BASF-Gründer

Mega-Unternehmer Friedrich Engelhorn

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Der BASF-Gründer Friedrich Engelhorn. © BASF

Am 17. Juli vor 200 Jahren wurde der BASF-Gründer Friedrich Engelhorn geboren, der die Region geprägt hat wie kein anderer. Unsere Autorin Waltraud Kirsch-Mayer hat sich die Freiheit genommen, ein Interview mit ihm zu formulieren, das aber auf den historischen Fakten basiert.

Ein Wirtssohn und die BASF

  • Die Friedrich Engelhorn in den Mund gelegten Antworten basieren vorwiegend auf Veröffentlichungen des Historikers Sebastian Parzer und Material des Friedrich-Engelhorn-Archivs.
  • Friedrich Engelhorn (1821 bis 1902), ein Mannheimer Wirtssohn, Goldschmied und Leuchtgasfabrikant, gründet 1865 die Badische Anilin- und Soda-Fabrik (BASF).
  • Aus der BASF zieht sich der visionäre Vorstandsvorsitzende 1883 zurück, bleibt aber in der Region vielfältig engagierter Unternehmer.
  • Der Chemiekonzern BASF mit Sitz in Ludwigshafen und 110.300 Beschäftigten in mehr als 80 Ländern erzielte 2020 einen Umsatz von 59,1 Milliarden Euro und ist damit weltweit Nummer Eins der Branche.
  • Die BASF würdigt den Gründer mit einem Film: www.basf.de/basfinside 

Herr Engelhorn, anlässlich Ihres 200. Geburtstages werden Sie als Unternehmer gefeiert - insbesondere als Gründer der BASF. Ziemlich erstaunlich, dass ein Goldschmied den Chemieriesen in Ludwigshafen auf den Weg gebracht hat.

Friedrich Engelhorn: Ich habe mich eher als Bijouterie-Fabrikant gesehen. Und bei meinen Wanderjahren vor der Meisterprüfung bis nach Genf und Paris lernte ich, über den Tellerrand zu schauen. Das bringt mehr als akademische Vorlesungen. Und ehrlich gesagt, war mir schon das Mannheimer Lyzeum, das ich vorzeitig verließ, ein Gräuel.

Lehrer nahmen Sie als schlaff, zerstreut, unwillig wahr. Aber was heißt das schon. Schließlich haben Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg als Studienabbrecher riesige Unternehmen gegründet - Microsoft, Apple und Facebook. Und Sie hatten ganz früh besondere unternehmerische Erleuchtungen.

Engelhorn: In der Tat. Schließlich gründete ich nach meiner Goldwerkstatt ein privates Gaswerk und betrieb mit zwei Kompagnons im Auftrag der Stadt Mannheim die Badische Gesellschaft für Gasbeleuchtung.

Und die revolutionierte die Beleuchtung in der Quadratstadt!

Engelhorn: Und wie, wenn ich an das Probeleuchten am 1. Dezember 1851 zurückdenke! Damals prangte am Turm des Paradeplatz-Kaufhauses eine künstliche Strahlensonne mit dem Gaslichtschriftzug „Und es ward Licht“. Als drei Tage später Großherzogin Stefanie kam, glitzerten die Quadrate noch einmal.

Was für ein Spektakel!

Engelhorn: Aber nicht nur. Fünf Jahre nach der Werkseröffnung leuchteten in Mannheim 670 Gasstraßenlaternen. In der Badischen Wollmanufaktur, unserem größten Abnehmer, brannten um die 60 Flammen - im vornehmen „Pfälzer Hof“ immerhin 20. Und die vertraglich festgelegte Mindestlichtstärke von neun Wachskerzen wurde nach Anfangsproblemen stets eingehalten, ab 1869 betrug sie gar mehr als ein Dutzend.

Jene 6500 Gulden, die Sie sich geliehen haben, wurden bereits nach drei Jahren aus dem städtischen Pfandbuch gestrichen.

