Gesundheit

Vitalpilze: Zwischen Wundermittel und Placebo – was steckt wirklich dahinter?

Pilze sind seit jeher fester Bestandteil unserer Ernährung – doch einige Arten werden derzeit als wahre Gesundheits-Booster gefeiert: Vitalpilze oder Heilpilze. Ob als Pulver, Kapsel oder schaumiger „Mushroom Latte“ – der Markt boomt.

Von 
Victoria Wagner
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Was versteht man unter Vitalpilzen?

Wenn hierzulande von Pilzen die Rede ist, denken die meisten an Champignons im Salat oder Pfifferlinge in der Pfanne. Manche assoziieren sie auch mit Penicillin oder Rauschmitteln. Vitalpilze hingegen sind Sorten, die traditionell in der chinesischen oder ayurvedischen Heilkunst genutzt werden. Zu den bekanntesten zählen Reishi, Shiitake, Chaga, Cordyceps, Maitake, Hericium (Löwenmähne) und Agaricus.

Früher wuchsen sie vor allem wild in Asien und wurden mühsam gesammelt, heute entstehen sie in großem Stil auf spezialisierten Farmen.

Ein beliebter Vitalpilz: Hericium, oder auch Löwenmähne genannt. © Stock Adobe - Henri Koskinen

Was macht Vitalpilze so besonders?

Nicht der Geschmack, sondern die bioaktiven Inhaltsstoffe sind der Grund, warum diese Pilze ins Rampenlicht geraten sind. Neben Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralstoffen enthalten sie sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe – darunter Beta-Glucane, Triterpene und verschiedene Phenole. Diese Verbindungen gelten als die eigentlichen „Wirkstoffe“, die laut Befürwortern entzündungshemmend, immunstärkend oder sogar tumorhemmend sein könnten.

Inhaltsstoffe und potenzielle Wirkungen

Immunmodulation

Beta-Glucane aus Reishi, Shiitake oder Maitake regen das Immunsystem an. Erste klinische Studien deuten auf eine gesteigerte Aktivität von Abwehrzellen hin. Allerdings ist unklar, wie stark dieser Effekt im Alltag ausfällt. Für Menschen mit Autoimmunerkrankungen ist besondere Vorsicht geboten.

Antioxidativ & entzündungshemmend

Verbindungen wie Triterpene aus Reishi oder Chaga fangen freie Radikale ab und hemmen Entzündungsprozesse – zumindest im Labor. Beim Menschen ist der Nachweis bislang schwach, dennoch könnten sie bei oxidativem Stress ergänzend interessant sein.

Reishi ist vor allem aufgrund seiner entzündungshemmenden Wirkung so beliebt. © Stock Adobe - wasanajai

Blutzucker & Cholesterin

Tierversuche zeigen: Pilze wie Agaricus oder Chaga können den Blutzuckerspiegel senken und die Insulinproduktion schützen. Shiitake und Cordyceps scheinen zudem das Cholesterinprofil zu verbessern. Doch: Diese Effekte ersetzen keine Medikamente – allenfalls können sie eine ärztliche Therapie begleiten.

Weitere Effekte

  • Löwenmähne wird mit positiven Einflüssen auf Gedächtnis und Nerven in Verbindung gebracht.
  • Cordyceps gilt als „Energiepilz“ und wird zur Steigerung von Ausdauer und Libido beworben.
  • Maitake findet traditionell Anwendung als begleitende Unterstützung in der Krebstherapie.

Die wissenschaftliche Datenlage bleibt jedoch oft lückenhaft – viele Ergebnisse stammen aus Zell- oder Tierstudien.

Risiken und Nebenwirkungen bedenken

So vielversprechend manche Studien klingen: Vitalpilze sind keine Arzneimittel und unterliegen nicht den strengen Prüfungen von Medikamenten. Das birgt Risiken:

  • Qualitätsprobleme: Herkunft und Wirkstoffgehalt sind oft unklar. Produkte aus unkontrolliertem Anbau können Schwermetalle oder Schimmelgifte enthalten.
  • Nebenwirkungen: Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge (z. B. Shiitake-Dermatitis), allergische Reaktionen oder erhöhte Leberwerte sind dokumentiert.
  • Wechselwirkungen: Besonders Reishi und Cordyceps können die Wirkung von Blutdruck- oder Cholesterinsenkern beeinflussen. Bei Antidiabetika besteht die Gefahr einer Überdosierung.
  • Einzelfälle: Beim Chaga wurde durch den hohen Oxalsäuregehalt bereits eine Nierenschädigung nach langem Hochdosis-Konsum beschrieben.

Pulver, Extrakt oder Tee – die gängigsten Varianten

Vitalpilze gibt es als:

      • Pulver: ganze, getrocknete Fruchtkörper – breites Wirkungsspektrum, aber geringere Konzentration.
      • Extrakte: konzentriert, gezielter einsetzbar, aber nur aussagekräftig bei transparenter Deklaration der Inhaltsstoffe.
      • Tees und Tinkturen: traditionell, vor allem bei Chaga und Reishi.

Empfohlen werden meist 1–3 g Extrakt oder 5–10 g Pulver pro Tag – je nach Verträglichkeit am besten schrittweise einführen.

Wichtig: Qualitätskriterien wie Bio-Siegel, GMP-Standard und Laboranalysen (Schwermetalle, Pestizide, Keime) sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden.

5 Prinzipien für den verantwortungsvollen Umgang mit Vitalpilzen

  • Individuell statt pauschal: Nicht jeder Pilz passt zu jeder Person.
  • Skepsis bei Superlativen:Wundermittel“-Versprechen meiden.
  • Ergänzung, nicht Ersatz: Vitalpilze können Therapien begleiten, aber nie ersetzen.
  • Transparenz: Wirkungen, Nebenwirkungen und Unsicherheiten klar kommunizieren.
  • Wissen schafft Sicherheit: Nur fundierte Beratung schützt vor Fehlinformationen.

Redaktion

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