Berlin. Nach oben zu kommen, ist schon schwer. Oben zu bleiben, ist aber eine noch weitaus größere Herausforderung – im Leben, im Beruf im Sport. Malaika Mihambo bildet da keine Ausnahme. Und so stellten sich viele Experten die Frage, wie die Weitspringerin der LG Kurpfalz wohl dieses Jahr angehen würde. EM-Gold 2018, Weltmeisterin 2019, dann Olympiasiegerin bei den auf 2021 verschobenen Sommerspielen in Tokio. Was sollte da für die Allesgewinnerin aus Oftersheim noch kommen?
Mihambo hat sich diese Frage nicht gestellt – jedenfalls nicht so. Sie kennt keine Motivationsprobleme, weil sie eine ganz andere Herangehensweise hat. „Ich zerbreche mir darüber nicht den Kopf, weil ich schon lange nicht mehr nur auf Medaillen und Titel aus bin“, sagte die 28-Jährige am Sonntag nach ihrem sechsten Titelgewinn bei Deutschen Meisterschaften im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich nehme den Sport, um mich als Mensch und Athlet weiterzuentwickeln und zu wachsen. Ich sehe den äußeren Wettkampf als innere Meisterschaft, um zu sehen: Wie kann ich noch besser mit Druck umgehen oder das letzte Bisschen aus mir herausholen?“
Zufrieden mit der Weite
Im Berliner Olympiastadion klappte das gut. Bereits nach ihrem ersten Sprung auf 6,70 Meter war klar, dass der Sieg an den derzeit größten Star in der deutschen Leichtathletik gehen würde. Im dritten Versuch packte Mihambo noch einmal 15 Zentimeter drauf. 6,85 Meter – mit dieser Siegesweite konnte sie leben. „Der Wettkampf war ganz gut. Es war sogar mehr drin, doch das konnte ich heute leider nicht zeigen“, sagte der Schützling von Bundestrainer Uli Knapp.
Zu diesem Zeitpunkt war schon der erste Teil der Wettkampfanalyse abgeschlossen: „Ich habe den Anlauf technisch nicht mit genügend Druck ausgeführt. Das Feinspiel hat nicht ganz gestimmt.“ Allzu große Selbstkritik wollte Mihambo allerdings nicht üben, denn sie kannte die Voraussetzungen: „Wir haben das aus dem Training heraus gestaltet. Insofern sind die effektiven Weiten umso höher einzuschätzen.“
Hinter der Olympiasiegerin belegte Maryse Luzolo aus Königstein mit 6,60 Metern Rang zwei. Ruth Hildebrand von der MTG Mannheim verpasste das Finale der besten Acht knapp und wurde mit 5,94 m Neunte.
Mihambo weiß, dass die Konkurrenz bei der WM in Eugene (USA) in knapp drei Wochen sowie bei der Heim-EM in München (15. bis 21. August) weitaus größer sein wird. In Eugene rechnet sie mit zwei starken US-Amerikanerinnen sowie der Nigerianerin Ese Brume. Auch die Ukrainerin Maryna Bech-Romantschuk steht auf ihrem Zettel. „Es sind viele, die um den Sieg mitspringen können. Das wird kein Selbstläufer. Für jeden Titel muss aufs Neue gearbeitet werden. Da wird einem nichts geschenkt. Ich bin da ganz demütig“, betonte Mihambo, die den genauen Leistungsstand der Konkurrentinnen jedoch nicht einzuschätzen weiß: „Nicht viele haben ihr Niveau halten können.“
Besonderen Respekt nötigen ihr aber die Auftritte von Bech-Romantschuk ab: „Es ist beachtenswert, wie die ukrainischen Athleten trotz der kritischen Lage in ihrem Heimatland versuchen, ihr Bestes zu geben. Sie müssen eine Last tragen – und das wertet ihre Leistungen auf.“
Über Stockholm nach Eugene
Bevor Mihambo am 11. Juli nach Santa Barbara (Kalifornien) fliegt, wo die unmittelbare WM-Vorbereitung ansteht, wird sie am Donnerstag beim Diamond-League-Meeting in Stockholm im Weitsprung antreten und vielleicht bei einem kleineren Sportfest über 100 und 200 Meter laufen. Sie sieht sich auf dem richtigen Weg und hat ein gutes Gefühl, dass ihr Plan aufgeht.
Dass sie zum Saisonstart 7,09 Meter sprang und diese Weite seitdem nicht mehr geknackt hat, beunruhigt sie nicht. „Meine Sprünge sind stabiler als damals. Das Anlaufgefühl kommt zurück. Es fehlen nur Kleinigkeiten. Die technischen und physischen Voraussetzungen sind optimal. Wir gehen im Training jetzt an den Feinschliff. Dann hoffe ich, dass alles noch spritziger und besser wird.“
Mihambo ist und bleibt neugierig. Sie ist gespannt darauf, was sie noch aus ihrem Körper herauskitzeln kann. Bei der WM wird sie ausgeruht in den Wettkampf gehen. Ist in Eugene also vielleicht sogar die Steigerung ihrer Bestweite von 7,30 Metern möglich? „Für mich ist interessant, wie weit ich überhaupt springen kann. Das ist eine Sache, die mich antreibt. Das hat nichts mit Titeln und Medaillen zu tun. Insofern ist meine Motivation ungebrochen“, betonte die 28-Jährige.
Diese Einstellung bedeutet nicht, dass sie selbst ihre härteste Gegnerin ist. Mihambo kämpft nicht gegen den eigenen Körper oder den eigenen Geist. Nein, sie will mit ihnen spielen, Grenzen ausloten. Medaillen, Titel, Siege hat sie genügend gesammelt. Nun geht es ihr darum, sich auf einem anderen Weg Selbstbestätigung zu holen.
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