Engelhorn: Weil das Gaswerk ein finanzieller Erfolg war. Die Einnahmen ermöglichten mir weitere Firmenbeteiligungen.

Sie haben früh erkannt, dass sich Dreck zu Geld machen lässt. Besser gesagt, dass bei der Leuchtgasherstellung anfallende Abfallprodukte genutzt werden sollten. Was verhalf Ihnen zu dieser Erkenntnis?

Engelhorn: Der junge Engländer William Perkin entdeckte schon 1856 beim Versuch, Chinin zu synthetisieren, nebenbei Anilinviolett - jenes Mauve, mit dem sich bis ins 20. Jahrhundert die englische Penny-Briefmarke präsentierte. Und dass sich aus dem bei der Leuchtgasherstellung massenhaft anfallenden Steinkohleteer Anilin isolieren und daraus Teerfarbstoff produzieren lässt, hat davor schon im brandenburgischen Oranienburg Friedlieb Runge herausgefunden.

Runge? Erstaunlicherweise hat der vor allem als Entdecker des Koffeins Berühmtheit erlangt!

Engelhorn: Mag sein, aber Kaffee hat mich als Geschäftsmann nicht die Bohne interessiert. Hingegen war ich elektrisiert, als Fachzeitschriften über Teerfarben, beispielsweise das Fuchsin, berichteten. Ich habe sofort die auf dem Pestbuckel im Mannheimer Jungbusch nur noch als Lager genutzte Zinkhütte ersteigert, um dort mit Partnern die Firma „Sonntag, Engelhorn & Clemm“ zu gründen.

Heute würde man von einem „Start-up“ sprechen. Auch andere Gasunternehmer vor Ihnen setzen auf Teerfarben - Emil Spreng in Nürnberg.

Engelhorn: Man muss nicht am schnellsten sein - aber zum richtigen Zeitpunkt beharrlich bleiben. Spreng hat sich schon nach zwei Jahren aus seiner Gas-Teerproduktenfabrik zurückgezogen. Ich habe mich nicht beirren lassen, als der Preis für Anilinfarben weger starker Konkurrenz dramatisch fiel. Unsere Firma erwirtschaftete schon im dritten Jahr für 1862/63 einen Reingewinn von 266 000 Gulden.

Beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Jungbusch-Zinkhütte für 45 000 Gulden ersteigert wurde. Aber was führte zur Gründung der Badischen Anilin-& Soda Fabrik?

Engelhorn: Unternehmerische Überlegungen! Zunächst dämmerte mir, dass der „Verein Chemischer Fabriken Mannheim“ nicht bereit sein würde, uns als Großabnehmer beim Preis von Arsen- und Salpetersäure entgegen zu kommen. Als der Verbund dann eine doch bereits ausgehandelte Fusion platzen ließ, stand es für mich fest: Wir stellen die für unsere Farbenproduktion benötigten Säuren wie auch andere Grundstoffe, beispielsweise Soda, am besten selbst her.

Eine Kampfansage . . .

Engelhorn: . . . für ein bahnbrechendes Konzept. Ich wollte ein Unternehmen, das die gesamte Herstellung von Roh- und Hilfsstoffen über Zwischenprodukte bis zu den Farbstoffen abdeckt. Produktionsketten in einer Hand sparen Kosten wie Ärger mit Lieferanten und steigern Gewinne.

Als Sie am 6. April 1865 mit anderen Investoren die Aktiengesellschaft „Badische Anilin- & Sodafabrik“ gründeten, lag der geplatzte Fusionsvertrag gerade mal ein halbes Jahr zurück.

Engelhorn: Es galt, zu handeln! Ich wollte etwas Großes. Der von mir eigenhändig niedergeschriebene Gesellschaftervertrag sah 1400 Aktien zu je tausend Gulden vor. Das war in Mannheim das zweithöchste Aktienkapital hinter der Spiegelmanufaktur auf dem Waldhof.

