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Viernheim: Von Pfälzer Wurzeln "hiwwe wie driwwe"

Regisseur Benjamin Wagener ist persönlich im Viernheimer Vogelpark dabei und erklärt, worauf es im Film "Hiwwe wie driwwe" ankommt. Von kleinen Unterschieden und großer Verbundenheit

Von 
Dirk Timmermann
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Regisseur Benjamin Wagener (rechts) und Manfred Brandmüller von Chaiselongue plaudern mit den Zuschauern. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Wenn der „Vadder heilisch“ ist und sein Wille „uff de Erd“ genauso geschieht wie im Himmel, dann wird auf Pfälzisch gebetet - oder auf Pennsylvania Dutch. „Hiwwe wie driwwe“ spricht man in Mundart, wenngleich mit gewissen Unterschieden. 2019 erschien der gleichnamige Dokumentarfilm der Filmemacher Benjamin Wagener und Christian Schega, die das Pfälzische diesseits und jenseits des Atlantiks unter die Lupe nahmen. Mehr als 20 000 Zuschauer haben den Film seitdem gesehen. Und „als ob emol ned gelangt hädd“, gibt es inzwischen die Fortsetzung. Nun machte der Film Station im Viernheimer Vogelpark, der gemeinsam mit dem Verein Chaiselongue zum Open-Air-Kino lud.

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Warum es sich lohnt, die Fortsetzung des Kultfilms "Hiwwe wie Driwwe" anzuschauen

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Von
Agnes Polewka
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Im Vergleich zu Teil Eins wechselt die Perspektive: „Diesmal nehmen wir die Sicht der Pfalz ein“, verriet der Regisseur zu Beginn. Die Schönheit der Landschaft, der „Kalmit-Klapprad-Cup“, die „26 Ausdrucksformen des Elwetritsch“ und andere Skurrilitäten - das alles sahen die 150 Besucher auf der Riesenleinwand, während Bratwurst und Saumagen den kulinarisch passenden Rahmen formten.

Schorle schmeckt aus Dubbeglas und Pappbecher

„Pfalz-Experte“ Michael Landgraf erklärte die historische Verbundenheit von Kurpfalz und Pfalz, die lediglich „künstlich getrennt“ worden seien. Auf der Madenburg oberhalb Eschbachs wurde sodann die Brücke in die USA geschlagen: Douglas Madenford heißt der Amerikaner, der bereits im ersten Teil von „Hiwwe wie driwwe“ seinen pfälzischen Wurzeln nachging. Diesmal kocht und serviert er Saumagen, womit er das Interesse des Hauptdarstellers naturgemäß weckte: „Monji“ alias Monji El Beji sorgt als Frontmann der Bands Fine R.I.P. und Woifeschdkönig seit über 25 Jahren für Stimmung und hat den Soundtrack mitkomponiert. „In der Pfalz ist der Saumagen fester“, konstatierte der Sänger, auch gebe es dort ein Dubbeglas, keinesfalls Pappbecher.

Ansonsten verstand man sich gut, auch wenn manch Pfälzer Begriff derweil ein „annerschder Meaning“ hat. So ist die „Fleddermaus“ heute ein Schmetterling. Pfälzisch und Englisch vermischen sich schnell, sobald Pennsylvania Dutch „geused“ wird. Auch kennen die mehr als 500 000 Sprecher - die meisten Amische und Mennoniten - das „Gell?“ am Ende des Satzes.

Gespannt verfolgen die Besucher im Viernheimer Vogelpark, wie’s „Hiwwe“ und auch „Driwwe“ zugeht mit dem Pfälzisch. © Bernhard Kreutzer

„Wenn tatsächlich ein Pfälzer hierher kommt, dann wollen alle sofort mit ihm reden“, bekennt eine ältere Dame. Schließlich sei dann „das Original“ vor Ort. Die Geschichte der Vorfahren lebt in Museen auf. Eines davon steht in Heidelberg - also in Pennsylvania natürlich, wo Straßen schon einmal „Schdee Bruch Weg“ heißen. Großen Einfluss hätten die Pfälzer auf die Entwicklung des Bundesstaats gehabt, vor allem mit Blick auf die Landwirtschaft, berichten die Bürger mit Stolz. Unvergessen ist ein Pfälzer Cartoonist: Thomas Nast wurde 1840 in Landau geboren und kam als Kind in die Staaten. Später erschuf er den Elefanten als Symbol der Republikaner sowie den Prototyp des heute gebräuchlichen Weihnachtsmanns.

Benjamin Wagener will seinen Film, in dem auch Christian „Chako“ Habekost, Kurt Beck und „Giddarischde“-Sänger Thomas „Edsel“ Merz mitwirken, demnächst auf dem Kutztown Folk Festival vorstellen. Bereits die Premiere am 14. April in Landau war ein Erfolg, Deutsche seien in die USA gereist, nachdem sie den Streifen gesehen hätten, so der Regisseur. Seit 2021 besteht zwischen Kutztown und Altrip eine Partnerschaft. Zur Verbreitung der „Muddersprooch“ führt Michael Landgraf aus: Vor rund 300 Jahren sind zahlreiche Pfälzer emigriert, um wirtschaftlicher und politischer Not zu entfliehen. Hauptsiedlungsgebiet war Pennsylvania, wo bis heute die einzige pennsylvaniadeutsche Zeitung erscheint. Sie stand für den Filmnamen Pate. So habe sich die Sprache - mit all ihren Abwandlungen - „hiwwe wie driwwe“ erhalten. Die Zahl ihrer Sprecher nimmt sogar zu. Vor allem durch den Kinderreichtum von Amischen und Mennoniten ist Pennsylvania Dutch die am schnellsten wachsende Sprache in den USA: „In 20 Jahren sprechen es eine Million“, schätzt Regisseur Wagener.

Hauptdarsteller Monji, der seine Wege ganz überwiegend per Klapprad zurücklegte, erwies sich einmal mehr als Garant für Pfälzer Weisheiten: „Woher soll ich wissen, was ich denk, bevor ich gehört hab, was ich sag?“ Einen Unterschied zwischen „babble“ und „schwätze“ konnten seine amerikanischen Gesprächspartner dann trotzdem nicht erkennen. Dafür setzte sich eine wohl wahre Einsicht durch: „Ein Pälzer bleibt halt ein Pälzer, egal wo er lebt.“ Und: „Die gemeinsame Vergangenheit bildet noch heute die Brücke, die uns verbindet.“

Nächster Dreh führt nach Südamerika

Weil es Brücken aber nicht nur nach Nordamerika gibt, reist das Team um Benjamin Wagener bald nach Brasilien. Dort sowie in Paraguay soll ein weiterer Film entstehen. Das „Riograndensische Hunsrückisch“ wird exemplarisch in Blumenau gesprochen, wo jedes Jahr das größte Oktoberfest außerhalb Münchens stattfindet. Doch auch andernorts haben Pfälzer Spuren hinterlassen. Gedreht wird ab 2025.

Für Chaiselongue geht es im Programm am 14. September weiter. Dann heißt es in der Kulturscheune: „Gerhard Bönig singt und spielt Georg Kreisler“. Mit Charme und Witz präsentiert der Pianist Evergreens des berühmt-berüchtigten Wiener Kabarettisten.

Infos und Programm unter chaiselongue-viernheim.de

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