Viernheim

Fünf Viernheimer Männer erzählen bewegende Geschichten

Im Rahmen des Projekts „Viernheim connected“ erzählen fünf Männer unter dem Titel „Ich bin en Vernema Monn“ viel Persönliches . Moderiert von Gerhard Mandel traten dabei Begebenheiten zutage, die noch nicht bekannt waren.

Von 
Othmar Pietsch
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Dilek Ökmener-Sülük (v.l.), Brigitta Eckert, Gerhard Mandel, Fritz und Sascha Niebler, Wolfgang Hofmann und Hasan Sülük bescherten den Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem Apostelplatz einen unterhaltsamen Nachmittag. © Othmar Pietsch

Nach den Frauen bei der Veranstaltung „Vernema Fraa“ waren am Donnerstagnachmittag die Herren der Schöpfung an der Reihe. Im Rahmen des Projekts „Viernheim connected“ hatten das Lernmobil, das Gleichstellungsbüro und das Museum unter dem Titel „Ich bin en Vernema Monn“ fünf Viernheimer Männer eingeladen, um auf dem Apostelplatz ihre persönlichen Geschichten zu erzählen. Moderiert von Gerhard Mandel traten dabei so manche Begebenheiten zutage, die noch nicht bekannt waren.

Mit Fritz und Sascha Niebler waren Vater und Sohn einer bekannten Ringerfamilie zu Gast, die nicht nur Sportliches zu erzählen hatten. Der Viernheimer „Müllionär“ Wolfgang Hofmann schilderte die Entwicklung des elterlichen Entsorgungsunternehmens und seine Vorliebe für Städtepartnerschaften. Hakan Sülük wurde in Deutschland geboren, als Kind zu Verwandten in die Türkei geschickt, ehe er als Jugendlicher ohne gute Sprachkenntnisse wieder in die Bundesrepublik zurückkam. „Die nannte man damals Kofferkinder“, führte Gerhard Mandel in ein interessantes Gespräch ein. Nicht weniger spannend waren die Erzählungen von Herbert Kohl,dem Gemeindereferenten der katholischen Kirche Viernheim und Kopf des Sozialzentrums. „Einer Einrichtung, die es in einem so reichen Land wie Deutschland eigentlich nicht geben dürfte, die leider aber unverzichtbar geworden ist“, so Kohl.

„Wir wollten zeigen, wie bunt und tolerant Viernheim ist“

Dilek Ökmener-Sülük und Brigitta Eckert vom Verein Lernmobil hatten die illustre Runde gemeinsam mit Maria Lauxen-Ulbrich vom Gleichstellungsbüro und der Museumsleiterin Elke Leinenweber zusammengestellt und großen Wert auf Vielfalt gelegt. „Damit wollen wir aufzeigen, wie bunt und tolerant, aber auch lebenswert Viernheim ist.“

Gerhard Mandel, ehemaliger Leiter des SWR4-Kurpfalzradios und waschechter Vernema, ist bei Interviews mit allen Wassern gewaschen und führte mit viel Witz, aber auch gezielten Fragen durch das Programm. Natürlich durften ein paar Ausflüge in den Vernema Dialekt nicht fehlen.

Warum war 1976 ein besonderes Jahr für Viernheim? Die Frage wurde schnell beantwortet, waren doch zahlreiche Verwandte und Bekannte von Fritz Niebler im Publikum. Damals war „der Nieblers-Fritz“, wie er noch heute genannt wird, als junger Ringer Teilnehmer bei den Olympischen Spielen in Los Angeles. „Ich war mit 17 Jahren der jüngste und mit 47 Kilogramm auch der leichteste deutsche Ringer. Leider konnte ich nicht im Papiergewicht antreten, und eine Gewichtsklasse höher hatte ich gegen die schwereren und erfahrenen Konkurrenten keine Chance“, erinnerte sich der Sportsmann. Trotzdem sei es ein unvergessliches Erlebnis gewesen.

Als Erinnerung hat er sein damaliges rotes Trikot der Nationalmannschaft mitgebracht, das demnächst als Leihgabe im Viernheimer Museum zu bewundern ist. Die Olympischen Spiele vier Jahre später in Moskau hat er wegen des Boykotts westlicher Länder verpasst. „Das war ärgerlich. Wir haben aber trotzdem unsere Kleidung behalten dürfen und auch 3000 D-Mark bekommen. Außerdem habe ich in dieser Zeit meine Frau kennengelernt“, konnte Niebler der Situation doch noch gute Seiten abgewinnen.