Und wie viele Aktien haben Sie übernommen?

Engelhorn: Ich persönlich erst mal 115. Später besaß ich eine Zeit lang über 3000. Unsere Firma „Sonntag, Engelhorn & Clemm“ bekam für das Gebäude samt Anlagen 600 Aktien. Auch führende Mitarbeiter investierten Geld.

Vom Verein Chemischer Fabriken hatten sie deren technischen Leiter und Sodaexperten Julius Giese abgeworben.

Engelhorn: Nicht nur den, schon bald kamen von der Konkurrenz 60 fähige Arbeiter zu uns. Die Konventionalstrafe von 10 000 Gulden war gut angelegtes Geld!

Die Konkurrenz setzte alles daran, den Kauf der Mannheimer Neuwiesen als Fabrikareal zu verhindern. Hundert Gulden mehr pro Morgen bot der Verein Chemischer Fabriken der Stadt.

Engelhorn: Ein Scheinangebot! Bekanntlich wurde aus der beschlossenen Versteigerung nichts. Dafür gab es später einen lachenden Dritten - den 1868 gegründeten Badischen Rennverein, der das Areal pachtete und darauf glanzvolle Galoppwettbewerbe veranstaltete. Beispielsweise das in Europa höchst dotierte Hindernisrennen Badenia.

Sind Sie selbst geritten?

Engelhorn: Bewahre, nein, ich war passionierter Schwimmer. Beruflich hatte ich Kontakte zu Julius Espenschied, an dessen Zementwerk im Mannheimer Jungbusch ich beteiligt war. Mein Unternehmerkollege war Pferdenarr und erster Präsident des Rennvereins. Dass Wirtschaftsleute der Herrenreiterei frönten oder diese unterstützen, war seinerzeit üblich. Auf den Neuwiesen, wo unsere Fabrik geplant war, hat der erste Doppel-Renntag 10 000 Schaulustige angezogen.

Am Tag der Abstimmungsniederlage im Mannheimer Gemeinderat überquerten Sie mit den Inhabern des Geldhauses Ladenburg den Rhein und verhandelten in Ludwigshafen über Ankauf von Gelände.

Engelhorn: Erworben haben wir ein großes Areal im Hemshöfer Rheinfeld - mit direkter Nähe zum schiffbaren Fluss. Die kurz danach im Rathaus ausgelegten Pläne wurden schon am 8. Mai 1865 genehmigt. Zwei Tage später erfolgte der erste Spatenstich. Im August standen drei Hallen samt 40 Meter hohem Schornstein.

Damals war wohl alles ziemlich anders. In einem Schreiben an das „verehrliche Bezirksamt“ bezeichnen Sie die BASF als „Etablissement“.

Engelhorn: Jedenfalls hat das Etablissement mit der Produktion von Säuren, Anilinfarben, Fuchsin und Soda bereits im ersten Geschäftsjahr 150 000 Gulden Reingewinn erzielt und eine Dividende von fünf Prozent ausgeschüttet. Und wenig später kam der Verkaufserfolg von Alizarin.

Allerdings gab es rund um die synthetische Variante des roten Farbstoffs Patentstreitigkeiten.

Engelhorn: Richtig. Und deshalb bin ich im Dezember 1869 mit meinem Forschungschef Heinrich Caro und dem Berliner Chemiker Carl Graebe ins winterliche London gereist, wo wir uns mit der Konkurrenz „Perkin & Sons“ verständigten, den Alizarin-Weltmarkt zu teilen. Damals waren Kartellabsprachen noch nicht verpönt.

Ein Unternehmen wie die BASF brauchte auch verlässliche Arbeiter.

Engelhorn: Und die haben wir mit Sozialleistungen, beispielsweise freie Medizinversorgung, an uns gebunden. Schon sechs Jahre nach Firmengründung ließ ich im Hemshof Werkswohnungen errichten. Modelle der Arbeiterkolonie haben bei der Pfälzischen Industrieausstellung in Kaiserslautern sogar Kaiserin Augusta beeindruckt.

