Ludwigshafen/Kassel. Am Ende zieht Mario Mehren doch noch die Reißleine. „Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht tragbar. Russlands Angriffskrieg ist nicht vereinbar mit unseren Werten“, verkündet der Chef der BASF-Gas- und Öltochter Dea Wintershall am Dienstagabend in einer Mitteilung - knapp ein Jahr, nachdem genau dieser Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat.
Das Echo auf die Nachricht ist auch am nächsten Morgen noch zu spüren - allerdings nur kurzzeitig. Zum Börsenstart am Mittwoch liegt der Aktienkurs der Konzernmutter BASF erst einmal deutlich unter dem des Vortags, erholt sich aber im weiteren Verlauf schnell wieder und macht sogar ein leichtes Plus. „Die Abschreibungen auf Wintershall Dea sind am Ende keine wirkliche Überraschung gewesen“, erklärt Ulle Wörner, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart.
„Dennoch atemberaubend“
Dass Anleger auf die Ankündigung zunächst kurzzeitig verschreckt reagierten, liegt an den vorläufigen Zahlen zum Geschäftsjahr 2022, die der Ludwigshafener Chemiekonzern ebenfalls am Vorabend veröffentlicht hatte: Der Russland-Rückzug von Dea Wintershall hinterlässt dort tiefe Spuren. Das Ergebnis nach Steuern wird durch Abschreibungen auf die Öl- und Gastochter in Höhe von 7,3 Milliarden Euro belastet, davon 5,4 Milliarden Euro im vierten Quartal. Die Abschreibungen kämen zwar nicht aus dem Nichts, die Höhe sei dennoch atemberaubend, schreibt Analyst Markus Mayer von der Baader Bank.
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Die Wertberichtigungen „resultieren insbesondere aus der Entkonsolidierung der russischen Explorations- und Produktionsaktivitäten von Wintershall Dea aufgrund des weitgehenden Entfalls tatsächlicher Einflussmöglichkeiten und wirtschaftlicher Enteignung“, heißt es in der Mitteilung aus Ludwigshafen. Unter dem Strich bleibt bei der BASF beim Ergebnis nach Steuern ein Verlust von knapp 1,4 Milliarden Euro hängen. Den ausführlichen Bericht zum Geschäftsjahr 2022 stellt der Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller am 24. Februar vor.
Mit dem nun verkündeten Komplett-Rückzug aus Russland hatte die BASF-Tochtergesellschaft lange gezögert, das dortige Geschäft hatte großes Gewicht: Etwa die Hälfte der Öl- und Gasproduktion von Dea Wintershall stammte in der Vergangenheit aus Russland.
Nach Ausbruch des Krieges hatte das Unternehmen zunächst nur verkündet, dass es die Zahlungen nach Russland einstellt und neue Projekte in dem Land ablehnt. Bestehende Förderprojekte in Sibirien sollten allerdings aufrechterhalten bleiben. Das Management von Dea Wintershall hatte dies damit begründet, dass bei einem Rückzug Milliardenwerte an den russischen Staat fallen würden.
Gleichzeitig schrieb das Unternehmen seine Finanzierung an Nord Stream 2 von rund einer Milliarde Euro ab - die neue Pipeline war nie in Betrieb gegangen. Entsprechend musste auch die BASF ihre Beteiligung an Dea Wintershall in den vergangenen Monaten wertberichtigen. Der Ludwigshafener Chemiekonzern ist mit gut 70 Prozent Mehrheitsgesellschafter des Joint Ventures.
Den jetzt angekündigten Komplet-Rückzug aus Russland begründete Unternehmenschef Mehren nun damit, dass die „russische Regierung die Tätigkeit westlicher Unternehmen im Land eingeschränkt“ habe. „Zusätzlich haben externe Eingriffe in die Aktivitäten unserer Joint Ventures dazu geführt, dass Wintershall Dea nicht wie bisher in Russland tätig sein kann. Die Joint Ventures wurden de facto wirtschaftlich enteignet.“
Horrende Kosten für Erdgas
„Das Russland-Geschäft hat bei Wintershall Dea einen beträchtlichen Anteil - aber das Unternehmen ist auch noch in anderen Regionen aktiv“, hebt Analyst Ulle Wörner hervor. Er sieht gute Chancen, dass sich der schon lange geplante Börsengang von Wintershall Dea nun leichter realisieren lässt - ohne das Russland-Geschäft im Gepäck.
Der BASF machen neben den Problemen ihrer Öl- und Gastochter in Russland unterdessen auch die hohen Energiekosten zu schaffen. Bereits im dritten Quartal hatte die BASF deshalb in Deutschland rote Zahlen geschrieben. Konzernchef Martin Brudermüller hatte zuletzt darauf verwiesen, dass der Chemiekonzern an seinen europäischen Standorten in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 insgesamt 2,2 Milliarden Euro mehr für Erdgas zahlen musste als vor einem Jahr.
Im Herbst hatte der Konzern auch ein Kostensenkungsprogramm angekündigt: Pro Jahr will die BASF 500 Millionen Euro sparen, allein die Hälfte davon im Stammwerk Ludwigshafen. Geplant ist auch ein Stellenabbau, vor allem in der Verwaltung. Details sind noch nicht bekannt. BASF-Betriebsratsvorsitzender Sinischa Horvat sagt, die Gespräche dazu könnten voraussichtlich Ende Februar abgeschlossen werden. Laut eines Konzernsprechers sollen die Abschreibungen „keinerlei Auswirkungen“ auf den Sparkurs haben. Als Zeitpunkt für Details nennt er lediglich das erste Quartal.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar BASF ist im Krisenmodus