Leichtathletik

Viernheimer Sprinter mit großem Talent

Auf mehrere erfolgversprechende Talente baut die Leichtathletikabteilung des TSV Amicitia Viernheim. Im 100-Meter-Sprint macht insbesondere der 16-jährige Tyrese Stewart auf sich aufmerksam

Von 
Wolfram Köhler
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Viernheim. „Auf die Plätze, fertig - go!“ Fast explosionsartig kommt Tyrese Stewart aus dem Startblock. Die Spitzen seiner Spikes kratzen über den roten Tartanbelag im Viernheimer Waldstadion. Ein Tape, das er zuvor zum Schutz auf seine Schuhe geklebt hat, fliegt weg. „Auf den ersten Metern geht es darum, die Füße tief zu halten“, erklärt sein Trainer Günter Schramm vom TSV Amicitia. „Das verkürzt den Weg, verbessert die Kraftübertragung - und spart am Ende Zeit.“ Auch ist es wichtig, dass die Ferse nicht zu weit absinkt. Dem 16-jährigen Nachwuchssprinter gelingt es nahezu perfekt, auf all die Details zu achten. Den Beleg liefert anschließend die Videoaufnahme. Der Coach und sein Schützling sehen sich genau an, was in Sekundenbruchteilen passiert. Schramm nickt und scheint zufrieden.

„Mein Ziel ist es, zur Europameisterschaft zu fahren“, sagt Tyrese Stewart. „Und im nächsten Jahr würde ich gerne beim EYOF starten.“ Das europäische Jugend-Olympia-Festival stehe nicht nur für Sport. „Die kulturelle Vielfalt wird dort gefeiert“, betont Tyrese. Das findet er besonders spannend. Langfristig wären die großen Olympischen Spiele ein Traum. „Ich muss sehen, wie weit ich komme“, sagt der junge Mann zurückhaltend. Er weiß, dass das viel Training erfordert - und ein weiter Weg ist. „Vor allem muss er verletzungsfrei bleiben“, fügt Günter Schramm hinzu. Bei Leichtathleten, insbesondere Sprintern, ist das nicht selbstverständlich.

Dreimal unter 10,75 Sekunden über 100 Meter

Dass es mit dem Start bei der schon unmittelbar bevorstehenden EM noch klappt, ist eher unwahrscheinlich. Tyrese Stewart hat die Norm von 10,75 Sekunden über 100 Meter in diesem Jahr zwar schon dreimal unterboten. Bei den deutschen U18-Meisterschaften kam er allerdings als Fünfter ins Ziel. Was Tyrese etwas enttäuscht hat, findet sein Trainer gar nicht schlimm. Als gerade erst 16-Jähriger war sein Schützling deutlich jünger als die vor ihm liegenden Konkurrenten. Da der Deutsche Leichtathletik-Verband nur zwei Startplätze vergeben kann, sind die beiden Erstplatzierten der DM zunächst einmal gesetzt. Der Viernheimer wäre aber erster Nachrücker.

Tyrese ist - neben anderen starken Athletinnen und Athleten - gleichwohl der Hoffnungsträger der Leichtathletikabteilung des TSV Amicitia. Gerade hat er seinen Realschulabschluss an der Alexander-von-Humboldt-Schule gemacht. Nun soll das Fachabitur folgen. Zur Leichtathletik kam er bereits im Alter von vier Jahren. „Meine damalige Trainerin Marion Münchenbach hat mir gesagt, ich würde mich gut anstellen“, blickt er zurück. Die Initiative, das Probetraining zu besuchen, kam ursprünglich von seiner Mutter, die selbst Leichtathletin war. Und seine 20-jährige Schwester, als Tänzerin sportlich aktiv, habe ihn ebenso animiert.

Der Schüler räumt ein, dass er lange nicht sehr zielstrebig gewesen sei. „Zwischendurch hatte ich auch mal keine Lust.“ Bis vor einigen Monaten ging er nur ein- bis zweimal pro Woche zum Training. Erst seit Jahresbeginn kommt er viermal ins Stadion. „Die Voraussetzungen für die Leichtathletik hatte er schon immer“, sagt sein Trainer. „Aber er hat es nicht rausgelassen.“ Zunächst versuchte sich Tyrese als Mehrkämpfer, der Sprint war laut Schramm dabei immer seine stärkste Disziplin. „Nach dem Gewinn des Hessenmeistertitels in der Halle haben wir überlegt: Wo soll es hingehen, was ist möglich? Entsprechend haben wir dann das Training gestaltet. Wir sind auf einem guten Weg“, ist sich Schramm sicher. Damit meint er die sportliche Zukunft seines Landeskader-Athleten. Aber auch die der anderen Mitglieder der etwa 20-köpfigen Trainingsgruppe.

