Ludwigshafen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Deutschen zu einem Boykott von russischem Gas aufgerufen. Auch in der EU mehren sich die Stimmen für einen Lieferstopp. Doch große Teile der Industrie warnen, eine Gasknappheit würde die deutsche Wirtschaft dramatisch schwächen. Zu den großen Gaskunden gehört auch die BASF in Ludwigshafen.
Warum würde ein Lieferstopp für Erdgas Russland treffen?
Russland ist auf die Devisen angewiesen. Allein 2021 nahm es fast zehn Milliarden Euro für Gaslieferungen nach Deutschland ein. Bisher ist Erdgas von den Sanktionen ausgenommen. 55 Prozent der deutschen Gasimporte kommen aus Russland. Eine aktuelle Studie hat ausgerechnet, dass Deutschland nicht vor 2027 unabhängig von russischem Gas werden könnte.

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Wie hoch ist der Gasbedarf der BASF?
Der BASF-Erdgasbedarf in Europa lag 2021 bei rund 48 Terawattstunden, davon entfielen allein auf das Werk Ludwigshafen 37 Terawattstunden. Eine Terawattstunde (TWh) entspricht einer Milliarde Kilowattstunden. Zum Vergleich: Ein Vier-Personen-Haushalt braucht im Jahr 12 000 bis 18 000 Kilowattstunden. Bereits jetzt spürt BASF die steigenden Gaspreise deutlich: Für die europäischen BASF-Standorte beliefen sich die Mehrkosten im Jahr 2021 auf rund 1,5 Milliarden Euro.
Wie hoch ist dabei der Anteil der Gaslieferungen aus Russland?
Das lässt sich nach Angaben einer BASF-Sprecherin nicht genau sagen: „Wir beziehen Erdgas von westeuropäischen Lieferanten und nicht direkt aus Russland.“ Es sei davon auszugehen, dass der regionale Mix des von BASF bezogenen Erdgases dem in der EU und in Deutschland entspricht - in Deutschland wäre das also rund die Hälfte, in der EU wären es 30 bis 40 Prozent.

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Warum ist Gas so wichtig für den Chemiekonzern?
In Europa verwendet BASF etwa 60 Prozent des zugekauften Erdgases für die Erzeugung von Energie (Dampf und Strom), die in der Produktion benötigt wird. Etwa 40 Prozent des Erdgases werden als Rohstoff genutzt, um Grundchemikalien für eine Vielzahl von Produkten für nahezu alle Industriebranchen herzustellen. „Eine Verknappung des Erdgases würde sich somit doppelt auf die Chemieproduktion auswirken“, so die BASF-Sprecherin. Erdgas lasse sich in der Chemieproduktion nicht kurzfristig ersetzen.
Wie würde sich eine Gasknappheit auf BASF auswirken?
Nach dem deutschen Notfallplan würde zuerst der Industrie das Gas abgedreht. Bei fehlenden Gas-Mengen müsste BASF „die Produktion von wichtigen Basischemikalien und Folgeprodukten drosseln“. Das würde zu „schwerwiegenden Unterbrechungen“ von vielen Wertschöpfungsketten nachgelagerter Kundenbranchen führen - wie Landwirtschaft, Ernährung, Automobil, Kosmetik/Hygiene, Bauwesen, Verpackung, Pharma oder Elektronik.
Was heißt das für den Standort Ludwigshafen?
„Eine Reduzierung der Erdgasversorgung auf unter die Hälfte des heutigen Bedarfs würde zu einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit führen“, erklärt die Sprecherin. Bei deutlicher Einschränkung oder Einstellung der Produktion sei „mit erheblichen Auswirkungen auf die Grundversorgung der Bevölkerung (nicht nur in Deutschland) und damit auf das Gemeinwesen zu rechnen“.
Sind Stilllegungen von Anlagen geplant?
Bereits im September 2021 hat BASF die Ammoniakproduktion an den Standorten Ludwigshafen und Antwerpen gedrosselt - wegen des hohen Erdgaspreises. Zu einem möglichen Stopp für weitere Anlagen äußert sich die BASF nicht. Die Sprecherin verwies aber auf wichtige Produktionen, etwa für Acetylen, bei denen Erdgas als Rohstoff eingesetzt wird. Würde die Gaslieferung gedrosselt, würde weniger Acetylen produziert, das für Kunststoffe, Arzneimittel, Lösemittel, Elektrochemikalien und Textilfasern genutzt wird. Das würde wiederum zu Engpässen bei diesen Produkten führen. In eine neue Acetylenanlage in Ludwigshafen hatte BASF vor wenigen Jahren groß investiert.
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