Interview

Mannheimer Rechtsanwältin wirbt mit provokativen Fotos auf Instagram

Von sexistischen Kommentaren und Hatern lässt sich Familienrechtlerin Gamze Deral nicht einschüchtern. Sie versucht, durch Sichtbarkeit in den sozialen Medien auf sich aufmerksam zu machen

Von 
Valerie Gerards
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Markenzeichen strahlendes Lächeln und roter Lippenstift: Ein Instagram-Foto von Anwältin Gamze Deral. © Gamze Deral

Mannheim. Auch Rechtsanwälte stehen unter Konkurrenzdruck und versuchen, durch Sichtbarkeit in den sozialen Medien auf sich aufmerksam zu machen. Die Mannheimer Rechtsanwältin Gamze Deral zeigt sich auf ihrem Instagram-Profil mit einem strahlenden Lächeln und knallrotem Lippenstift sehr feminin – und entspricht damit so gar nicht dem konservativen Bild, das dem Juristenstand üblicherweise vorauseilt. Unsere Redaktion hat mit ihr gesprochen.

Frau Deral, Ihr Instagram-Profil ist ziemlich außergewöhnlich für Ihren Berufsstand. Wie kam es dazu?

Gamze Deral: Vor etwa zweieinhalb Jahren habe ich mir ein Instagram-Profil eingerichtet und erstmal Bilder aus dem Gerichtssaal gepostet. Das lief schon ganz gut. Irgendwann habe ich ein Bild von mir gepostet, und das Interesse wurde noch größer. Es war definitiv das Potenzial da, mich den Leuten als junge türkische Anwältin zu zeigen. Darum habe ich mit Instagram weitergemacht und das Profil entwickelt, das ich jetzt habe.

Werden Sie von Marketingleuten beraten?

Deral: Nein, gar nicht, das mache ich komplett selbst. Meine Auszubildende oder meine Assistentin gehen immer mit zu Gericht. Sie machen dann dort noch schnell ein Foto. So versuchen wir, den Account attraktiv und interessant zu machen.

Werbeverbot für Anwälte ist längst Geschichte

  • Gamze Deral ist seit 2018 zugelassene Rechtsanwältin und seit 2021 Fachanwältin für Familienrecht in eigener Kanzlei.
  • Die 35-Jährige wird dieses Jahr ihren Fachanwalt für Strafrecht abschließen.
  • Das alte Standesrecht der Rechtsanwälte sah ein Werbeverbot vor, das jedoch in den Bastille-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1987 für verfassungswidrig erklärt wurde.
  • Bei Inkrafttreten der Berufsordnung 1999 blieb davon die Vorschrift des § 6 BORA übrig: Der Rechtsanwalt darf über seine Dienstleistung und seine Person informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind.
  • Das Werberecht der Rechtsanwälte sei seither immer weiter liberalisiert worden.
  • Zu Derals Instagramprofil meint der Geschäftsführer Walther Hindenlang der Rechtanwaltskammer Karlsruhe: „Dennoch dürfte es immer noch eher die Ausnahme sein, dass sich Rechtsanwälte oder Rechtsanwältinnen so positionieren. Für die Beantwortung von Geschmacksfragen ist die Rechtsanwaltskammer nicht zuständig. Berufsrechtlich ist die Selbstdarstellung durch Lichtbilder nicht (mehr) zu beanstanden.“ 

Bei Ihren Kolleginnen sieht man in erster Linie Gebäude, Texte, Schreibtische, Haustiere, manchmal auch Porträts oder Selfies. Ich habe aber noch keine gesehen, die so sehr mit den weiblichen Reizen spielt wie Sie ...

Deral: Gerade im Familienrecht, in dem es eigentlich nur um Emotionen geht, habe ich oft Mandanten mit traurigen Schicksalen. Ich habe verstanden, dass ich sie aufbauen und ihnen meine positive Energie geben muss, damit sie mit mir diesen langen, schwierigen Weg gehen können.

Vertreten Sie zu gleichen Teilen Männer und Frauen?

Deral: Eigentlich ja. Frauen eher, weil sie Gewalt in der Ehe erfahren haben und daher die Scheidung einleiten, und Männer, die vor allem darum kämpfen, ihre Kinder regelmäßig zu sehen und das Sorgerecht nicht zu verlieren.

