Software - Ehemaliger Betriebsratsvorsitzender soll gehen / Belastende Unterlagen / „Falsch verstandene Kameradschaft“

SAP spricht Kündigung gegen ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden aus

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Alexander Jungert
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Der Stammsitz von SAP in Walldorf. © dpa

Walldorf. Nächstes Kapitel in der Betriebsratsaffäre: Der ehemalige Vorsitzende des Betriebsrats der SAP SE steht vor dem Rauswurf. Das Gremium hat dem Antrag des Unternehmens auf eine außerordentliche Kündigung zugestimmt. Was das bedeutet – folgend die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Warum musste SAP die Zustimmung des Betriebsrats für die fristlose, außerordentliche Kündigung beantragen?

Ein Betriebsratsmitglied genießt Sonderkündigungsschutz. Die außerordentliche Kündigung bedarf der Zustimmung des Betriebsrats, steht im Betriebsverfassungsgesetz.

Wie bei anderen Arbeitnehmern auch ist eine außerordentliche Kündigung zulässig, wenn wichtige Gründe vorliegen und wenn dem Arbeitgeber jede weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten ist.

Was wird dem Ex-Betriebsratsvorsitzenden vorgeworfen?

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Stefanie Ball
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Der nun vor der Kündigung stehende Ralf Zeiger soll im Zuge einer Untersuchung gegen einen Betriebs- und Aufsichtsratskollegen – der der gleichen Liste angehört – in „mehrfacher Weise eine Aufklärung erschwert, Indiztatsachen unterdrückt“ und dabei versucht haben, „die Ermittlung der Wahrheit zu verhindern“, heißt es in Unterlagen, die dieser Redaktion vorliegen. Gegen Zeigers Kollegen ermittelt SAP intern nach dem Hinweis eines Whistleblowers wegen Verdachts des Lohnbetrugs. Er soll mutmaßlich Urlaub genommen haben, ohne diesen korrekt anzumelden. Der frühere Betriebsratsvorsitzende soll demnach E-Mails manipuliert haben, um seinen Kollegen zu schützen. Zeiger reagierte am Mittwoch auf eine schriftliche Anfrage dieser Redaktion zunächst nicht.

Welche Reaktionen gibt es auf die Affäre beim Konzern?

Die Fassungslosigkeit bei SAP ist groß. Man sei von dem Machtmissbrauch „erschüttert“, heißt es in den Unterlagen. Von „falsch verstandener Kameradschaft“ ist die Rede, sogar von „krimineller Energie“.

Und wie reagieren Arbeitnehmervertreter?

Auch sie äußern sich deutlich: „In der heutigen Sondersitzung, nach ausführlicher Anhörung und Klärung des Sachverhalts, sind wir zu der Ansicht gelangt, dass für eine weitere Zusammenarbeit keine vertrauensvolle Grundlage mehr besteht“, heißt es in einer E-Mail der kommissarischen Vorsitzenden des SE-Betriebsrats, Nathalie Boulay. Die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) kritisiert „jede Form der Vorteilsnahme oder anderer illegaler Machenschaften“ – und spricht sich für sofortige Neuwahlen des Betriebsrats aus. Eigentlich sind diese erst im Frühjahr 2022 geplant. Die IG Metall Heidelberg sieht grundlegende Probleme. „Durch den Ausspruch von Kündigungen wird es keine nachhaltigen Veränderungen bei SAP geben können“, teilt Gewerkschaftssekretär Türker Baloglu mit. „Wir stellen fest, dass diese Dinge auch zum Teil hausgemacht sind.“ Das Unternehmen müsse besser mit der IG Metall kooperieren.

Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende ist nach wie vor im Aufsichtsrat von SAP. Was nun?

Dort ist mit Veränderungen zu rechnen. Zeiger hält über den Deutschen Bankangestellten-Verband (DBV) zwar ein Gewerkschaftsmandat, das unabhängig von seiner Anstellung bei SAP gilt. Doch der Softwarekonzern dürfte wegen der massiven Vorwürfe daran interessiert sein, dass eine andere Person in den Aufsichtsrat entsandt wird. Der Betriebsrat der SE hat einen Antrag verabschiedet, nach dem sowohl Zeiger als auch sein Listenkollege den Betriebs- und Aufsichtsrat verlassen sollen. Dieses Votum ist allerdings nicht bindend, sondern hat eher den Charakter einer Resolution.

Ist die Affäre bei SAP damit beendet?

Nein. Die internen Untersuchungen gegen Zeigers Kollegen laufen noch. Dieser spielt auch eine Hauptrolle in einem Verfahren vor dem Heidelberger Landgericht.

Was hat es mit dem Verfahren vor dem Landgericht auf sich?

Der Prozess (Az: 2 O 17/16) hat die Frage aufgeworfen, ob der Mann an möglichen Manipulationen bei der Aufsichtsratswahl 2012 beteiligt gewesen war. Es steht der Verdacht des Stimmenkaufs im Raum. Ein ehemaliges SAP-Aufsichtsratsmitglied hatte behauptet, den Funktionär bei der Abstimmung unterstützt zu haben, und forderte dafür ein Honorar von 500 000 Euro ein. Das Gericht sah eine mögliche Vereinbarung allerdings als nichtig an, weil sie gegen das Mitbestimmungsgesetz verstoßen würde. Danach darf eine Wahl nicht beeinflusst werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen versuchten Prozessbetrugs. Wurde vorsätzlich die Unwahrheit gesagt? Schließlich widersprachen sich die beiden Beteiligten vor Gericht in entscheidenden Punkten – vor allem bei der Frage, ob sie einen Vertrag geschlossen hatten.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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