht worden sein – es geht wohl um das Abklären der Schuldfähigkeit.
Inzwischen hat die Kammer aus ganz Deutschland Geschäftsleute befragt, die eine nicht mehr aktive Gesellschaft verkauft haben und später im Zuge polizeilicher Ermittlungen erfuhren, dass in ihrem Namen stattliche Pandemiehilfen mit erfundenen Zahlen beantragt worden sind.
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