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Sie sind keine Frau, die sich in Hosenanzügen versteckt …

Deral: Nein, das bin ich nicht. Meine Kleidung ist mein Lifestyle, er repräsentiert mich und meine Einstellung. Ich würde nicht mit verstrubbelten Haaren in den Gerichtssaal gehen, auch nicht mit flachen Schuhen. Mit Turnschuhen oder einem zerknitterten Hemd kommen, das sieht aus, als hätte man keinen Respekt vor dem Gericht. Ich finde, das Aussehen macht viel aus.

Genau wie die Leistung ...

Deral: Wenn man nur gut aussieht, doch die Mandanten unzufrieden sind, kommt natürlich keiner mehr. Natürlich ist die Leistung entscheidend. Aber wenn man gut aussieht und gepflegt ist, motiviert das. Sie möchten doch auch lieber zu einer Anwältin gehen, die gut zurecht gemacht ist und Sie im Gerichtssaal gut vertritt, anstelle eines Kollegen, der ein Loch im Hemd hat und mit Flipflops reinkommt. Letzteres habe ich auch schon gesehen.

Haben Sie auch Mandantinnen und Mandanten mit einem eher traditionellen Frauenbild?

Deral: Ich habe ganz viele Mandantinnen, die Kopftuch tragen. Die haben mich beauftragt, weil ich eine Kämpferin bin, und sehen mich als starke Persönlichkeit. Viele Frauen wollen von mir wissen, ob sie sich für die Gerichtsverhandlung auch schick machen sollen. Ich bestärke sie immer darin, ihr Potenzial auch äußerlich zu zeigen. Ich habe auch Mandanten, die sehr konservativ sind. Die Frauen sind dann manchmal eifersüchtig, wenn die Männer mit mir in den Gerichtssaal kommen.

Welches Feedback bekommen Sie von Ihrer Familie?

Deral: (lacht) Mein Vater ist sehr konservativ. Am Anfang musste ich ihn auf Instagram mal kurz blockieren, aber inzwischen hat er sich daran gewöhnt. Ich weiß, dass er mir folgt und stolz ist. Meine Mutter und meine Schwestern lieben meinen Account. Viele Leute haben die Vorstellung, man könne nicht jung und gleichzeitig erfolgreich sein und dann auch noch gut aussehen. Es ist eine Möglichkeit, sich den Leuten zu präsentieren – und dann können sie selbst entscheiden, ob sie so eine Anwältin wie mich wollen.

Und wollen sie?

Deral: Ja. Ungefähr 30 Prozent meiner Mandanten bekomme ich über Instagram; pro Woche sind das bestimmt zwei oder drei. Ich habe inzwischen fast 4 000 Follower – echte Personen, keine gekauften Follower. Man muss beim Posten einen guten Mittelweg finden. Die Leute wollen Privates sehen, aber auch Geschäftliches. Heute habe ich übrigens einen Status gepostet: Interview mit dem „Mannheimer Morgen“.

In einem Kommentar auf Ihrem Instagram-Account heißt es: Sie als Anwältin zu haben, da sind die Familienstreitigkeiten vorprogrammiert. Wie oft mussten Sie schon Kommentare löschen oder die Kommentarfunktion deaktivieren?

Deral: Zu meinem roten Lippenstift kommen immer mal wieder hässliche Kommentare, oder zu meinen High-Heels und meinen Netzstrumpfhosen. Aber ich ändere mich nicht, nur weil ein paar Hater nicht mit meinem Aussehen einverstanden sind.

Was empfinden Sie, wenn Sie beleidigende Kommentare bekommen?

Deral: Ich habe gelernt, damit umzugehen. Aber manchmal macht es mich schon wütend. Dann blockiere ich diese Person oder setze mich hin und schreibe eine Strafanzeige. Aber ich habe noch keine unsittlichen Bilder bekommen. Das heißt, Respekt oder Angst haben die schon vor mir.

Zweifeln Sie manchmal, ob Sie ein Foto von sich posten sollten oder lieber nicht?

Deral: Wenn ich bei einem Bild überlege, ob ich es posten soll oder ob es „too much“ ist, dann poste ich es erst recht. Ich will mein Leben nicht davon einschränken lassen, was andere denken. Ich bin einzigartig, so wie jeder andere Mensch auch. Ich lasse mir nicht von einem Mann, der mich beleidigen oder belästigen könnte, vorschreiben, was ich machen darf. Wenn ich einen kurzen Rock anziehen will, dann ziehe ich den an. Und der rote Lippenstift steht mir, den trage ich auch. Es ist mein Leben, mein Business und daher sind es meine Regeln.

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