Da müssen wir einfach durch

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Dieser Satz leitet mich seit langem und hat mich gedanklich wieder in meine Pflegezeit zurück katapultiert. Besonders die Zitate meine Mutter in den verschiedenen Stadien der Demenz haben mich geprägt – und das war einer davon. Aber schon früher war unser Leben mit unterschiedlichen Lebensweisheiten gespickt. Diese Lebensweisheiten, sofern man sie nicht als Plattitüden sieht, können helfen, schwierige Lebenssituationen zu meistern. Einige davon hatten bei uns immer einen hohen Anteil an Humor (gottseidank!).

Kaum Auszeiten in der Pflege in Pandemiezeiten

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Es wird uns immer noch vieles abverlangt und gerade jetzt wird mir wieder bewusst, wie sehr ich manchmal mit der Pflegesituation haderte, wie mir vieles schwer fiel und ich nach Auszeiten geradezu lechzte. Doch gerade diese Auszeiten sind für pflegende Menschen derzeit begrenzt, manchmal sogar unmöglich einzufordern. Die Pflege in Zeiten einer Pandemie ist um ein Vielfaches schwieriger und psychisch anstrengender als unter ‚normalen‘ Umständen. Man kann nicht mal eben die Nachbarin oder Bekannten bitten bei der Mutter zu bleiben, wenn man selbst mal eine kurze Auszeit braucht oder Termine wahrnehmen muss. Viele Menschen sind daher an ihrem Limit angelangt. Auch die Gedanken fahren sich damit fest, Sichtweisen werden starr und einseitig. 

An was kann man sich festhalten?

Wenn mein Leben in allzu feste Rahmen gepresst war, war ich zwar genervt und teilweise ganz schön gestresst, doch gerade dann war es mir immer wieder wichtig, mich an besondere Lebensweisheiten zu erinnern. Es bringt meiner Erfahrung nach nichts, den Sinn des Lebens ständig zu hinterfragen, immer wieder sich selbst die Frage zu stellen: „Warum passiert das ausgerechnet mir?“ oder anderen Schuld zuzuweisen. Manches passiert einfach eben, ohne dass jemand intervenierte. Man sollte bereit sein, Dinge auch mal zu akzeptieren so wie sie sind.

Die Erziehung und Lebenserfahrung prägen jeden

Ich bin in einem Polizistenhaushalt aufgewachsen. Was heißt das für die Familie, für das Miteinander, für das gemeinsame Familienleben? Unser Leben war dominiert von den Dienstplänen meines Vaters, von Sonderschichten, vom Schichtdienst allgemein. Außer im Urlaub konnten wir uns nie richtig entspannen, da wir nie wussten, was der nächste Tag uns allen bringen würde. Solch eine Erziehung ist für Zeiten wie die jetzige nicht schlecht. Ich wuchs mit Liebe aber auch mit Disziplin, Struktur und Organisation auf. All dies unabdingbar im Polizei- bzw. Beamtenberuf. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich gerade jetzt auf diese ‚Tugenden‘ zurückgreifen kann. Sie erleichtern mir mein Leben. Auch die Pflege wurde mir mit diesen Leitwerten erleichtert, denn ich habe immer versucht, das Beste aus allem zu machen.

Situationen annehmen und nicht hadern

Gerade jetzt in der Pandemiezeit nehme ich Dinge einfach an. Ich nehme sie hin - so wie sie sind. Ich weiß, Vieles von dem was passiert, kann ich nicht ändern. Ständige politische Diskussionen, Hinterfragungen der Handlungen der Regierung bringen den Einzelnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt voran. Man dreht sich im Kreis. Meine Mutter hat immer gesagt: Es hilft nichts, da müssen wir durch. Ich glaube übrigens nicht, dass es nur eine Lebensweisheit meiner Mutter war. Es war die Lebensweisheit einer ganzen Generation, die entweder noch zu Kriegszeiten das Leben meistern musste oder mit den Herausforderungen der Nachkriegszeit konfrontiert war.

Doch dieser Satz bedeutet für mich nicht, dass ich mich hilflos dem Schicksal ergebe. Er bedeutet für mich, dass ich mich konzentriere und bestmöglich mein Leben organisiere und bestreite – im Rahmen meiner Möglichkeiten. Ich bin bereit mich auf stets neue, sich verändernde Situationen einzustellen. Er bedeutet für mich: ich vertraue dem Fluss des Lebens. Da wo Licht ist, ist auch Schatten und wo Dunkelheit herrscht, wird es irgendwann wieder hell.

Was ist Ihre Lebensweisheit?

Lebensweisheiten und Sprichwörter sind Sätze, die unsere Werte widerspiegeln. Werte, die besonders in einer Pflegesituation wichtig sind, da sie uns Halt geben und helfen, die richtigen oder bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. Doch die Leitlinien, die uns unsere Eltern und Großeltern mitgeben beeinflussen oft unser Handeln und müssen zu gegebener Zeit auf den Prüfstand gestellt, hinterfragt und eventuell revidiert werden. Sie helfen uns auch, uns selbst besser kennenzulernen und unsere Persönlichkeit in einer Zeit zu formen, die durch Wertewandel gekennzeichnet ist.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr Lebensmotto schon gefunden haben, oder es noch finden werden. Aber denken Sie daran: Es sind Worte, die nicht in Stein gemeißelt sind, denn wir alle verändern uns in irgendeiner Form und das sollte sich auch in unserem Lebensmotto, in unserer Vision widerspiegeln.

Bleiben Sie gesund und bis bald,

Ihre Waltraud Gehrig

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