Die BASF auf dem Weg zum Großkonzern - und Sie zogen sich 1883 zurück. Warum?

Engelhorn: Nachdem der Preis für Alizarin fiel, die Erträge rückläufig waren, kam es im Vorstand zu Spannungen, ja Machtkämpfen über die künftige Unternehmenspolitik.

Hatten die Zerwürfnisse auch mit Ihrer Persönlichkeit zu tun? Manche bezeichneten Sie als „schmiegsamen Mann, der stets den rechten Ton zu finden wusste“, hingegen schilderte Sie Chemiker Carl Glaser als jemanden, der über Hindernisse hinweg ging, „ohne sich um die Trümmer seiner Bahn zu kümmern“.

Engelhorn: Als Unternehmer muss man auch deutliche Worte finden. Und dass ich in heiklen Situationen besonnen und energisch zugleich zu handeln vermochte, habe ich mannigfach bewiesen. Auch in den Endwirren der badischen Revolution, als mir als 27-Jähriger der Bürgerwehr-Oberbefehl übertragen wurde.

Sie sprechen vom 22. Juni 1849, Mannheims Schicksalstag. Ein Ratsprotokoll hält fest, dass Sie dank einer List beim Übergeben der Stadt eine „blutige Katastrophe“ verhindert haben. Hat Sie Politik später nicht mehr gereizt?

Engelhorn: Ich habe als Unternehmer mehr zur Politik beigetragen als manch ein Politiker. Schließlich war ich parallel zur BASF an der Badischen Gesellschaft für Zuckerfabrikation, an der Pfälzischen Ludwigsbahn, an der Mannheimer Mehl- und Brot-Fabrik, an Banken, an der Mannheimer Versicherungsgesellschaft beteiligt, um nur einige zu nennen. All diese Unternehmen haben maßgeblich zur Entwicklung der Region beigetragen. Außerdem saß ich in Mannheims Großem Bürgerausschuss.

Nach dem BASF-Rückzug haben Sie Anteile an „C. F. Boehringer und Söhne“ erworben, das Chinin als Malariamedikament produzierte.

Engelhorn: Und später stieg mein Sohn Friedrich ein. Nicht zu vergessen: Mein Urenkel Curt Engelhorn entwickelte das Pharmaunternehmen zu einem Weltkonzern, der beim Verkauf an Roche 1997 knapp 20 Milliarden Mark brachte.

Glauben Sie, dass es so etwas wie ein unternehmerisches Gen gibt?

Engelhorn: Wenn ja, dann hatte es von meinen Söhnen Friedrich, der als promovierter Chemiker „Boehringer Mannheim“ zu einem der führenden Chinin-Hersteller machte. Sein jüngerer Bruder Louis, den es nach New York zog, war zwar auch von Unternehmergeist durchdrungen, musste aber Konkurs anmelden. Und Robert hat wohl mein künstlerisches Goldschmied-Gen mitbekommen. Er war als Genre- und Landschaftsmaler durchaus erfolgreich.

Und initiierte als Mäzen eine Fördergesellschaft zum Bau der Kunsthalle Baden-Baden. Möglicherweise hat ja auch die eine oder andere ihrer acht Mädchen das Unternehmer-Gen mitbekommen. So führte ihre Tochter Elisabeth nach dem Tod des Mannes 18 Jahre die Eisengießerei im pfälzischen Eisenberg sehr umsichtig.

Engelhorn: Stimmt! Aber ehrlich gesagt hätte sich in meiner Ära der Patriarchen niemand vorstellen können, dass 53 Jahre nach Gründung der BASF eine Chemikerin im Ammoniaklabor experimentieren und eines fernen Tages gar eine Frau in den Unternehmensvorstand berufen würde.

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