Viernheim. „Kennen Sie Bönig? Kennen Sie Kreisler? Oder etwa beide?“ Diese Fragen wurden im Vorfeld plakativ gestellt. Antworten versprach eine musikalische Reise in der Kulturscheune. 70 Besucher erlebten in Viernheim das Zusammentreffen des Mannheimer Pianisten mit dem 2011 verstorbenen Wiener Kabarettisten – der nie als solcher bezeichnet werden wollte.
„Tauben vergiften im Park“ zum Auftakt des Progamms
Los ging es mit einem absoluten Klassiker: „Schatz, das Wetter ist wunderschön, geh ma Tauben vergiften im Park!“ Nicht nur in Österreich hat das Lied Kultstatus, in Viernheim wiesen die Zeilen den Weg für 90 literarisch dichte Minuten. Böse Texte, morbider Charme und Kritik an Staat wie Gesellschaft sind jene Mélange, die das Schaffen von Georg Kreisler (1922-2011) prägt. Immer wieder eckte der Wiener an, und mit seiner Heimat haderte er zeitlebens.
Den bitteren Grund erklärte Gerhard Bönig: Als geflüchteter Jude verlor Kreisler seine Staatsbürgerschaft, 1943 wurde er US-Amerikaner, doch niemals habe man ihm die österreichische Staatsangehörigkeit zurückgegeben. Dies sei „nur bei jenen erfolgt, die die Nazi-Zeit mitgemacht hatten“ und nach dem „Anschluss“ zu Deutschen wurden.
Gerhard Bönig verdeutlichte, dass Kreisler in der Schule einiges auszuhalten hatte. Derlei Erfahrungen hätten sicher das Entstehen der „alten bösen Lieder“ beeinflusst. Viele von ihnen hat der Komponist und Pianist im Laufe der Zeit neu aufgelegt. So wird aus dem „Tauben vergiften“ der „Unfall im Kernkraftwerk“, bei dem die Reaktoren knallen und die älteren Bauern vom Traktor fallen. Und wenn der Abgrund ganz nah ist, dann sei das für ihn kein Problem, denn er frage sich etwas anderes: „Wenn jetzt ein Krieg kommt, was geschieht dann mit meinem Hund?“ Die Auseinandersetzung mit allem Militärischen ist kennzeichnend für Kreislers Lieder. Eines davon präsentierte Bönig zum Amüsement seiner Hörer. Drei Töchter hat die besungene Familie, doch ist der Beruf des Sohns ein Skandal: „Er ist ein General!“
Operettenhaft und nach wie vor aktuell wirkt ein 1979 entstandenes Werk. Das Mädchen flüstert dem Manne ins Ohr: „Schieß mit mir, komm, schieß mit mir! Wir werden schon irgendwen töten. Bomb mit mir, komm, bomb mit mir! Wir wollen die Feinde zertreten!“
Einen Narren gefressen hat Kreisler an einem bestimmten Berufsstand: „Ein Dramatiker ist ein Stückeschreiber, ein Fanatiker ist ein Übertreiber, ein Botaniker ist ein Blumengießer, ein Romantiker ist ein Frauengenießer, aber was für’n Ticker ist ein Politiker?“ Diese kommen gar nicht gut weg, am wenigsten jedoch der Staatsbeamte. Da lautet das Motto: „Keine Ahnung von Jus und Latein, Mathematik, die lass ich gleich sein“, stattdessen sei er perfekt im Kriechen, und das in bestimmte Körperregionen: „So war mir am Anfang meiner Laufbahn schon klar, dass ich Innen-Politiker war!“
Schmissige Stücke mit tiefschwarzem Inhalt und ordentlich Schmäh – Gerhard Bönig machte das Schaffen des legendären Wieners Georg Kreisler für sein südhessisches Publikum lebendig.
Und wer ist nun der Mann, der die erfrischende Show am Piano mit eigener Note versah? Die Antwort lieferte Manfred Brandmüller vom Veranstalter Chaiselongue – Kunst und Soziales: Gerhard Bönig wurde 1959 in Mannheim geboren. 1979 legte er sein Abitur an der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim ab. Es folgte eine Vielzahl an musikalischen Stationen, darunter am Kinder- und Jugendtheater „Schnawwl“ sowie am Theater in Heidelberg, wo er 198 Mal im Stück „Lola Blau“ mitwirkte.
In der Kulturscheune geht es am 11. Oktober musikalisch weiter: Zum Auftakt der 12. Viernheimer Gitarrentage steht ein Doppelkonzert von Biber Herrmann und Silvio Schneider auf dem Programm. Tags darauf spielen die Gitarristen Don Ross und Jule Malischke. Support-Act ist die Viernheimer Band „Flausn“.
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