Paris. Panik verspürt Malaika Mihambo keine - aber diese Schwierigkeiten beim Atmen. Sie hyperventiliert. Eine Messung ihrer Sauerstoffsättigung wird am späten Donnerstagabend ergeben, dass diese in keinem gefährlichen Bereich liegt. Das Gefühl, dass nicht ausreichend Sauerstoff ankommt, bleibt jedoch. Es liegt an der schlechten Gasaustauschkapazität, das weiß die 30-Jährige. Ihre Lunge ist auch zwei Monate nach ihrer Corona-Infektion im Anschluss an die Europameisterschaften in Rom noch in einem langwierigen Heilungsprozess.
Mihambos Verfassung wird beim olympischen Finale von Sprung zu Sprung schlechter
Weil die Oftersheimerin nach zehrenden sechs Finalsprüngen im Stade de France - in ihrem besten fliegt sie auf 6,98 Meter und landet damit hinter Olympiasiegerin und Hallenweltmeisterin Tara Davis-Woodhall aus den USA (7,10) auf Platz zwei - immer mehr an Energie verliert und schwächer wird, posiert sie zwar noch für die Fotografen und dreht eine Ehrenrunde, kommt aber in den Grenzbereich.
Dankbar nimmt sie einen Rollstuhl an. Ein dramatisches Bild, das Fragen aufwirft, als sie aus dem Stadion geschoben wird. Mit dem Abstand einiger Stunden sagt Mihambo: „Mir geht es besser.“ Die Strahlefrau aber ist sie nicht.
Corona hat MIhambo heftig erwischt
Die immensen Belastungen schlauchen, obwohl die hundsgemeinen Hustenanfälle besser geworden sind. Und die Doppel-Weltmeisterin die Situation kennt, besser mit ihr umgehen kann. Weil sie Ähnliches in München 2022 erlebt hat.
„Diesmal hat mich Corona nochmal deutlich heftiger erwischt“, sagt Mihambo von der LG Kurpfalz und beschreibt, wie ihr Sprung um Sprung „die Körner“ schwinden. Umso höher zu bewerten ist, dass sie ihre technischen Fehler korrigiert und behebt. Die Folge: Sie schiebt sich noch an der US-Amerikanerin Jasmine Moore vorbei. „Dazu haben sehr viel Willensstärke und mentale Stärke gehört“, sagt Mihambo.
Mihambos Trainingsplan musste nach der Corona-Infektion angepasst werden
Dieser immerwährende Alltags-Kampf schon auf dem Weg nach Paris, mit unruhigen Nächten und gesundheitlichen Einschränkungen, stört nicht nur ihre Trainingsroutinen, er schlägt auch aufs Gemüt, macht psychisch mürbe. „Trotzdem habe ich immer geglaubt, dass ich es schaffe, mich nicht hängengelassen und bin stark geblieben“, sagt die dreimalige Sportlerin des Jahres.
Mihambos Trainer, Ulli Knapp, hat die Planungen für Paris angepasst. Notgedrungen. Er skizziert, wie sie nach Rom einen grundlegenden Aufbau geplant hatten. „Aber das gesamte Fundament ist im Grunde weggefallen. Das heißt, wir haben ein sehr bröckeliges Haus gebaut, das schon nach der Qualifikation ein bisschen gewackelt hat.“ Der Coach beobachtet den Energieverlust seiner Athletin und kann ihr doch nicht helfen. Das schmerzt.
Weitspringerin Malaika Mihambo hat bei den Olympischen Spielen "Silber gewonnen" - und es strahlt golden
Mit Stolz sagt Knapp: „Mali hat sich in unvorstellbarer Manier durch den Wettkampf gekämpft. Für mich ist sie die Siegerin - und Olympiasiegerin ist sie ja schon geworden.“ Obendrein sei sie ein Vorbild in einer Gesellschaft, in der sich manche schon wegen Nasenblutens krankschreiben lassen würden.
Mihambo ist vor 70 000 Zuschauern am Donnerstagabend zwar geschlagen worden, verspürt aber Dankbarkeit und Stolz, es so weit geschafft zu haben. „Es gibt nicht viele Sportler, die mit so einer Vorgeschichte und diesem Handicap mit einer Silbermedaille vom Feld gehen. Daher habe ich Silber gewonnen - und für mich strahlt es auch sehr golden.“ Nach diesem Satz lächelt sie wenigstens zart.
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