24 im Quadrat

21 Uhr: Der Tetris-Spieler

Von 
Tobias Törkott
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Zdenko Marjanovic ist Kranfahrer am Hafen. © Troester

68 Stufen sind es rauf auf die Plattform des neuesten Container-Krans im Mannheimer Mühlauhafen. Es ist 21 Uhr. Auf 18 Meter Höhe verhindert ein Eisentor den Weg in die Tiefe. Der Kran selbst ist 26 Meter hoch. Schräg über dem Eisentor schwingt der gewaltige Metallgreifarm hin und her. Quietsch. Kurz davor hing ein 40-Fuß-Container daran. Nun hat das Krangeschirr, mit dem die großen Lastkisten gepackt werden können, Pause. Es quietscht erneut, dann erklingt das Summen eines Elektromotors. Die Führerkabine dockt rückwärts an die Plattform an. Zdenko Marjanovic öffnet die Tür. „Keine Angst, das Tor öffnet sich nur, wenn der Kran steht“, ruft er rüber zu Fotograf und Reporter, die noch immer auf der Plattform verharren. Beide folgen ihm hinein zu seinem Arbeitsplatz, einer knapp sechs Quadratmeter großen Welt mit einem großen Sitz, Monitoren und  Knöpfen. „Kein Problem“, sagt der Serbe und lacht, als der Reporter beim Versuch die Jacke auszuziehen das Radio ausschaltet. „Wir müssen direkt los. Da unten wartet ein Laster.“ 16 Elektromotoren setzen den 600-Tonnen-Stahlkoloss auf Schienen in Bewegung.

Seit 2008 bewegt der 51-Jährige Kräne. Eigentlich ist er gelernter Fremdenverkehrsführer. „In dem Beruf habe ich nie gearbeitet“, sagt Marjanovic. Nun führe er seit zehn Jahren Maschinen bei dem Logistikunternehmen Contargo. „Schicksal“, wie er es nennt.

Spielzeug für Jungs

Die Kanzel huscht über den Ausleger. Bei drei Grad Außentemperatur ist es im klimatisierten Führerhaus beinahe kuschelig. Marjanovic lehnt sich nach vorne über die dicke Plexiglasscheibe. Unter dem Kran sind hunderte Container zu sehen. Eine Taschenlampe flackert auf. Das Bodenpersonal weist Marjanovic ein. Sonst bugsieren die Kranfahrer eigenständig Container, deren Standorte alle in einem Computersystem hinterlegt sind, hin und her. „Das ist alles eine Frage der Übung“, erklärt Marjanovic und manövriert mit zwei Joysticks die Ladung. „Wichtiger ist das effektive Arbeiten, also wie schnell ich die Container verladen kann.“ Dann könne es stressig werden, meint er. Der Eindruck, dass diesen Mann nichts aus der Ruhe bringen kann, verstärkt sich. Es knackt im Funkgerät: Zdenko? Machst du Pause? Jürgen übernimmt.“ Auf der Plattform lehnt sein Kollege am Geländer. Jürgen Meiners, 44 Jahre aus Ludwigshafen, hat Container im Blut. Er stammt aus Nordenham in Niedersachsen, direkt gegenüber von Bremerhaven. „Das sieht schon geil aus“, sagt der Familienvater, angesprochen auf die norddeutschen Hochseehäfen. Dennoch: „Die Kranführer dort fahren auf ihrem Ausleger meist nur vor und zurück und beladen die Schiffe. Die Container werden am Boden an Ort und Stelle gebracht. Wir hier machen viel mehr Bewegungen.“ Auf einem der beiden Monitore blinkt ein neuer Auftrag auf. Der Kran rollt los. Meiners erklärt, worauf es ankommt. Psychisch belastbar und hochkonzentriert müssen die Fahrer sein. „Außerdem brauchst du Gefühl in den Knochen.“

Normalerweise haben die Kranfahrer für das Verladen eines Containers nur zwei Minuten Zeit. Gerade ist die Anzeige auf dem Monitor wieder ruhig. Die Frage nach der Länge des Auslegers beantwortet Meiners deshalb mit schelmischem Grinsen: „Finden wir es raus.“ Bei 68 Meter bremst die Kanzel automatisch ab und pendelt sanft über dem dunklen Rhein hin und her. Wieder taucht ein neuer Auftrag auf dem Monitor auf. Ein Laster aus Pforzheim will beladen werden. Meiners steuert die Kanzel zurück über die Kaimauer.

Trotz aller Späße sei Sicherheit das oberste Gebot. „Zu Fahrtbeginn prüfen wir alle Funktionen. Außerdem hat der Kran ein zusätzliches Sicherheitssystem“, erklärt Meiners, während die Kabine zurück über die Container fliegt. Er bekommt große Augen: „Das ist schon wie ein großes Spielzeug für Jungs – und auch ein bisschen wie Tetris.“

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Wie werde ich Kranfahrer?

  • Kranfahrer sind gelernte Maschinenführer und haben den Kranführerschein, der mit einer praktischen Prüfung verbunden ist, erlangt.
  • Einen speziellen Ausbildungsberuf gibt es nicht.
  • Das Einstiegsgehalt liegt bei 2400 Euro brutto. Die Betriebszeit des Terminals dauert von Sonntagabend bis Samstagnachmittag.

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