Mannheim. Er weiß sehr genau, was Halil Jaganjac dieser besondere Augenblick bedeutet. Und deswegen übt sich Sebastian Hinze auch in Nachsicht. Normalerweise versammelt der Trainer der Rhein-Neckar Löwen seine Mannschaft nach einem Spiel immer recht zügig in der Kabine. Doch diesmal muss Hinze warten. Denn einer fehlt. Es ist Jaganjac, der nach dem überraschenden 31:29 (15:14)-Sieg des Handball-Bundesligisten über Titelanwärter SG Flensburg-Handewitt immer noch im Innenraum der SAP Arena steht.
Der 26-Jährige erfüllt Autogrammwünsche, macht Fotos. Hinze beobachtet all das aus der Ferne. Aber nicht mit einem kritischen Blick, sondern mit leuchtenden Augen und einem Lächeln im Gesicht. Ihm ist vollkommen klar, dass er seinem Spieler diesen magischen Moment nicht nehmen kann. Nicht nehmen darf. Irgendwann registriert aber auch Jaganjac, dass er erwartet wird. Unter dem Applaus der Zuschauer macht er sich auf Weg - und als er die Kabinentür öffnet, wird es noch einmal laut. Seine Mitspieler empfangen den Kroaten. Und sie feiern ihn. Den Rückkehrer und Kämpfer, der an diesem märchenhaften Abend im Rampenlicht steht.
Dass Jaganjac überhaupt noch einmal auf höchstem Niveau Handball spielt, grenzt an ein kleines medizinisches Wunder. „Vor fünf oder sechs Monaten waren die Ärzte, die Physiotherapeuten und ich nicht sicher, ob das klappt. Und jetzt stehe ich hier. Spiele gegen Flensburg. Werfe Tore“, sagt der Rückraum-Rechtshänder und schaut ein wenig ungläubig drein. Ganz offensichtlich kann er es selbst kaum glauben, dass er die Schmerzen besiegt und die lange Leidenszeit hinter sich gelassen hat.
Halil Jaganjac - nach zweijähriger Pause sofort ein Sieggarant
Im November 2022 verletzt sich Jaganjac schwer an der Schulter. Er wird dreimal operiert, ein zwischenzeitliches Kurz-Comeback verläuft erfolglos. Die Beschwerden bleiben. Die Zweifel wachsen. Doch seine Zuversicht verliert der Kroate nie. Er arbeitet hart. Zieht seine Reha mit großer Disziplin durch. Baut seine Schulter „ganz neu auf“, wie es Kapitän Patrick Groetzki. formuliert. Und schließlich steht der Kroate gegen Flensburg dann nicht nur im Kader, sondern schon nach wenigen Minuten für den verletzt ausgeschiedenen Sebastian Heymann auf dem Feld.
Kraftpaket Jaganjac räumt in der Abwehr auf, bringt Leidenschaft in die Partie und lässt sein Herz auf dem Feld. Oder anders ausgedrückt: Er reißt alle mit. Die Fans. Und die Mitspieler. Dass ihm dann auch noch zwei Tore gelingen, ist die Krönung. Oder einfach nur der Lohn für all die Extraschichten und die überragende Leistung, die so nicht erwartet werden konnte. Nicht erwartet werden durfte.
„Halil belebt uns mit seinen Emotionen“, lobt der gegen Flensburg erneut überragende Torwart Späth. Trainer Hinze streicht wiederum die „Energie“ heraus, die Jaganjac in die Mannschaft bringe: „Dieser Typ ist unglaublich. Er hat wegen der Verletzung von Sebastian Heymann natürlich deutlich mehr gespielt, als wir geplant hatten. Am Ende ist es ein Tag, den man sich vor allem für Halil nicht schöner malen kann.“ Und den Jaganjac deshalb auch nicht vergessen wird.
„Es ist ein überragendes Gefühl, ein Traum. Ich bin stolz auf die Mannschaft und auch auf mich“, sagt der Kroate und beschreibt jede Minute auf dem Feld als einen einzigen „Genuss“. In einer Welt ohne Ermüdungserscheinungen hätte er vermutlich immer weiterspielen wollen. Ganz einfach, weil es so schön ist. Und weil der 26-Jährige diesen Sport nicht nur liebt, sondern er seine Erfüllung, sein Leben ist. „Ohne Handball bin ich kein kompletter Mensch.“ Über den Abpfiff ist der 26-Jährige nach dem intensiven Abnutzungskampf gegen Flensburg aber trotzdem froh. Weil es eben keine Welt ohne Ermüdungserscheinungen gibt.
„Ich kann nicht mehr stehen, mein Körper tut weh“, räumt ein erschöpfter Jaganjac nach dem Krimi gegen die Norddeutschen und vor dem nächsten Topspiel am Sonntag (14.20 Uhr) in der SAP Arena gegen Meister SC Magdeburg ein. Aber der Schmerz in der Schulter, der ist nicht mehr da. Was die Hoffnung nährt, dass der Rechtshänder bald auch im Angriff eine echte Option wird.
Wer sich an Jaganjac vor seiner Verletzung erinnert, der sieht einen Spieler vor seinem geistigen Auge, der hart und präzise aus großer Distanz wirft. Der ein Spiel nicht nur in der Abwehr, sondern auch im Angriff entscheiden kann. Der also ein Unterschiedsspieler auf beiden Seiten des Feldes ist.
Die WM lässt Jaganjac sausen - es zählen nur die Löwen
Genau das möchte der Kroate auch wieder werden. Doch er macht sich keinen Stress, sondern übt sich in „Geduld, Geduld, Geduld“. Es ist kein Zufall, dass der 26-Jährige dieses Wort zweimal wiederholt. Denn er weiß genau, dass es nichts bringt, zu viel zu wollen. „Es wäre dumm, wenn ich jetzt irgendetwas überstürze oder provoziere. Ich darf es mit der Belastung nicht übertreiben“, lässt Jaganjac Vorsicht walten und schließt deshalb auch aus, bei der Weltmeisterschaft im Januar für sein Heimatland zu spielen. Auch wenn ihn Nationaltrainer Dagur Sigurdsson ins vorläufige WM-Aufgebot berufen hat.
Die komplette Konzentration des Kroaten gilt seiner vollständigen Genesung. Der angestrebten Rückkehr zur alten Stärke. Und auch den Löwen, die ihn nur bis Sommer 2025 vom polnischen Topclub KS Kielce ausgeliehen haben. Doch Jaganjac möchte bleiben. Das betont der Rechtshänder nach dem Comeback erneut.
„Die Löwen sind ein überragender Club, ich spiele in der stärksten Liga der Welt. Meine Schwester wohnt in Heilbronn. Das fühlt sich wie meine zweite Heimat an. Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern“, schwärmt der Rechtshänder und setzt zu einer Art Liebeserklärung an: „Ich habe in der schwierigsten Zeit meiner Karriere eine große Unterstützung durch den ganzen Verein erfahren. Solch ein Vertrauen in einen Spieler, der zwei Jahre weg ist - das nötigt mir großen Respekt ab. Auch die Fans haben mich nicht vergessen. Es hat sich so angefühlt, als hätte ich hier gestern noch auf dem Feld gestanden.“
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