Chemie

BASF-Chef Brudermüller: Frust in Europa, Euphorie in den USA

Der Vorstandsvorsitzende hält Investitionen in Nordamerika für "hochattraktiv", auf dem Heimatkontinent wird ein wichtiges Projekt dagegen ausgebremst. Für Ludwigshafen gibt es vorsichtige Entwarnung

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Bettina Eschbacher
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Ludwigshafen. Bei einem Land kommt BASF-Chef Martin Brudermüller gerade richtig ins Schwärmen. Und es ist nicht China, obwohl er die Milliarden-Investitionen des Konzerns dort nach wie vor standhaft gegen Kritik verteidigt. Nein, es sind die USA, die Brudermüller nahezu euphorisch machen.

Das liegt an dem gigantischen Anreizsystem der US-Regierung für grüne Investitionen, dem Inflation Reduction Act (IRA). Das sei „hochattraktiv“, erklärt Brudermüller bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Anders als in Europa ermögliche das Programm statt überbordender Regulierung ein echtes Geschäftsmodell für Klima-Projekte zu wettbewerbsfähigen Preisen. Deshalb prüft BASF gerade, ob sich der Bau einer kohlenstoffarmen Produktionsanlage für blaues Ammoniak an der US-Golfküste lohnt. Das anfallende CO2 würde aufgefangen und im Boden gespeichert.

„Macht keinen Sinn in Europa“

„Eine solche Ammoniakanlage unter den Rahmenbedingungen für Europa zu bauen macht natürlich keinen Sinn“, so Brudermüller. Dagegen bringt das IRA-Förderprogramm offenbar Lust auf weitere Investitionen. Ob es dazu konkrete Pläne gibt, verrät Brudermüller aber nicht. In den USA investiert der Chemiekonzern außerdem massiv in den Ausbau des Verbundstandorts Geismar. Insgesamt beläuft sich das Investitionsvolumen für das Werk in Louisiana auf eine Milliarde Euro.

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Wenn es dagegen um die Rahmenbedingungen in Europa geht, ist bei Brudermüller Schluss mit der Euphorie. Stattdessen kommt der Frust hoch: Zu hohe Energiekosten, zu lange Genehmigungsprozesse, eine lähmende Überregulierung mit Tausenden Seiten voller Vorschriften. Die Rahmenbedingungen machten wirtschaftliches Arbeiten „jeden Tag schwieriger“. Es brauche dringend eine Trendwende.

Baustopp in Finnland

Als aktuelles Beispiel für den Niedergang Europas nennt er die Probleme der BASF in Finnland: Dort wollte das Dax-Unternehmen eine Anlage bauen, die Vorprodukte für Batteriematerialien herstellt. Diese wiederum sollten an das BASF-Werk in Schwarzheide geliefert werden, das Kathodenmaterialien für Batterien herstellt - als europaweit erstes Zentrum überhaupt. Beide Werke gelten als wichtige Bausteine der europäischen Strategie, einen europäischen Markt für Elektromobilität zu schaffen und unabhängiger von Asien zu werden.

Das Werk in Schwarzheide wurde Ende Juni mit großem Jubel eingeweiht. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck kam und lobte. Aber was ist mit Finnland? Dort blockiert das oberste finnische Verwaltungsgericht den Bau des BASF-Werks - mit Verweis auf den EU-Gewässerschutz. „Wir wissen nicht, wie das ausgehen wird“, sagt Brudermüller.

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Bettina Eschbacher
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Die Vorprodukte bekommt Schwarzheide nun von anderen Anlagen aus der ganzen Welt geliefert. An sich kein Problem, aber: „Es ist ein Rückschritt für die europäischen Pläne.“ Und für den BASF-Chef ein Beleg dafür, was auf dem Kontinent schief läuft: Genehmigungen, auf die Unternehmen viel zu lange warten müssen - und die dann auch noch gekippt werden.

Und trotz allem Ärger betont der gerade für seine Treue zu China immer wieder angegriffene Vorstandsvorsitzende: „Wir investieren auch in Europa, sogar mehr als in den vergangenen Jahren.“ Allein in Ludwigshafen seien es jährlich zwei Milliarden Euro im Jahr. Es sei einfach falsch, zu behaupten, dass BASF nun Anlagen verlagere. Im Februar hatte der Vorstand bekanntgeben, dass mehrere große Anlagen im Werk Ludwigshafen stillgelegt werden, darunter eine der beiden Ammoniak-Anlagen und die TDI-Anlage.

BASF in Ludwigshafen als „Kraftzentrum“

Was Brudermüller nun meint: Diese Anlagen werden nicht eins zu eins etwa in China oder den USA aufgebaut. Die Schließungen betreffen nur den europäischen Markt, die Produkte werden aus anderen europäischen Werken geliefert. Wahr ist aber auch: Wenn es um den Bau neuer großer Anlagen geht, ist Europa für BASF weniger attraktiv. Nicht nur wegen der ungünstigen Rahmenbedingungen, sondern auch „weil der europäische Markt schrumpft“.

Das Werk Ludwigshafen werde weiter „unser Kraftzentrum“ bleiben, sagt Brudermüller. Künftig werde aber weniger in Wachstum, sondern in die Dekarbonisierung investiert. Weitere Einschnitte im Stammwerk schließt er vorerst aus: „Da kommt nichts mehr nach, es gibt keine weiteren Schließungen in Ludwigshafen.“

BASF-Konzern tritt auf die Kostenbremse

Noch geht es ja auch darum, die beiden großen laufenden Sparprogramme abzuarbeiten. Insgesamt fallen 2500 der aktuell 34 200 Arbeitsplätze der Muttergesellschaft BASF SE weg. 700 Stellen gehen in der Produktion durch die Schließung der Anlagen verloren. Ein weiteres Sparprogramm soll die Verwaltung schlanker und effizienter machen. Hier fallen bis Ende 2024 rund 1800 Stellen weg.

Laut Finanzvorstand Dirk Elvermann liegen die Sparprogramme im Plan. Schon bis Ende 2023 sollen sie jährlich mehr als 300 Millionen Euro Einsparungen bringen, ab 2026 dann eine Milliarde Euro. Er geht davon aus, dass ein großer Teil der Betroffenen einen anderen Job innerhalb der BASF bekommt. Unabhängig davon tritt BASF nach dem massiven Gewinn- und Umsatzrückgang im ersten Halbjahr auf die Kostenbremse: Kosten wie etwa für Reisen sollen vermieden werden. Die Sachinvestitionen werden im laufenden Jahr um mehr als eine halbe Milliarde auf 5,7 Milliarden Euro gekürzt.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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