Medien

Volker Wissing bezeichnet Ampel-Aus bei Südwestdeutschen Medientagen als „respektlos“

Politisches Scheitern, heftige Kontroversen in sozialen Netzwerken: Bei den diesjährigen Südwestdeutschen Medientagen drehte sich alles um Tabus.

Von 
Marco Pecht
Lesedauer: 
Bundesminister a.D. Volker Wissing (2. von links) und der Psychiater Josef Aldenhoff stellten sich den Fragen der "MM"-Volontärinnen Alena Kuhn (links) und Rahel Adel. Thema der Diskussion war der öffentliche Umgang mit dem Scheitern. © Jakob Walter

„Jagd ein Tabubruch den anderen oder kommen wir vielleicht sogar ohne Tabus aus?“ Für den Leiter der Evangelischen Akademie der Pfalz, Christoph Picker, war das Leitmotiv der diesjährigen Südwestdeutschen Medientage von höchst aktueller Relevanz. „Vor allem auf digitalen Plattformen gibt es kaum noch Tabus. Das ist gefährlich für eine freiheitliche Diskurskultur“, sagte Picker.

Mit dieser Einschätzung wird er sich einig gewesen sein mit den meisten der Teilnehmer an den Südwestdeutschen Medientagen in Landau und auf dem Hambacher Schloss. Zwei Tage lang diskutierten Journalisten, Wissenschaftler, Politiker und ganz normale Medienkonsumenten das Thema „Tabu – Medien an den Grenzen des Sagbaren“. Ausgerichtet wird der Medienkongress von der Evangelischen Akademie der Pfalz –in Kooperation mit dem „Mannheimer Morgen“, der „Rheinpfalz“, der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, dem Medienreferat der pfälzischen Landeskirche sowie dem SWR.

Volker Wissing: Ampel-Ausstieg der FDP war „respektlos“

Wie gehen Kunst und Kultur mit Debatten um den Nahostkonflikt um, war etwa eine Frage, die intensiv besprochen wurde. Spannende Gäste diskutierten unter der Moderation der beiden „Mannheimer Morgen“-Volontärinnen Alena Kuhn und Rahel Adel den öffentlichen Umgang mit dem Scheitern. Für den ehemaligen Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der nach dem Ende der Ampel-Regierung die FDP verlassen hatte und weiter Minister blieb, scheiterte das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP allzu leichtfertig.

Im Hambacher Schloss diskutierten am Abend Mo Ausmang, Bischof Dr. Peter Kohlgraf, Dr. Ronen Steinke und Michel Friedman über Tabus in der Gesellschaft. © Jakob Walter

Für Wissing selbst sei es eine Niederlage gewesen, seine Parteikollegen nicht davon überzeugen zu können, in der Regierung zu bleiben. Dass die FDP unter der Führung des damaligen Parteichefs Christian Lindner die Ampel habe platzen lassen, sei „respektlos“ vor dem Souverän, dem Wähler, gewesen.

Filmerin Asumang: Im Dialog bleiben mit Rechtsextremisten

Viele Akteure in der FDP hätten schon zu Beginn der Ampel-Koalition 2021 „das Scheitern als Option im Kopf.“ Daher habe es kein wirkliches Interesse an Kompromissen gegeben. „Die Konflikte, die sich in der Ampel gezeigt haben, sind ganz normale Konflikte unserer Gesellschaft“, kritisierte Wissing. Es wäre für die Regierungsparteien möglich gewesen, diese durch Kompromisse zu lösen. Es sei Auftrag der Politik, Menschen zusammenzubringen. Dieser Ansatz sei in der FDP oft als schwach dargestellt worden.

Der Psychiater und Autor Josef Aldenhoff sprach sich für eine größere gesellschaftliche Akzeptanz des Scheiterns aus. Eine Gesellschaft müsse dies auch zulassen.

