Leichtathletik

Mihambo und Lückenkemper zittern zum WM-Start

Die ersten WM-Wettkämpfe in Tokio sind für Mihambo und Lückenkemper keine Selbstläufer, enden aber erfolgreich. Am Ort ihres größten Triumphs muss Mihambo gleich mehrere Herausforderungen meistern.

Von 
Christian Kunz und Christian Johner
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Malaika Mihambo hatte Gesprächsbedarf. © Michael Kappeler

Tokio. Malaika Mihambo diskutierte in einer nervenaufreibenden Weitsprung-Qualifikation gestenreich mit dem Kampfrichter - auf der anderen Seite des Nationalstadions musste auch Sprinterin Gina Lückenkemper lange zittern. Als zwei prominente Gesichter der deutschen Leichtathleten meisterten die beiden ihre Vorkampf-Herausforderung. Glanzlichter konnte das deutsche Team zum Start der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Tokio vor 55.000 Zuschauern aber noch keine setzen.

Mihambo: Karten werden im Finale neu gemischt

«Das Glück, das ich heute nicht hatte, habe ich hoffentlich morgen», sagte Mihambo vor dem Finale am Sonntag (13.40 Uhr MESZ). An dem Ort, an dem sie sich vor vier Jahren zur Olympiasiegerin krönte, will Mihambo trotz des Fehlens ihres erkrankten Trainers wieder weit nach vorne springen. «Die Karten werden neu gemischt.» 

Musste zittern: Gina Lückenkemper. © Oliver Weiken

Darauf setzt auch Sprinterin Lückenkemper, die über 100 Meter unbedingt ihren ersten Einzel-Endlauf auf der Weltbühne erreichen will. «Attacke und vollen Angriff», sagte die Doppel-Europameisterin von München 2022 an einem Tag, an dem sich längst nicht alle deutsche Hoffnungen erfüllten. Abgeschlagen wurde etwa Eva Dieterich über 10.000 Meter deutlich über Bestzeit 24. 

Mihambo musste nicht nur auf Coach Ulli Knapp, der ihr aus dem Hotelzimmer im 22. Stock beim Aufwärmen zuwinken konnte und später «am Telefon» dabei war, verzichten. Auch der Wettkampf brachte unerwartete Herausforderungen mit sich. Nach einem ungültigen ersten Versuch wäre ihr beim zweiten Sprung beinahe eine Athletin in den Weg gerannt. «Da haben einfach die Kampfrichter geschlafen», sagte Mihambo über ihr WM-Novum. Nach einer «langen Diskussion» entschied sie sich, die 6,63 Meter doch in der Wertung zu lassen und nicht neu zu springen. Die reichten trotz des ungültigen dritten Versuchs für den insgesamt neunten Platz.

Lückenkemper nicht «in Schockstarre»

Lückenkemper belegte im Vorlauf mit Weltmeisterin Sha'Carri Richardson und der mehrfach bei WM und Olympia erfolgreichen Jamaikanerin Shericka Jackson Rang vier. Sie verpasste damit die direkte Qualifikation, schaffte es aber als eine der drei schnellsten Sprinterinnen dahinter. «Es ist so ziemlich der schwerste Lauf gewesen, den man kriegen konnte», sagte die 28-Jährige. «Das ist nichts gewesen, bei dem ich in Schockstarre gefallen bin.» Sie hätte es gerne besser gemacht als bei ihren 11,12 Sekunden und Gesamtrang 13, «aber es hat ja Gott sei Dank gereicht». 

Das war bei einer ganzen Reihe der Kollegen nicht der Fall. Während Frederik Ruppert knapper als erwartet und Niklas Buchholz überraschend ins Finale über 3.000 Meter Hindernis einzogen, ereilte Karl Bebendorf überraschend das Aus. «Mir fehlen die Worte, zu beschreiben, was gerade passiert ist», sagte der 29-Jährige nach einem sehr traurigen Jahr. «Zwischenzeitlich war ich dann bei meiner Mutter und ihrer Beerdigung. Es war keine leichte Phase, aber nichtsdestotrotz ist das mein Job.»

Diskuswerferin Shanice Craft erreichte als einzige Deutsche das Finale am Sonntag (12.12 Uhr deutscher Zeit) und verhinderte so gerade noch ein Debakel. Craft wurde in der Quali mit 63,51 Metern Siebte. Kristin Pudenz, die in Tokio Olympia-Silber gewann, und abgeschlagen Marike Steinacker mussten die Sachen früh wieder zusammenpacken.

Linke verpasst WM-Ziel in erster Entscheidung

Lückenkempers Sprintkolleginnen Lisa Mayer und Sina Mayer schieden über 100 Meter im Vorlauf ebenso aus wie Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah. Vom Stabhochsprung-Trio schaffte es nur Bo Kanda Lita Baehre mit einer Saisonbestleistung von 5,75 Metern ins Finale, das eigentlich der schwedische Serien-Weltrekordler Mondo Duplantis gewinnen kann. Für Torben Blech und Oleg Zernikel war der Vorkampf Endstation.

Stunden zuvor hatte Geher Christopher Linke die anvisierte Top-8-Platzierung als 14. verpasst. «Ich will mal einen bekannten Fußballer zitieren: Ich gehe jetzt erst mal drei Tage in eine Eistonne und dann sehen wir weiter», sagte der 36-Jährige in Anspielung auf den früheren Fußball-Weltmeister Per Mertesacker. Linke hatte nach mutigem Start große Probleme bei der Hitzeschlacht über 35 Kilometer. «Ich hatte Angst, dass ich komplett umkippe», sagte Linke nach dem Sieg des kanadischen Gehers Evan Dunfee.

Erster Weltmeister in Tokio: Geher Evan Dunfee aus Kanada. © Michael Kappeler

Bewegende Geschichte von Geher Hilbert

Die «Tränen der Erleichterung» von Teamkollege Jonathan Hilbert berührten nach Platz 16. «Ich war dem Tod sehr nah und heute hier zu stehen, ist einfach unglaublich», sagte der 30-Jährige. Hilbert, der vor vier Jahren bei den Olympischen Spielen in Tokio Silber über 50 Kilometer gewonnen hatte, kehrte auf die große internationale Bühne zurück, an die nach seiner Erkrankung an Depressionen lange nicht zu denken war. Es sei ein «sehr, sehr schöner Tag, um hier lebendig zu stehen», sagte er.

© dpa-infocom, dpa:250913-930-33271/2

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