Viernheim. Das preisgekrönte Theaterstück des Theaters La Senty Menti „All that matters – Worauf es ankommt“ gastierte im Viernheimer Bürgerhaus. Vier Klassen der Stufen sieben bis neun der Fröbelschule saßen im Publikum und durften hinterher den Darstellerinnen Liora Hilb und Beate Jatzkowski Fragen stellen. Das Stück hat das Tagebuch von Vera Gissing (1928 – 2022) geborene Diamant, zur Vorlage, das später unter dem Titel „Pearls of Childhood“ veröffentlicht wurde.
Vera wächst in einem Dorf in der Nähe von Prag auf, ihre Kindheit ist unbeschwert. Sie ahnt nichts von Gräueltaten der Nazis, die Europa zu überziehen beginnen. Schließlich wird die Flucht für die jüdische Bevölkerung zur einzigen Überlebenschance.
Aus England kommt lebensrettende Hilfe für Kinder
Für 669 jüdische Kinder und Jugendliche kommt lebensrettende Hilfe aus England: Sir Nicholas Winton organisiert einen der „Kindertransporte“, die es von 1938 bis 1939 gab. Dieser rettet Vera und ihrer vier Jahre älteren Schwester Eva das Leben. Frei nach der Buchvorlage von Vera Gissing hat das Theater La Senty Menti Episoden daraus für die Bühne adaptiert. Die Personen werden durch Holzfiguren repräsentiert, zwischendurch läuft im Hintergrund ein Film, bei dem sie zu sehen sind.
Die bis zu hüfthohen Figuren sehen wie Zeichnungen eines Kindes aus, sie könnten von einem Mädchen in Veras Alter stammen. „Ich gehe in die Figuren hinein, indem ich sie anfasse“, sagt Liora Hilb. „Dabei verändere ich meine Stimme.“ Die Figur des jungen Sir Nicholas ist ein Pilot, wenn Hilb ihn spricht, setzt sie sich eine Pilotenmütze auf. „Das Stück ist bei den Kindern von der Fröbelschule gut angekommen. Sie waren sehr fokussiert. Die Kombination verschiedener Sinneseindrücke durch Figuren, Film und Musik, war gut gemacht“, sagt Hilde Brinkmann vom Museum Viernheim, die zusammen mit Elke Leinenweber die Aufführung im Bürgerhaus organisiert hatte.
Die Abschiedsszene von den Eltern berührt besonders
Nach der Aufführung hatten die Kinder die Möglichkeit, mit den beiden Schauspielerinnen über das Stück zu sprechen. „Ich habe die Kinder gefragt, welcher Moment sie berührt hat. Sie meinten: Der Abschied der Eltern am Zug, oder der Moment, als der Nazi den Vater anspuckt. Der Vater wird später erschossen, und die Mutter stirbt an Typhus, auch das hat sie sehr berührt“, sagt Hilb. Wörter mit direktem Bezug zur Schoah wie „Todesmarsch“ vermeidet sie im Stück. Das Original von Veras Tagebuch und ein Buch von Winton mit den Namen der Kinder werden in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem aufbewahrt. Der Kinofilm „One Life“ (2023) handelt vom Leben von Nicholas Winton, dargestellt von Anthony Hopkins. „Er ist sehr emotional, eben Hollywood. Aber wir versuchen, objektiv zu spielen, mit einer Distanz. Sonst ist es nicht auszuhalten. Die Kinder sollen sich ihr eigenes Bild machen. Es geht mir darum, dass ich sie emotional abhole“, so Hilb. Die jungen Zuschauer sollen Empathie zu den Figuren entwickeln, hinter denen Biografien von Menschen stehen.
„All that matters“ wurde mit dem Frankfurter Kinder- und Jugendpreis Karfunkel ausgezeichnet, das Theater La Senty Menti hat seinen Standort ebenfalls in Frankfurt. Unterstützt wurde die Aufführung in Viernheim durch die Bürgerstiftung Viernheim und den Lions Club.
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