Mannheim. Die ersten zehn Monate gestalteten sich schwierig, was für Kristjan Horzen jetzt nicht zwingend überraschend kam. Denn im Juli des vergangenen Jahres trat er seinen Dienst bei den Rhein-Neckar Löwen mit dem Wissen an, dass sich jeder Handball-Profi in seiner ersten Bundesliga-Spielzeit schwertut. Selbst bei seinem Teamkollegen Andy Schmid war das so – und der wurde anschließend nicht nur fünfmal zum besten Spieler der Saison gewählt, sondern prägt seitdem die Liga. Horzen war also klar, auf was er sich da einlässt, dass er ein wenig Zeit benötigen wird und geduldig sein muss. So wie ein kleiner Vogel, der auch nicht sofort fliegen kann. Zumal für den Kreisläufer wirklich alles neu war. Der Verein, die Mannschaft, das Land, die Liga, die Sprache, der Trainer, die Kultur.
„Und dann ist da ja noch Jannik Kohlbacher“, kommt der Slowene am Sonntagnachmittag nach dem klaren 29:22-Sieg der Löwen bei TuS N-Lübbecke auf den Mann zu sprechen, der seit Jahren eigentlich die unumstrittene Nummer eins am Kreis ist. Ex-Coach Klaus Gärtner setzte in der ersten Saisonhälfte trotzdem immer wieder auch auf Horzen, baute ihn behutsam auf, führte ihn über Einsatzzeit an die Bundesliga heran. „Ich habe immer um die 15 Minuten gespielt, das war okay“, erinnert sich der Rechtshänder, der aber plötzlich fast komplett außen vor war, als Ljubomir Vranjes den Trainerposten übernahm.
Zwischenzeitlich nur Nummer drei
Horzen rutschte in der Kreisläufer-Hierarchie auf den dritten Rang, da der neue Coach die taktische Ausrichtung korrigierte und Defensiv-Ass Ymir Gislason – ein gelernter Kreisläufer – auch in der Offensive einsetzte, um sich einen Abwehr-Angriff-Wechsel zu sparen. „Ymir kann das und er wird das auch in Zukunft spielen“, sagt Vranjes, der zuletzt in den beiden Spielen in Leipzig und Lübbecke aber auf Horzen vertraute. Oder besser gesagt: vertrauen musste.
Denn Kohlbacher fiel mit Rückenschmerzen komplett aus, Gislason musste in Leipzig mit Knieproblemen passen und wirkte in Lübbecke nur phasenweise mit. Es blieb also nur noch Horzen – und der nutzte die Gelegenheit, sich für mehr Einsatzzeit zu empfehlen. „Ich bin zufrieden und auf einem guten Weg. Natürlich geht es immer noch besser, aber jetzt bin ich erst einmal glücklich, diese Möglichkeit bekommen zu haben“, sagt der 22-Jährige. Vier Tore bei sechs Würfen in Leipzig, drei Treffer und eine 100-Prozent-Quote in Lübbecke. Horzen betrieb Eigenwerbung, auch in der Deckungsarbeit auf der Halbposition.
Vranjes sieht eine „gute Entwicklung“ beim Slowenen, für den es nicht einfach gewesen sei, auf einmal gefragt zu sein und auf Knopfdruck liefern zu müssen, merkt der Trainer an. „Das hat er gut gemacht und Verantwortung übernommen“, lobt Vranjes den ehrgeizigen Slowenen, dem die immense Belastung in der Bundesliga aber noch zu schaffen mache: „60 Minuten konstant auf hohem Niveau – das schafft er noch nicht. Kristjan braucht Pausen.“ Damit eben diese aber immer kürzer werden, schuftet Horzen im Training wie ein Besessener, legt konsequent Sonderschichten ein, quält und verausgabt sich. Kurzum: Er zeigt einen eisernen Willen und leidet, um besser zu werden. Vranjes gefällt dieser Fleiß, der auch Rechtsaußen Patrick Groetzki aufgefallen ist: „Kristjan arbeitet sehr viel und sehr hart an sich.“
„Ich liebe es“
Mehr und mehr gewöhnt sich das eifrige Kraftpaket Horzen nun an die Strapazen und den Stil in der Bundesliga, in der es stets körperbetont und kämpferisch zugeht. „Ich kannte die Champions League aus Celje, aber das hier ist noch einmal etwas anderes. Jedes Spiel ist eine Herausforderung. Aber genau das wollte ich, deswegen bin ich nach Deutschland gekommen. Ich liebe es“, sagt der Rechtshänder, der fließend Englisch spricht, sich im Dialog mit seinem Trainer aber auch der „Jugo-Sprache“ bedient, wie er es mit einem Grinsen nennt.
Der in Schweden geborene Vranjes ist serbischer Abstammung und trägt das Balkan-Gen in sich, auf Serbokroatisch unterhält er sich mit Horzen und spricht ihm Mut zu. Der strebsame Kreisläufer ist glücklich über diesen Austausch und saugt alle Tipps seines Coaches wissbegierig auf. So wie ein Schwamm. „Ljubo war ein großartiger Spieler. Und jetzt ist er ein großartiger Trainer“, schwärmt Horzen: „Dass er mir so sehr hilft, macht mich stolz.“
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