Fußball

Zu Gernot Rohrs 70. Geburtstag: „Ich habe unheimlich viel Glück gehabt“

Er spielte für Bayern München, wurde französischer Meister und trainierte Zinedine Zidane sowie fünf afrikanische Nationalteams. Der Mannheimer Gernot Rohr kann zu seinem Ehrentag auf ein besonderes Leben blicken

Von 
Alexander Müller
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Im Jahr 2016 wurde Gernot Rohr vom Außenministerium zum Deutschen Fußballbotschafter ernannt. Er steht damit in einer illustren Reihe – unter anderem mit Jürgen Klopp, Sami Khedira oder Jürgen Klinsmann. © Sören Stache/dpa

Claouey/Mannheim. Durch die offene Terrassentür weht über das Bassin d’Arcachon eine leicht salzige Brise vom nahen Atlantik hinein. Hier, in Lège-Cap-Ferret westlich von Bordeaux, lebt Gernot Rohr seit Ende der 70er-Jahre. An einem Ort, an dem viele Franzosen und Deutsche gerne Urlaub machen. Rohr nimmt einen Schluck von seinem Kaffee - und beginnt zu erzählen.

Die Lebensgeschichte eines Mannheimers, der bei Bayern München mit Gerd Müller und Franz Beckenbauer zusammenspielte, den danach die Franzosen zu einem der ihren machten, der in den späteren Jahren seiner Trainerkarriere als Experte für afrikanische Nationalmannschaften viele Abenteuer erlebte.

Leidenschaft für Fußball ist ungebrochen

An diesem Mittwoch feiert Rohr seinen 70. Geburtstag. Aber so ganz passt ihm die unausweichliche Geschichte mit dem Älterwerden nicht. „Es ärgert mich schon ein bisschen, dass jetzt die Sieben davorsteht“, sagt er mit einem Lachen. „Schreib doch lieber, dass ich 60 werde.“

Gernot Rohr

  • Geboren wurde Gernot Rohr am 28. Juni 1953 in Mannheim. Mit dem Kicken begann der Spross einer großen Fußballerfamilie 1961 in der Jugendabteilung des Stadtteilvereins VfL Neckarau.
  • Sein Großonkel Oskar „Ossi“ Rohr gewann in den 1930er-Jahren die Deutsche Meisterschaft mit Bayern München und spielte bei Racing Straßburg. Sein Vater Philipp „Fips“ Rohr war ebenfalls Spieler und Trainer.
  • Als Profi spielte Gernot Rohr für den FC Bayern, den SV Waldhof, Kickers Offenbach und Girondins Bordeaux. Dort wurde der Defensivspieler dreimal französischer Meister und fand eine neue Heimat am Atlantik.
  • Als Trainer betreute der Vater von vier Kindern mehrere Vereinsmannschaften in Frankreich, der Schweiz und in Tunesien. In Afrika trainierte Rohr außerdem Gabun, Niger, Burkina Faso, Nigeria und seit diesem Jahr Benin.

Wenn man dem Franzosen aus Mannheim begegnet, nimmt man ihm auch das ab. Rohr ist jünger als die meisten seiner Altersgenossen geblieben. Geholfen haben ihm dabei die hohe Lebensqualität an der Atlantikküste, seine beiden jüngeren Kinder Johann (11) und Elisa (13), die Lebensfreude seiner aus Madagaskar stammenden Frau Fabrinah - aber auch die ungebrochene Leidenschaft für den Fußball.

Achtungserfolg gegen Senegal

„Ich merke gar nicht, dass ich älter werde. Ich lebe noch so wie vor 30 Jahren. Die Zeit geht zwar schnell vorbei, aber ich bin noch drin im Rhythmus als Trainer. Es ist ein unruhiger Ruhestand“, so Rohr. „Jung gehalten haben mich die Familie und die Kinder, der Umgang mit den Fußballern, die Lebensqualität am Meer mit der guten Luft, dem Strand und den Wäldern. Und wenn du eine junge Frau hast, musst du auch ein bisschen jung bleiben.“

Seit März arbeitet der Deutsche Fußballbotschafter als Nationaltrainer von Benin. Zuletzt gelang ihm in der Qualifikation für den Afrika-Cup 2024 Mitte Juni ein 1:1 gegen Senegal. Genau gegen das Team, das wenige Tage später mit 4:2 gegen Brasilien gewann. „Wir haben die Mannschaft verjüngt und ich habe große Hoffnung, dass wir aus diesem Projekt mittelfristig etwas machen können“, sagt Rohr zu seiner neuen Aufgabe.

Dieter Müller gratuliert

Mit einem Sieg im letzten Gruppenspiel im September in Mosambik wäre das Ticket für den Afrika-Cup gelöst. Das große Fernziel bleibt jedoch die Weltmeisterschaft 2026. So lange läuft sein Vertrag. Das vergleichsweise kleine westafrikanische Land war bisher noch nie bei einer WM dabei, könnte aber davon profitieren, dass künftig neun bis zehn Mannschaften aus Afrika am Turnier teilnehmen dürfen.

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Seinen Geburtstag feiert Rohr am Mittwoch in eher kleinem, gemütlichem Rahmen. Mittags kommen einige Verwandte und langjährige Weggefährten in das Hotel des Pins in Cap Ferret, das dem Jubilar gehört. Persönlich gratulieren wird ihm auch sein alter Freund, die frühere Torjägerlegende des 1. FC Köln, Dieter Müller, mit dem Rohr zu seinen aktiven Zeiten bei Girondins Bordeaux das Zimmer teilte. Bei dem französischen Traditionsverein, momentan Zweitligist, gilt der Mannheimer mit drei Meisterschaften als Spieler und späterer Trainer unter anderem von Zinedine Zidane als lebende Legende.

Bodenständig und freundlich

Auch wenn Rohr das in Frankreich geltende Rentenalter von 62 Jahren mittlerweile beachtlich überschritten hat, verschwendet er an den Ruhestand keinen Gedanken. „Solange es mir Spaß macht, mache ich als Trainer weiter“, sagt er. Der Blick in den Rückspiegel ist nicht seine Sache. „Wenn sich an einem runden Geburtstag die Ziffer vorne ändert, ist das immer ein bisschen ein unangenehmes Gefühl. Die Bilanz nach hinten ziehe ich aber erst, wenn die Acht kommt. Ich blicke nach vorne.“

Rohr, über den fast kein Text erscheint, ohne seine sympathische Bodenständigkeit und Freundlichkeit zumindest zu erwähnen, zeigt sich aber dankbar darüber, wie sein bisheriges Leben verlaufen ist. „Ich habe unheimlich viel Glück gehabt. Die Eltern zu haben, die ich hatte. Die große, weltoffene Familie. Und seit über 50 Jahren im Fußball aktiv sein zu dürfen, ist schon ein Geschenk des Himmels“, sagt er.

Auch die Verbundenheit zu seiner alten Heimat hat sich Rohr über all die Jahrzehnte in der Ferne - ob in Frankreich, Nigeria oder Burkina Faso - bewahrt. „In mir stecken immer noch 50 Prozent Mannem“, sagt der Deutsch-Franzose, während vom Atlantik die nächste salzige Brise in sein Wohnzimmer weht.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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