TSV Amicitia bei deutschen Meisterschaften stark vertreten

Fünfmal pro Woche treffen sich die jungen Sportler - in unterschiedlichen Zusammensetzungen - im Stadion. Mit dabei sind die 21-jährige Sila Sönmezcicek und Elias Maurer, 20 Jahre, die immer wieder in ihren Wettkämpfen über 100 und 200 Meter überzeugen. Aber auch der 18-jährige Weitspringer Raphael Botta, bei dem bereits 7,23 Meter zu Buche stehen. Etliche Aktive des TSV Amicitia waren bei den deutschen Meisterschaften am Start oder haben sich dafür qualifiziert, berichtet der sichtlich stolze Trainer. „Wir haben in Viernheim viel Nachwuchs, sind auf dem aufsteigenden Ast.“

Nach dem Aufwärmen stehen an diesem Tag Starts auf dem Programm. Außerdem absolvieren die Sportler Zugläufe, bei denen sie einen zwölf Kilogramm schweren Schlitten gewissermaßen im Schlepptau haben. „Es braucht immer einen, der quält, und einen, der gequält werden will“, kommentiert Schramm die harte Trainingsarbeit auf der Bahn mit einem Schmunzeln. Er meint: Nur mit der entsprechenden Willensleistung ist Erfolg möglich.

Neben der „Persönlichkeit“, die die Leichtathletik erfordere, betont der Trainer immer wieder das Miteinander in der sehr gemischten Gruppe aus Mädchen und Jungen unterschiedlichen Alters. „Der Teamgeist ist enorm wichtig.“ Der 55-Jährige sieht sich als Teil des Ganzen, überträgt Verantwortung an die Sportler, die sich gegenseitig helfen, filmen und auch Tipps geben. „Mehrere von ihnen haben bereits angekündigt, später selbst den Trainerschein zu machen“, berichtet Schramm erfreut. Um die Zukunft der Viernheimer Leichtathletik ist ihm nicht bange.

Günter Schramm als Coach im Dauereinsatz

So wie Schramm selbst werden sich seine Nachfolger im Ehrenamt aber wohl kaum engagieren können. Nur durch seine Freiheiten als Selbstständiger sei es ihm möglich, so viel Zeit zu investieren - das Training zu planen, fast täglich an der Laufbahn zu stehen und mit seinen Schützlingen Wettkämpfe zu besuchen. „Das kostet viel Energie, aber ich lebe auch von der Energie, die mir die Athleten geben“, sagt der Trainer.

Aktiv sind die Leichtathleten das ganze Jahr über im Waldstadion. Auch das Krafttraining findet weitgehend im Freien statt. „Wir haben sogar schon Schnee geschippt, bevor es losging“, sagt Schramm. Im Winter Hallenzeiten in Mannheim oder Ludwigshafen zu buchen, sei für den Verein mit hohen Kosten verbunden. In Frankfurt könne die Gruppe zwar umsonst trainieren, aber die Fahrt dorthin sei ganz schön weit. Deshalb ist und bleibt das Waldstadion Dreh- und Angelpunkt für die Leichtathleten.

Weil bei dieser Übungseinheit dort auch unzählige Nachwuchsfußballer und ihre Eltern unterwegs sind, müssen die Sprinter immer wieder auf sich aufmerksam machen, um eine Kollision zu vermeiden. Sehr viel schneller, als so mancher ahnt, kommen die jungen Leute über die Bahn gerauscht.

Tyrese nimmt das Maßband und richtet seinen Startblock erneut zentimetergenau aus. Und wieder heißt es: „Fertig, los.“ Diesmal findet Günter Schramm aber doch einen Grund zur Korrektur: Bei den ersten schnellen Schritten war der linke Arm des Athleten - im Vergleich zum rechten - zu weit abgespreizt. „Du musst den Körper mehr vermitteln“, ruft der Coach Tyrese Stewart zu. Es gibt also doch noch einiges zu verbessern. Potenzial für schnellere Zeiten.

Redaktion

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