Mannheim. Er ist der ungekrönte König des kurpfälzischen Indie-Pops mit Dialekt: Gringo Mayer. In diesen Tagen beschäftigt sich der 35-jährige Wahl-Mannheimer neben den Konzerten mit seiner Kegelband aber vor allem mit Fußball. Ein Interview über Julian Nagelsmann, die Parallelen zwischen Musik und Fußball, den Turnier-Hit „Major Tom“ und die deutschen EM-Chancen.
Herr Mayer, haben Sie sich auch schon mit dem EM-Fieber infiziert?
Gringo Mayer: Absolut. Ich habe das große Glück, das ich fast jedes Spiel gucken konnte. Ich habe das genossen. Gerade bei den Deutschland-Spielen spüre ich wieder das alte Feeling.
Bei Ansprachen auf Ihren Konzerten betonen Sie immer, wie wichtig der gesellschaftliche Zusammenhalt ist. Sich nicht spalten und gegeneinander aufhetzen zu lassen von denen, die aus manchem Missstand ihr politisches Süppchen kochen wollen. Geht Ihnen momentan das Herz auf, wenn Sie sehen, wie bei dieser EM verschiedene Nationen friedlich und zusammen ein großes Fest feiern?
Mayer: Ja, man sieht bei dieser EM, dass die Mehrheit der Menschen immer nur eine gute Zeit haben will. Das ist total schön zu sehen.
Sie spielen auf Ihren Tourneen mittlerweile in ausverkauften Clubs, die Nationalmannschaft in ausverkauften Stadien. Gibt es eigentlich Parallelen zwischen Musiker und Fußballer, wenn man sich von einer solchen Stimmung zu Höchstleistungen anspornen lässt?
Mayer: Wenn ich vor den Spielen die deutschen Spieler beobachte, denke ich ganz oft: Das ist wie bei einem Konzert. Diese Anspannung - es kann total schiefgehen, aber auch alles gut laufen. Das fühle ich komplett mit. Das Publikum spielt eine ganz große Rolle, das peitscht die richtig an. Das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans ist unglaublich wichtig.
Und auf Konzerten?
Mayer: Da ist es fast noch krasser. Man schaukelt sich gegenseitig hoch, teilt seine Gefühle.
Bundestrainer Julian Nagelsmann ist mit dem DFB-Team erst erfolgreich, seitdem er eine klare Hierarchie und Rollenverteilung eingeführt hat, die für eine intakte Teamchemie sorgt. Wie wichtig ist eine solche funktionierende Chemie untereinander, wenn Sie mit Ihrer Kegelband auf Tour sind?
Mayer: Bundestrainer Julian Nagelsmann hat eine klare Hierarchie reingebracht. Bei uns ist es auch so, dass ich das letzte Wort habe. Ich schreibe die Songs, gebe alles vor. Aber die Band ist genauso wichtig, auch unser Techniker und der Manager. Das ist ein komplexes Feld, auf der jede Position passen muss. Dann macht es Spaß, jeder kann sich entfalten, man kann die Stärken jedes Einzelnen anfeuern und die Schwächen abfedern. Gringo Mayer und die Kegelband harmoniert brutal gut. Eine funktionierende Gruppe ist etwas Wunderschönes.
Die Fußball-Republik feiert gerade „Major Tom“ von Peter Schilling als deutsche EM-Hymne. Verbinden Sie etwas mit dem Song?
Mayer: Ja, ich bin groß geworden, als der Song seinen Höhepunkt schon hinter sich hatte. Trotzdem fand ich „Major Tom“ als Jugendlicher ultrageil. Ich habe mich damals immer gefragt, warum der Song in Vergessenheit geraten ist. Deshalb finde ich es richtig schön, dass dieser Song gewählt wurde. Hoffentlich wird es das Lied zu einer richtig erfolgreichen EM und bekommt Jahrzehnte später die verdiente Wertschätzung.
Könnten Sie sich vorstellen, „Völlig losgelöst“ einmal in einer kurpfälzischen Version zu covern?
Mayer: Das könnte ich mir absolut vorstellen. Man muss aber wissen: Ein Cover in einem Dialekt kann so ziemlich das peinlichste sein, was man überhaupt machen kann. Es ist die schwierigste Disziplin als Künstler. Vielleicht wage ich mich trotzdem irgendwann mal an „Major Tom“ heran.
Ein Cover in einem Dialekt kann so ziemlich das peinlichste sein, was man überhaupt machen kann. Es ist die schwierigste Disziplin als Künstler.
Die Nationalspieler wiederum motivieren sich mit „Erfolg ist kein Glück“ vom Berliner Rapper Kontra K. Kann Gringo Mayer mit deutschem Hip-Hop etwas anfangen?
Mayer: Kann ich schon, es ist aber nicht meine Paradedisziplin. Da habe ich einen anderen Spirit in mir. Den Song kenne ich nicht - und wenn Hip-Hop, dann natürlich Apache 207, ganz klar. (lacht)
Und taugt der offizielle EM-Song der UEFA, „Fire“ von Leony und One Republic, in Ihren Augen was?
Mayer: Da müssen wir nicht drüber reden. Das ist so ein Song, den man irgendwo im Hintergrund hört. Nichts gegen One Republic, aber da sind schon viele Songs austauschbar. Nee, der taugt gar nix. Aber wahrscheinlich muss es auch so sein, dass der offizielle Turnier-Song bescheiden ist.