Südwestdeutsche Medientage: Umgang mit Hass im Netz

  • Bei den Südwestdeutschen Medientagen haben sich nun schon zum neunten Mal Sozial- und Kommunikationswissenschaftler, Theologen, Journalisten, Medienpolitiker und engagierte Bürgerinnen und Bürger zum Gespräch über medienethische und medienpolitische Orientierungsfragen getroffen.
  • Teil der Veranstaltung waren auch Themensatelliten, bei denen Medienhäuser und Institutionen wie die Landeszentrale für Politische Bildung in Kleingruppen Einblicke in ihre Arbeit geben konnten. Gemeinsam mit der Rheinpfalz stellte Jakob Walter aus der Digitalredaktion des „Mannheimer Morgen“ dabei den Umgang der Verlage mit Hass in den sozialen Netzwerken vor.
  • Kern der Strategie: Auf den Plattformen wie Facebook oder Instagram soll eine faire und respektvolle Diskussion ermöglicht werden. Verletzende, rassistische oder gar strafrechtlich relevante Kommentar werden gelöscht und die jeweiligen Nutzer bei Bedarf gesperrt.

Teil der Südwestdeutschen Medientage war auch das SWR-Demokratieforum zum Thema „Tabus in unserer Gesellschaft - zwischen Moral, Macht und Medien“ auf dem Hambacher Schloss. Die afro-deutsche Dokumentarfilmerin Mo Asumang sprach sich dort dafür aus, auch mit Menschen mit rechtsextremen und rassistischen Haltungen im Gespräch zu bleiben. Nur wer miteinander rede, könne möglicherweise eigene Denkmuster und Vorurteile korrigieren, sagte Asumang.

Bei der von dem Publizisten Michel Friedman moderierten Veranstaltung diskutierten zudem der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf und der Journalist, Jurist und Autor Ronen Steinke.

Der Versuch, auch mit Rassisten und Rechtsextremisten zu sprechen, um auf sie einzuwirken, dürfe kein gesellschaftliches Tabu sein, sagte die gebürtige Kasselerin Asumang. Von Rassismus betroffene Menschen sollten Anfeindungen nicht aus Angst verdrängen, sondern ins Gespräch gehen, auch mit den „Berufsrassisten der AfD“, sagte die Moderatorin, Regisseurin und Schauspielerin. Es gelte, „nicht den Hass-Muskel, sondern den Dialog-Muskel“ zu stärken“. Asumang sprach sich zudem für ein AfD-Verbotsverfahren aus.

Bischof Kohlgraf bei AfD-Verbotsverfahren skeptisch

Der Mainzer Bischof Kohlgraf machte deutlich, dass in der katholischen Kirche in Deutschland heute offen über frühere Tabu-Themen wie Homosexualität auch unter Priestern, sexuellen Missbrauch und das Diakonat von Frauen gesprochen werde. Bei diesen Themen sei man in Deutschland auf dem Weg, allerdings seien auf der Ebene der Weltkirche keine zügigen Fortschritte absehbar.

Mehr zum Thema

Interview

Politikwissenschaftler Marc Debus im Interview: Hindernisse bei der Regierungsbildung

Veröffentlicht
Von
Walter Serif
Mehr erfahren
US-Präsident

Merz will mit Trump in die Pfalz

Veröffentlicht
Von
Michael Fischer
Mehr erfahren
Medien

Südwestdeutsche Medientage 2025: Was ist die Grenze des Sagbaren?

Veröffentlicht
Von
Marco Pecht
Mehr erfahren

Kohlgraf äußerte sich kritisch zu den Aussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens: Deren rechtsextremes und menschenfeindliches Gedankengut werde auch danach in der Gesellschaft weiterexistieren.

Der Journalist Steinke appellierte, das Problem der wachsenden Armut in Deutschland stärker in den Blick zu nehmen. Eine Auseinandersetzung damit sei in Politik, Gesellschaft und Medien vielfach noch immer tabu, kritisierte der Leiter des Politikressorts der „Süddeutschen Zeitung“. Mutiger müsse auch gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass vorgegangen werden. (mit epd)

Redaktion Nachrichtenchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke