Rom. Die „Dolce Vita“ lockt: Viele sonnenhungrige Touristen haben bereits ihren Sommerurlaub in Italien gebucht. Der italienische Fremdenverkehr rechnet mit Rekordmonaten: Die Zahl der Touristen soll in diesem Sommer das Niveau der Vor-Pandemiejahre übersteigen. Um einen Kollaps zu verhindern, haben einige beliebte Ferieninseln und -orte bereits massive Regelverschärfungen angekündigt. Neue Verbote gelten von Nord bis Süd.
Besonders kleinere Inseln schotten sich gegen den Massentourismus ab. Vorreiter ist die Insel Procida im Golf von Neapel. Das dicht besiedelte Eiland verbietet die Einschiffung von Fahrzeugen im Zeitraum vom 1. März bis 31. Dezember. „Das ist die einzige Maßnahme, die wirklich funktioniert“, so Bürgermeister Dino Ambrosino. Pro Jahr besuchten 600 000 Menschen seine Insel. Dabei sei Procida nur vier Quadratkilometer groß und zählt 10 000 Einwohner. „Wir sind die am dichtesten besiedelte Insel Europas, und für uns ist der Verkehr ein Problem.“
Auch die Insel Giglio, vor deren Küste 2012 das Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ auf Grund lief, will die Besucherzahl eingrenzen. „Auf der Insel leben nur 1400 Einwohner, doch im Sommer halten sich hier pro Tag 10 000 Touristen auf. Insgesamt sind es 300 000 pro Jahr“, berichtet der Bürgermeister Giglios, Sergio Ortelli. Ab August sollen deshalb nur noch diejenigen Touristen ihr Auto mitnehmen dürfen, die länger als vier Tage auf der Insel bleiben.
Und auch die Insel Lampedusa mit ihrem türkisfarbenen Meerwasser setzt Badegästen Schranken. Von Ende Juli bis Anfang September wird ein Einfahrtsstopp für Privatfahrzeuge verhängt. „Die 6700 Einwohner müssen mit 200 000 Touristen pro Jahr zusammenleben. Daher wollen wir für etwa 40 Tage im Sommer die Anreise von Autos und Motorroller für Nichtansässige verbieten“, erklärt Bürgermeister Filippo Mannino.
Für die Insel Linosa, nicht weit von Lampedusa entfernt, gilt dasselbe Verbot für die gesamte Sommerzeit. Auf den beiden Inseln haben Urlauber immerhin das Privileg, einen Strand ohne Badeanstalten genießen zu können – in Italien eine Seltenheit: Die „stabilimenti balneari“, die kostenpflichtigen Badestellen, sind typisch für die Strandkultur des Landes, es gibt sie fast überall entlang der über 7500 Kilometern Küste.
Idyllische Buchten, blühende Kiefer, grünlich-blau schimmerndes Wasser: Auch die Insel Sardinien hat Urlaubern viel zu bieten. Doch mit dem Ansturm ist jetzt Schluss. Die Gemeinde Baunei hat ein App-Reservierungssystem eingeführt, mit dem man sich einen der 250 täglichen Zugänge zum Strand reservieren kann. Der Preis beträgt sechs Euro.
Wer am Sandstrand Cala Coticcio auf der Insel Caprera nördlich von Sardinien baden möchte, darf das neuerdings nur in Begleitung eines offiziellen Reiseleiters und muss vorher eine Eintrittskarte buchen. Die Behörden gewähren nur noch 60 Besuchern pro Tag Zugang zum Traumstrand. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt.
Auch die Kunststädte entwickeln Strategien, um die Tourismusströme zu regeln. Venedig will „Eintrittsgeld“ für Tagestouristen einführen. Vorgesehen ist die Online-Buchung für alle Touristen, die von außerhalb der Region Venetien in die Stadt kommen, aber dort nicht übernachten wollen. Je nachdem, an welchem Tag Venedig besucht wird, sind zwischen drei und zehn Euro zu zahlen.
Und was ist mit den Bergen? Auch dort werden mit Blick auf den Sommer verschiedene Strategien festgelegt. Ein Beispiel dafür ist der Pragser Wildsee, der seit dem Erfolg der Fernsehserie „Un passo dal cielo“ („Nur einen Schritt vor dem Himmel“) zu einem beliebten Ausflugsziel geworden ist. Hier wurde vor drei Jahren ein Projekt zur Begrenzung des Autoverkehrs gestartet: Das Pragser Tal ist ab 10. Juli per Auto nur gegen Vorweis einer Parkplatzreservierung erreichbar. Stellplätze müssen online reserviert werden. Spontan geht in Italien kaum noch was.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/vermischtes_artikel,-vermischtes-dolce-vita-nur-mit-reservierung-_arid,2066315.html