Tampere. Selbst das „Aktuelle Sportstudio“ konnte nicht mehr anders. Nachdem die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft am Samstag den Finaleinzug bei der WM in Finnland und Lettland perfekt gemacht hatte, startete das oft wegen seiner Fußballlastigkeit kritisierte ZDF-Magazin mit Bildern aus Tampere in die Sendung. Es folgte ein Interview mit DEB-Kapitän Moritz Müller - und das an dem Tag, an dem Borussia Dortmund in einem verrückten Bundesliga-Finale den Bayern den Titel geschenkt hatte!
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Jeder, der den erst von Kanada im Finale gestoppten Triumphzug der deutschen Kufencracks verfolgt hatte, merkte schnell, dass da nicht eine zusammengewürfelte Truppe auf dem Eis stand, sondern eine Einheit, in der sich der eine für den anderen zerreißt. Manchmal ist das große Ganze mehr als das simple Addieren von Teilen. Deutschland mag nicht über die besten Einzelkönner verfügt haben, dafür aber über das beste Team.
Das ist das vielleicht größte Verdienst von Harold Kreis. Bei seiner ersten großen Bewährungsprobe als Bundestrainer wurde der 64-Jährige im Vorfeld scharf dafür kritisiert, dass er in Dominik Bokk, Maximilian Kammerer und Daniel Schmölz die besten deutschen Torschützen der vergangenen DEL-Hauptrunde aussortierte. Doch Kreis verfolgte einen Plan: Er stellte nicht die besten Individualisten zusammen, sondern baute eine Mannschaft zusammen, in der jeder seine Rolle akzeptierte.
Kreis ist der Vater des Erfolgs
Der Bundestrainer profitierte allerdings auch von der Arbeit seiner Vorgänger. Marco Sturm und Toni Söderholm hatten den Umschwung eingeleitet. Aus einem Team, das spielt, um nicht zu verlieren, wurde ein verschworener Haufen, der in jedes Duell geht, um es zu gewinnen - ganz gleich, wie der Gegner heißt.
Die Spieler verspüren nicht mehr nur die Pflicht, für Deutschland zu spielen, sondern haben Spaß dabei, ihr Land zu vertreten. Moritz Seider wollte seine Blessuren eigentlich nach einer anstrengenden NHL-Saison auskurieren, doch als er in der Vorbereitung in München auf seine Teamkollegen traf, überlegte er es sich anders. Er wollte seine Freunde einfach nicht hängen lassen.
Längst sind die deutschen Erfolge keine Zufälle mehr: Olympia-Silber 2018, der Einzug ins WM-Halbfinale 2021, jetzt die Silbermedaille. Wer das Haar in der Suppe finden will, wird anmerken, dass die Topnationen auf einige ihrer besten Spieler verzichten mussten, die zurzeit um den Stanley Cup kämpfen. Doch auch das DEB-Team musste zahlreiche Ausfälle verkraften. Nicht zuletzt sagten mit Leon Draisaitl und Tim Stützle die beiden derzeit besten deutschen Stürmer ab.
Die Nationalmannschaft holte sich den verdienten Lohn ab. In der Weltrangliste verbesserte sie sich vom neunten auf den fünften Platz - und rangiert nun sogar vor Schweden! Die direkte Qualifikation für Olympia 2026 hat sie ebenfalls in der Tasche. Diesen Schwung muss das deutsche Eishockey nutzen. Wenn die richtigen Schlüsse gezogen und zum Beispiel mehr Geld und Anstrengungen in die Nachwuchsarbeit gesteckt werden, ist die WM-Silbermedaille sogar Gold wert.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Eishockey WM-Silber der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft ist Gold wert
Die größte Stärke der Eishockey-Nationalmannschaft bei der WM war ihr Zusammenhalt. Christian Rotter findet, dass der Erfolg von Tampere auch eine Verpflichtung für die Zukunft ist