Sohnemann Sascha Niebler war ebenfalls ein erfolgreicher Ringer, der in jungen Jahren einige nationale und internationale Titel feiern konnte. Derzeit ist er im Vorstand des Stemm- und Ringclubs für das sportliche Geschehen verantwortlich. Zum Gespräch war der städtische Mitarbeiter beim Sportamt allerdings als Familienvater eingeladen worden, der bei seiner ersten Tochter in Elternzeit gegangen ist, während die Frau wieder in ihren Beruf zurückkehrte. „Natürlich wurde da im Bekanntenkreis immer wieder geflachst, von wegen zu Hause auf der Couch mit dem Kind spielen, und die Frau schafft. Am meisten haben mir die Besuche bei den Mutter-Kind-Nachmittagen gefallen, da war ich nämlich der Hahn im Korb.“

„Ich war in Vereinen aktiv, nur so kann man sich integrieren“

Gerhard Mandel bezeichnete Hasan Sülük als gutes Beispiel einer gelungenen Integration. Dabei hatte es der in Deutschland Geborene nicht einfach. „Ich wurde in der Türkei in die Schule geschickt, während meine Eltern hier das Geld verdienten. Die wollten eigentlich wieder schnell in ihre Heimat zurück. Das hat nicht funktioniert, und sie holten mich wieder zurück“, so die Schilderung. Zunächst einmal galt es, Deutsch zu lernen und einen Beruf zu finden. Schon als Kind sei er sehr an Technik interessiert gewesen, was ihn in die Elektrobranche geführt habe. „Ich habe mich immer wieder weitergebildet und war auch in vielen Vereinen aktiv, denn nur so kann man sich integrieren“, so Sülük, der Viernheim als perfekte Stadt zum Leben bezeichnet.

Viel im Dreck musste Wolfgang Hofmann wühlen, nämlich in dem der anderen. „Auch heute ärgert es mich ungemein, wenn man seinen Abfall in der Natur entsorgt, denn es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, den Müll loszuwerden“, so der ehemalige Chef des Viernheimer Entsorgungsunternehmens. Sein Vater hatte die Firma 1949 gegründet. „Damals wurde meist Asche abgeholt. Mit den Blechtonnen hatten die Mitarbeiter schwer zu schaffen, stärken konnten sie sich im Betrieb, wo meine Mutter Mittagessen gekocht hat“, erinnerte sich Hofmann an seine Kindheit, als Plastik noch kein Thema war. Die Mülltrennung von Glas, Papier, Bio- und Restmüll kam erst im Lauf der Jahre – mit steigendem Abfallaufkommen.

Hofmann war aber auch im gesellschaftlichen Bereich aktiv. So organisierte er die Aktionen zum Frühjahrsputz mit. In guter Erinnerung ist ihm das Innenstadtfest geblieben. „Da wurde in den frühen Morgenstunden von einem Gesangverein noch einmal der Grill angeworfen, um uns mit Würstchen und Steaks zu versorgen.“ Auch die Städtepartnerschaften haben sich zu einem Hobby entwickelt, und noch heute gebe es Kontakte zu Freunden in England und Frankreich.

„Die Herausforderungen sind im Lauf der Jahre gestiegen“

„Ich bin zweisprachig aufgewachsen, uf Ourewellisch und uf Vernemarisch“, beschrieb Herbert Kohl seine dialektalen Fähigkeiten, die er sich im Odenwald und in Viernheim aneignen konnte. Bei der Tafel kann er damit nicht viel anfangen, „aber dort helfen uns die Übersetzerinnen des Lernmobils“. Zusammen mit über 100 ehrenamtlichen Helfern werden dort mehr als 400 Bedürftige mit Lebensmitteln versorgt. „Die Herausforderungen sind im Lauf der Jahre gestiegen und werfen ein schlechtes Licht auf das Land. Andererseits ist das Engagement der Bürger überragend“, befindet der Gemeindereferent. Trotzdem will er auch künftig nach dem Motto „Geht net, gibt’s net“ weitermachen und hofft auf Leute mit guten Ideen.

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