Kartellstreit

Die wichtigsten Details zum Schadenersatz-Urteil gegen Südzucker

Der Kartellstreit vor dem Mannheimer Landgericht schwelt seit vielen Jahren. Nun hat das Gericht entschieden: Der Mannheimer Südzucker-Konzern und zwei weitere Hersteller müssen Schadenersatz in Millionenhöhe leisten

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Alexander Jungert
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Südzucker und andere Unternehmen müssen Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen. © Südzucker

Mannheim. Es ist Punkt 14 Uhr am Freitag, als Richter Kai Thomas Brauneisen am Landgericht Mannheim zwei besondere Urteile verkündet. Es sind die ersten in dem schon jahrelang dauernden Kartellstreit um die drei großen deutschen Zuckerhersteller Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen. Sie könnten wegweisend sein. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Um was geht es in dem Kartellstreit überhaupt?

Im Jahr 2014 hatte das Bundeskartellamt Bußgelder von insgesamt 280 Millionen Euro gegen Südzucker (Mannheim), Nordzucker (Braunschweig) und Pfeifer & Langen (Köln) verhängt. Durch verbotene Absprachen sei Preiswettbewerb verhindert worden. Auf Südzucker entfiel mit 195,5 Millionen Euro der größte Batzen. Der Mannheimer Konzern akzeptierte die Strafe, „um Rechts- und Planungssicherheit“ zu erlangen.

Ein Schuldeingeständnis gab es nicht. In der Folge war eine Prozesswelle in Gang gekommen: Industriekunden waren der Ansicht, durch das Kartell zu viel für Zucker gezahlt zu haben, und forderten Schadenersatz von allen oder einzelnen Herstellern.

Welche Urteile hat das Gericht nun gefällt?

Die Kartellkammer beim Landgericht Mannheim hat Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen dazu verurteilt, Schadenersatz in Millionenhöhe an den Süßwarenkonzern Nestlé und die Molkerei Müller zu zahlen. Nestlé stehen laut Gericht rund 8,393 Millionen Euro zu, Müller rund 6,262 Millionen Euro.

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Hinzu kommen jeweils Zinszahlungen in ähnlicher Dimension, die teilweise bis Ende der 1990er Jahre zurückreichen (Az. 14 O 61/18 und Az. 14 O 103/18). Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass die Hersteller zwischen 1997 und 2009 durch verbotene Absprachen den Wettbewerb einschränkten. Demnach waren die Preise für Verarbeitungszucker in Deutschland wegen des Kartells um rund zwei Prozent überhöht. Dabei handelt es sich um eine Schätzung.

Warum gibt es ausgerechnet zu Nestlé und Müller Urteile?

Wie gesagt war vor Jahren eine Prozesswelle in Gang gekommen. Allein das Landgericht Mannheim zählte 40 Klagen verschiedener Lebensmittel- und Getränkehersteller. Sie alle erklärten, wegen des Kartells zu viel für den bezogenen Zucker gezahlt zu haben. Die Schadenersatzforderungen summierten sich inklusive Zinsforderungen auf mehrere hundert Millionen Euro.

Ist den Klägern überhaupt ein Schaden entstanden und wenn ja, in welcher Höhe – um diese beiden zentralen Fragen sachverständig zu klären, wählte die Kartellkammer sechs aus ihrer Sicht repräsentative Verfahren – sogenannte Pilotverfahren – aus: Neben Nestlé und Müller waren das die Klagen der Lebensmittelhersteller Goldeck Süßwaren, Jung & Schmitt, Katjes und Zott.

Was ist mit den anderen Pilotverfahren?

Goldeck und Zott haben ihre Klagen mittlerweile zurückgenommen, Katjes erklärte ihre teilweise für erledigt. Zur Verhandlung steht zudem noch die Klage von Jung & Schmitt. Auch die übrigen Kläger müssen nun entscheiden, wie sie weiter vorgehen wollen.

Warum dauert der Kartellstreit schon so lange?

Die Materie gilt als hochkomplex. Das hat auch damit zu tun, wie der europäische Zuckermarkt zur gefragten Zeit beschaffen war: Er war, vereinfacht erklärt, stark reguliert. Zudem war nach Angaben des Gerichts auch ohne verbotene Absprachen „in erheblichem Umfang“ zu erwarten, dass die Zuckerhersteller vorwiegend Kunden in der Nähe ihrer Fabriken beliefern. Historisch bedingt konzentrierten sie sich in Mittel- und Süddeutschland (Südzucker), in Norddeutschland (Nordzucker) und Westdeutschland (Pfeifer & Langen). Wesentlicher Restwettbewerb um Absatzgebiete, Kunden und Preise sei dennoch möglich gewesen – und durch die über 13 Jahre andauernden, verbotenen Absprachen beschränkt worden, wie Brauneisen erläutert.

Die Kammer stützt sich dabei unter anderem auf die Analysen des Bundeskartellamts und des Gerichtssachverständigen Justus Haucap, ein Ökonom aus Düsseldorf. Tatsächlich lässt sich im Nachhinein nicht mehr exakt sagen, wie sich die Preise ohne Kartell entwickelt hätten. Die statistischen Modelle mussten quasi eine „Prognose der Vergangenheit“ leisten, deshalb sind die zwei Prozent Überhöhung eine Schätzung.

Sind auch Endverbraucher durch das Kartell geschädigt worden?

Nein. Das Gericht sieht „keine greifbaren Anhaltspunkte“, dass die überhöhten Preise für Verarbeitungszucker bis zu den Endverbrauchern in den Supermärkten „weitergewalzt“ wurden.

Was sagt Südzucker zu den Urteilen?

Südzucker hatte bislang argumentiert, Industriekunden sei kein Schaden entstanden. Ein Konzernsprecher erklärt nach der Verkündung, man werde die Urteile prüfen. Südzucker und die anderen Hersteller könnten Berufung einlegen. Dann wäre das Oberlandesgericht Karlsruhe als nächsthöhere Instanz am Zug.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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