Weltkrebstag

Warum in Heidelberg Mäuse für die Krebsforschung fasten

Die Zahl der Krebserkrankungen steigt weiter. Das liegt vor allem am westlichen Lebensstil mit zu viel Zucker und Fett in der Ernährung. Die Leber spielt bei der Krebsforschung auch für die Prävention eine wichtige Rolle

Von 
Michaela Roßner
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Das Organ Leber lässt sich lange nicht anmerken, wenn es krank ist. Bei der Krebsprävention könnte der Leber eine wichtige Rolle zukommen. © SewcreamStudio

Immer mehr Menschen erkranken weltweit an Krebs. In Deutschland ist eine Tumorerkrankung die zweithäufigste Todesursache. Das wird vorerst wohl so bleiben: „Krebs ist ein Zukunftsthema, und wir investieren sehr viel Geld in die Erforschung“, sagt Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, aus Anlass des Weltkrebstags am Sonntag, 4. Februar.

Dabei könnte mehr als jede dritte Erkrankung durch einen gesunden Lebensstil und Früherkennung verhindert werden, sind Experten überzeugt. Prävention rückt daher weiter ins Blickfeld der Forschung. Dem Organ Leber kommt dabei besonderes Interesse zu. So zeigen Studien, dass Fasten - bei Mäusen - Fettlebern regenerieren kann. Diskutiert wird in der Wissenschaft noch, ob der Krankheit mit Medikamenten vorgebeugt werden kann, etwa mit Semaglutid, das gegen Fettleibigkeit eingesetzt wird, oder mit Anastrozol. das in Großbritannien bereits vorbeugend gegen Brustkrebs verordnet wird.

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Rauchen, Sonnen, übermäßiger Alkoholkonsum und Übergewicht: Rund 40 Prozent aller neu auftretenden Krebserkrankungen in Deutschland gehen auf das Konto einiger weniger, vermeidbarer Krebsrisikofaktoren, betont Baumann: „Ein gesunder Lebensstil ist der wichtigste uns heute bekannte Ansatz, um Krebserkrankungen zu vermeiden.“

Die Prognosen sind alarmierend: Die Zahl von 500 000 Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland scheint sich bis 2040 auf 600 000 Neuerkrankungen zu erhöhen. 225 000 Krebstote gibt es jedes Jahr bei uns, fünf Millionen Menschen leben mit einer Krebsdiagnose. Das Rauchen bleibt dabei für fast jede fünfte Neuerkrankung verantwortlich. Ein schwacher Trost: Im internationalen Vergleich sind die Überlebensraten hierzulande recht gut. 66 Prozent der Frauen und 62 Prozent der männlichen Krebspatienten überlegen die kritischen ersten fünf Jahre nach der Diagnose.

Noch besser unterstreicht die Dramatik eine andere Zahl, betont Baumann: „Zwölf Millionen Lebensjahre gehen in Deutschland - pro Jahr - vorzeitig verloren.“ Auf Platz eins: Ein Drittel davon, vier Millionen Lebensjahre, gehen auf das Konto von Krebs, verweist der DKFZ-Vorstandsvorsitzende auch auf die sozioökonomischen Folgen. „Wir brauchen neues Wissen“, verweist Baumann unter anderem auf personalisierte Forschungsansätze.

Eine gute Nachricht zur bevorstehenden Fastenzeit hält Mathias Heikenwälder, Leiter der Abteilung Chronische Entzündungen und Krebs am DKFZ und Forschungsleiter an der Universität Tübingen bereit: Intervallfasten hat bei Versuchen mit Mäusen die Leber gesund gehalten - und angeschlagene Organe sogar wieder gesund gemacht. Leberkrebs fordert weltweit 1,2 Millionen Tote im Jahr, 40 000 Menschen sterben in Deutschland an der Krankheit, für die es im fortgeschrittenen Stadium weder Heilung noch Behandlungsmethoden gibt.

Fasten hält Leber fit

Neben Infektionen wie etwa Hepatitis machen vor allem zu viel Zucker und Alkohol die Leber krank: In das Organ lagern sich Fetttröpfchen an, die Fettleber entsteht. Es handele sich um eine „Stoffwechsel-Katastrophe“. Leberzellen können das Fett nicht mehr verdauen, es entstehe „Stress in der Leber“, Zellen sterben ab und es entstehen chronische Entzündungen - und Fehler bei der Zellteilung, die Vorstufen von Krebs. Eine kranke Leber beeinflusst zudem das Immunsystem und das Herz-Kreislauf-System.

Das Problem: Obwohl längst bekannt ist, dass sich in der der Fettleber verstärkt Entzündungen entstehen und daraus direkt - oder im Umweg über vernarbtes Gewebe und Zirrhose - Krebs entsteht, wird die Krankheit oft zu spät entdeckt. Denn die bereits leidende Leber zeigt keine Schmerzen. 20 Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung - besitzen eine solche Steatosis hepatis (Fettleber). Meist, ohne es zu wissen. Auf Biomarker bei der Früherkennung von Leberkrebs setzt daher Ursula Klingmüller, Leiterin der Abteilung Systembiologie in der Signaltransduktion am DKFZ.

„Der Zirrhose-Prozess benötigt in der Regel Jahrzehnte“, weiß Heikenmüller. Die gute Nachricht: Es sei jederzeit möglich, durch Ernährung und Lebensweise gegenzusteuern. Der Forscher und seine Teams belegen, dass Mäuse, die im westlichen Ernährungsstil mit viel Kohlenhydraten und Fett gemästet worden waren, durch Intervallfasten sehr schnell wieder entfettet wurden. Vorteilhaft war dabei Bewegung. Die Tiere wurden zwei Tage pro Woche ein Jahr lang auf Nulldiät gesetzt. Zuvor hatte ein Drittel der fetten Mäuse unter der ungesunden Ernährung Leberkrebszellen entwickelt.

In Heidelberg entsteht in den nächsten Jahren unter der Regie des DKFZ und der Deutschen Krebshilfe ein Nationales Krebspräventionszentrum. Finanziert wird das Zentrum ausschließlich durch private Förderungen. „Wir wollten schnell sein“, begründet Baumann den ungewöhnlichen Schritt, ohne staatliche Unterstützung in die Realisierung zu gehen. Ende Juni soll Baubeginn sein; 2027 rechnet Baumann mit dem Bezug der international führenden Pioniereinrichtung. Unter anderem mit der Gründung einer Präventionsambulanz hat die Arbeit indes schon begonnen.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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