Seit Anfang des Corona-Jahres 2020 befindet sich die Branche rund um den Gütertransport in einer Dauerkrise. Zuerst Corona, dann der Ukraine-Konflikt und nun die daraus resultierende Energiekrise. Da Speditionen nicht nur liefern, sondern auch auf Belieferung angewiesen sind, betrifft sie auch selbst die anhaltende Lieferketten-Problematik. Hinzu kommen Personalmangel, explodierende Spritpreise und Verteuerungen sämtlicher Transporte durch politische Entscheidungen.
Der Teufel steckt dabei oft im Detail: Das Additiv "Ad-Blue" sei oft lange Zeit nicht lieferbar, berichtet Nadine Franke, Geschäftsführerin der in Düsseldorf ansässigen Spedition Stahl-Express Franke. "Wir haben in die umweltfreundliche Abgasnorm Euro-6 investiert", sagt die Spediteurin im Gespräch mit dem Motor-Informations-Dienst (mid). "Ohne Ad-Blue fährt der Lkw nicht." Und dies ist nur einer von vielen Bremsklötzen für die Branche. Auch Reifen und andere Lkw-Ersatzteile würden erstens nicht schnell und zweitens zu sehr stark erhöhten Preisen geliefert.
Diesel-Tanks nachts aufgebrochen
Die durch die Decke gegangenen Spritkosten summieren sich für einen Speditionsbetrieb in erheblichen Dimensionen. Für "nur" 30 Lastkraftwagen seien die Spritkosten jüngst um 40.000 Euro pro Monat gestiegen. Eins der Fahrzeuge vollzutanken koste heutzutage 2.000 Euro. Hinzu käme eine Häufung von Diesel-Diebstahl. "Vermehrt werden bei unseren Lkw über Nacht Tanks aufgebrochen", berichtet Nadine Franke.
Ein weiteres Problem ist der eklatante Fahrermangel. Dieser verschärft sich durch die Ukraine-Krise enorm. Die Firma Stahl-Express Franke beschäftigt größtenteils deutsches Fahrpersonal, aber da russische und ukrainische Lkw-Fahrer fehlen, wird auch an anderen Stellen mehr hiesiges Fahrpersonal benötigt. Das treibt die Lohnkosten enorm in die Höhe und erschwert die Suche nach gutem Personal erheblich.
Zu den größten Herausforderungen unserer Zeit gehöre unterdessen die Verkehrswende. "Ich bin sehr stark in aktuelle Digitalisierungs- und Klimaschutz Projekte involviert", sagt die Unternehmerin. "Für unsere Kinder ist dies das wichtigste Thema aller Zeiten, schließlich hat unser Planet keinen Plan B!" Dabei würden aber wichtige Fragen offenbleiben. Stichwort Verbrenner-Aus ab 2035. "Wir möchten uns ja gerne an der Verkehrswende beteiligen, aber wir haben zu Dieselfahrzeugen noch keine ernstzunehmenden Alternativen, und die Politik gibt keine Richtung vor, in die wir sicher investieren könnten."
Investitions-Stopps
Viele Unternehmer in Deutschland verhängen aktuell wegen der politischen Panikmache vor der drohenden Rezession Investitionsstopps. Dazu kommt das fehlende Vertrauen in die Politik. Am Beispiel LNG: Vor Jahren investierten Speditionen aus Umweltschutzgründen in die Gas Lkw. Diese Investitionen wurden durch wirtschaftliche Förderungen unterstützt. Nun aber sind die Gaspreise extrem gestiegen und die LNG Fahrzeuge müssen stillgelegt werden. Eine politische Unterstützung gibt es hier nicht.
"Daher sind für die Speditions-Branche die Beantragung von Fördergeldern oft Glücksspiele", sagt die Geschäftsführerin des seit 1982 bestehenden Unternehmens. Außerdem sind die administrativen Formulare oft sehr kompliziert gestaltet, was für viele Unternehmen eine zu große Hürde ist, diese Fördergelder zu beantragen.
Das nächste große Fragezeichen für den Gütertransport auf der Straße sind Elektro-Lkw. "Das ist schon ein großes Thema für uns", sagt Franke. Wo kommen Energie und Batterien her? Ist wirklich alles so grün wie angestrebt? Derzeit gibt es darauf keine klaren Antworten. "Im Fernverkehr sind Elektro Lkw leider noch nicht umsetzbar", sagt die Unternehmerin. Auch hier stehen sich offenbar politisches Wunschdenken und logistische Realitäten im Wege. Beispiel: Spediteure haben im Fernverkehr oft keine festen Routen. Durch die noch mangelnde Reichweite und die zusätzlich fehlende Ladestruktur sei ein reibungsloser Transport nicht möglich. Wichtig wäre, politisch darauf zu achten, dass die Ladestrukturen an die Lenk- und Ruhezeiten angeglichen werden - an den Rasthöfen müssen ausreichend Lademöglichkeiten für Lkw vorhanden sein, um das Fahrzeug während der Ruhepausen optimal laden zu können. Das klappt ja im Moment schon nicht mit den normalen Lkw Parkplätzen, wie soll das dann erst mit den benötigten Stellplätzen inkl. Ladesäule funktionieren?
Politik wischt vorgetragene Probleme beiseite
Wenn sich die Branchenvertreter hilfesuchend an die Politik wenden, werden die vorgetragenen Probleme einfach bei Seite gewischt. Ganz im Gegenteil: es werden den Spediteuren immer und immer mehr Steine in den Weg gelegt. Steigende Maut, C02-Zuschläge, verteuerte und verkomplizierte Fahrerausbildungen und immer höhere Auflagen sind ständige Kostentreiber. Der Fahrermangel wird verharmlost und die Idee eines angepassten Gewerbe-Diesels findet keine Beachtung.
Von der Politik wünsche sie sich erst einmal eine sinnvolle Reihenfolge: "Erst Alternativen schaffen, dann Entscheidungen treffen." Schön wäre es auch, diese Entscheidungen auch früh genug kundzutun, damit die Unternehmer Zeit haben alles umzusetzen und auch mit ihren Kunden ins Gespräch zu gehen. Beispiel: bis heute steht nicht fest, ob und wann ja, in welcher Höhe die Lkw Maut zum 1. Januar 2023 erhöht werden soll. Vor dieser Entscheidung können wir aber auch nicht mit unseren Kunden sprechen und diese wiederum nicht mit Ihren Kunden".
Alles in Allem seien die vielen verschiedenen Herausforderungen mit den guten Mitarbeitern und verständnisvollen Kunden zwar zu bewältigen, jedoch: Am Ende zahle es der Verbraucher.
Lars Wallerang / mid
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