Kiel. Natürlich hatte sich Andy Schmid das ein wenig anders vorgestellt. Bei seinem vermutlich letzten Auftritt im legendären Handball-Tempel Ostseehalle, in dem er mit den Rhein-Neckar Löwen so viele packende Spiele im Kampf um die deutsche Meisterschaft absolviert hatte, hätte er gerne etwas Zählbares mitgenommen. Andererseits wusste der Schweizer ja auch schon vorher, dass es schwer werden würde beim Branchenprimus THW Kiel, der am Sonntag dann auch mit 32:29 (18:14) gegen den zweifachen deutschen Meister aus Mannheim gewann. In ganz schlechter Erinnerung dürfte Schmid die Begegnung trotzdem nicht behalten. Denn wenige Minuten vor dem Anpfiff erhoben sich 9000 Kieler Fans von ihren Plätzen und applaudierten für einen Mann, der dem THW in den vergangenen Jahren fraglos viel Kopfzerbrechen bereitet, aber vor allem die Bundesliga geprägt hat.
„Schöne Geste“ für den Schweizer
„Puh, das habe ich so nicht erwartet, dass ich so aus Kiel verabschiedet werde. Das war eine richtig schöne Geste, ein ergreifender Moment. Sowas von einem Verein zu bekommen, den wir in den vergangenen Jahren so hart bekämpft haben, war wirklich schön“, freute sich Schmid sicht- und spürbar. Auf einer der größten Bühnen des Welthandballs zeigte der Schweizer dann anschließend noch einmal, dass er selbst mit 38 Jahren immer noch zu den Besten gehört. Zehn Treffer bei zwölf Versuchen erzielte er - ein Weltklasse-Wert.
Auf der Reise nach Kiel mussten die Löwen kurzfristig einen weiteren personellen Ausfall hinnehmen - wenn auch aus einem schönen Grund. Rechtsaußen Patrick Groetzki wurde zum dritten Mal Vater und kam entsprechend nicht mit in den hohen Norden. Kapitän Uwe Gensheimer stand zwar nach überstanden Achillessehnenproblemen wieder im Aufgebot, kam aber erst nach 20 Minuten aufs Feld und zeigte mit einer hundertprozentigen Trefferquote und sechs Toren ein starkes Comeback. Da außerdem Benjamin Helander verletzt fehlte, begannen die Badener „mit der jüngsten Flügelzange, die wahrscheinlich jemals für die Löwen in der Bundesliga auf dem Feld stand“, wie Trainer Klaus Gärtner meinte.
Der 18-jährige Lion Zacharias und der zwei Jahre ältere Mamadou Diocou mussten also ran - und blieben in der ersten Halbzeit ohne Tor. Zacharias scheiterte einmal, Diocou gleich dreimal. Nach dem Seitenwechsel ließ der Spanier zwei weitere Fehlwürfe folgen.
Dennoch gestalteten die Löwen, bei denen sich die Hoffnung auf eine Rückkehr von Albin Lagergren (Fußprellung) ebenfalls nicht erfüllte, die Begegnung beim Titelanwärter 20 Minuten lang nicht nur ausgeglichen, sondern lagen in dieser Phase sogar meistens in Führung. Schmid trumpfte in den Anfangsminuten auf, außerdem traf Niclas Kirkeløkke zuverlässig aus der Distanz. Der Däne besorgte auch das 6:5 (11.) für die Badener, die dieses Ergebnis trotz doppelter Unterzahl hielten.
Kiel – Löwen
- Kiel: N. Landin, Quenstedt (bei einem Siebenmeter und ab 21. bis 48. Minute) – M. Landin (2), Wiencek (5), Ekberg (9/5) – Sagosen (3), Zarabec (5), Reinkind (1) – Weinhold (3), Pekeler (1), Duvnjak (2), Ciudad Benitez, Dahmke (1), Horak, Bilyk. Trainer: Jicha.
- Löwen: Katsigiannis, Grupe (bei einem Siebenmeter und ab 54. Minute) – Zacharias, Kohlbacher (3), Diocou – Nilsson (4), Schmid (10/6), Kirkeløkke (4) – Abutovic, Gislason, Patrail, Gensheimer (6), Knorr (1), Ahouansou (1), Horzen. Trainer: Gärtner.
- Schiedsrichter: R. Thiyagarajah/S. Thiyagarajah.
- Zuschauer: 9000 (ausverkauft).
- Strafminuten: Weinhold (4), Pekeler (2), Wiencek (2) – Gislason (2), Kohlbacher (4), Diocou (2), Gärtner (2). – Beste Spieler: Ekberg, Wiencek Zarabec – Kirkeløkke, Schmid, Gensheimer.
20 freche Minuten der Löwen
Torwart Nikolas Katsigiannis war zweimal spektakulär zur Stelle, anschließend trafen wieder Schmid und Kirkeløkke und der deutsche Pokalsieger von 2018 hielt den Zwei-Tore-Vorsprung. Beim 9:7 (17.) agierten die Löwen erneut in doppelter Unterzahl, doch wieder war Katsigiannis zur Stelle und parierte den Siebenmeter von Niclas Ekberg. „Die Löwen haben uns vor große Aufgaben gestellt“, erkannte THW-Trainer den Auftritt der personell arg geschwächten Badener an.
Nach 20 Minuten verlor die zuvor so frech auftrumpfende Gärtner-Sieben aber ihre zuvor so klare Linie im Angriff und kassierte nach einer 11:9-Führung (20.) einen 3:9-Lauf bis zur Pause. „Da haben wir das Spiel zu leichtfertig weggegeben“, ärgerte sich Gärtner über ausgelassene Möglichkeiten und einen nicht funktionierenden Rückzug.
Der Mitte der ersten Halbzeit eingewechselte Gensheimer blieb auch zu Beginn des zweiten Durchgangs auf dem Feld, was sich erwartungsgemäß positiv auf das Spiel der Löwen auswirkte. Der Kapitän erzielte die ersten drei Treffer seiner Mannschaft nach dem Seitenwechsel und sorgte dafür, dass der zweifache deutsche Meister zunächst immer auf drei Treffer dranblieb. Außerdem gelangen dem langjährigen Kapitän der Nationalmannschaft ein paar starke Ballgewinne in der Abwehr.
Mitte des zweiten Durchgangs bauten die Kieler ihren Vorsprung allerdings auf fünf Treffer aus (26:21/41.) - und danach gerieten die Norddeutschen nicht mehr ernsthaft in Gefahr. Zwar verkürzten Schmid und Gensheimer noch einmal (26:23/48.), doch anschließend ließ Diocou seine nächste Möglichkeit aus. „Ihn werden wir ein wenig aufbauen müssen. Aber es war das erste Mal für ihn, dass er die ganze Last auf seiner Position schultern musste“, übte sich Trainer Gärtner in Nachsicht.
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