Am 3. Juli spielen Sie auf dem Fanfest in Frankfurt am Mainufer. Wird das eine besondere Herausforderung, ausschließlich vor Fußball-Fans zu spielen?
Mayer: Nein, überhaupt nicht. Wir haben schon vor so unterschiedlichen Menschen gespielt. Ich weiß gar nicht, was uns dort erwartet, weil wir auf der Fanmeile ja an einem spielfreien Tag spielen. Ich hoffe wie immer auf ein buntes Publikum, wir haben auf jeden Fall Bock.
Ihr Anti-FIFA-Song „Gibt’s do net“ hat jetzt auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Versöhnt Sie die aktuelle EM ein wenig mit dem großen Fußball-Business oder bleiben Sie kritisch eingestellt?
Mayer: Die Kritik geht ja nicht verloren, nur weil man den Sport liebt. Es geht eher um das Gefühl, dass der Fußball korrupt geleitet wird und Entscheidungen getroffen werden, die nicht nachhaltig sind, nur auf Profit aus sind und am Fan .vorbeigehen. Daran ändert sich nichts. Aber da, wo es nur um den Sport geht, ist das etwas ganz Tolles.
Wie schauen Sie eigentlich die Fußball-EM? Daheim vor dem Fernseher oder gehen Sie raus und schauen gemeinsam mit anderen?
Mayer: Tatsächlich habe ich zwei Deutschland-Spiele im Biergarten geguckt, eines mit Kumpels im Hotelzimmer. Wo ich war, haben alle nur gemeinsam Spaß gehabt. Als gegen die Schweiz noch das 1:1 gefallen ist, hat es mich komplett vom Stuhl gerissen. Ich habe geschrien wie ein Wahnsinniger. Danach habe ich mich ein bisschen geschämt für meinen Kontrollverlust. (lacht)
Sie haben gemeinsam mit dem früheren Nationalspieler Markus Babbel einen Podcast gemacht. Seitdem weiß man, dass Sie sehr fußballaffin sind. Wie gefällt Ihnen das, was die deutsche Mannschaft bisher zeigt?
Mayer: Man darf keine falschen Erwartungen an mich haben. Beim Thema Taktik oder Strategie wurde ich nie ausgebildet. (lacht) Deshalb bin ich auch ein normaler Fußball-Fan. Aber: Ich halte Nagelsmann - auch wenn meine Meinung vielleicht egal ist - für einen Super-Trainer, der die Verantwortung übernimmt, der einen Plan hat und ein Gespür für die Situation. Die Spielweise gibt ihm bisher recht. Was ich richtig schön finde: Man hat das Gefühl, da steht eine Mannschaft auf dem Platz, die sich gegenseitig unterstützt. Das will ich sehen.
Und haben Sie ein heimliches Lieblingsteam?
Mayer: Beim Spiel Türkei gegen Tschechien haben mich die Tschechen beeindruckt. Sie hatten fast keine Chance mehr, lagen in Unterzahl zurück, aber wie die gefightet haben! Das sieht man in der Bundesliga selten bis nie. An dem Abend haben sich die Tschechen ein bisschen in mein Herz gespielt - auch wenn sie jetzt raus sind.
Am 20. Juli, knapp eine Woche nach dem EM-Finale, spielen Sie ein Heim-Konzert auf der Seebühne im Mannheimer Luisenpark. Glauben Sie, dass Deutschland dann Europameister ist?
Mayer: Erstmal hoffe ich, dass wir die Seebühne, die wir ganz kurzfristig in unser Live-Programm im Sommer genommen haben, in den nächsten drei Wochen voll bekommen. Das wird ein sehr schöner Abend, Gringo Mayer mal an einem gemütlicheren Ort zu sehen. Und ob Deutschland dann Europameister ist? Ja, das glaube ich. Ich bin ein Typ, der immer daran glaubt. Wenn man nicht daran glaubt, hat man schon verloren. Aber es wird sehr hart.
Gringo Mayer
Gitarrist Gringo Mayer wurde 1988 unter dem Namen Tim G. Mayer in Ludwigshafen geboren und lebt in der Mannheimer Neckarstadt.
Als Gringo Mayer und die Kegelband hat der Kurpfälzer zwei erfolgreiche Alben veröffentlicht – das Debüt „Nimmi Normal“ (2021) und den Nachfolger „Ihr Liewe Leit“ (2023). Bei etlichen gefeierten Konzerten in der Region und auf zwei Deutschland-Tourneen hat Mayer seinen Indie-Pop in kurpfälzischem Dialekt live präsentiert.
Auch im Sommer entert der Ludwigshafener wieder die Bühnen. Unter anderem spielt Gringo Mayer mit Band am Samstag, 20. Juli, auf der Seebühne im Mannheimer Luisenpark. Tickets gibt es ab 27,50 Euro unter shop.luisenpark.de/category/100.
Weitere Auftritte sind unter anderem geplant in Bad Dürkheim (26. Juli), Weingarten (7. August), Worms (18. August), Lorsch (Solo, 26. September) und Landau (27. September), bevor am 18. Dezember das große Jahresabschlusskonzert im Ludwigshafener BASF-Feierabendhaus steigt.
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