Paris. „Mamma mia“ – der Klassiker von ABBA dröhnt aus den Boxen. Das passt – für die Sieger David Ahman und Jonatan Hellvig, die im Sandkasten des Stade Tour Eiffel untergetaucht sind. In einer Ecke eingekesselt von ihren Liebsten und der schwedischen Fan-Kolonie. Ein fröhlich wirres Menschenknäuel in Gelb und Blau. Nur wenige Meter entfernt sitzen zwei, die emotional wie weggebeamt sind.
Mamma mia! Clemens Wickler hat die Augen geschlossen, leidet. Nils Ehlers hat sich vergraben in seinem Handtuch. Kopflos hockt er da – beinahe so, wie sie als Duo zuvor im Finale des olympischen Beachvolleyball-Turniers in ihrem Feld gestanden haben.
Die Deutschen verloren 10:21 und 13:21. Klare Sache in zwei Sätzen für das Nummer-Eins-Paar aus Schweden, mit denen Ehlers/Wickler auch schon im Trainingslager auf Fuerteventura trainiert haben. „Das tut unfassbar doll weh“, sagt Ehlers nach dem größten Erfolg seiner Karriere.
Wie bizarr – schließlich hängt da eine Silbermedaille um den Hals. Ehlers steht hinter dem Stadion zwischen einem Gebüsch und einem Zelt, als er erzählt: „Auf dieser Bühne mit der Aufmerksamkeit nicht reinzufinden und im Finale das schlechteste Spiel der Saison zu machen, ist echt enttäuschend und haut einen ziemlich runter.“
Ehlers ist am Boden. Im Wortsinn. Einfach liegen geblieben, nachdem der letzte Ball der Schweden auch noch seinen Weg in den freien Raum gefunden hat. Fertig. Frustriert. Bedient.
Eine Erklärung – die hätte Wickler jetzt auch gerne. Dafür, warum es sich auf dem Court „extrem beschissen angefühlt“ hat, obwohl beim Warmspielen die Arme noch flüssig durchgelaufen seien. Und dann? Alles weg. Beine schwer, Ballannahme schlecht, Block mäßig.
Viele deutsche Fans unter den 12 800 Zuschauern
Was Wickler nicht weiß: Auch Sprinterin Gina Lückenkemper, Speerwerfer Julian Weber und andere Deutsche erleben dieses Phänomen. Olympia ist nun mal in jeglicher Hinsicht besonders. Was hier passiert, lässt sich in keinem Wettkampf proben. Tests sind nur alle vier Jahre bei dem Ereignis selbst möglich.
Damit klarzukommen, ist eine Kunst. Denn: „Da ist mit uns mental was passiert“, sagt der 29-jährige Wickler nach dem ersten Trost seiner Freundin und viel Zuspruch vom Trainerteam. „Vielleicht haben wir zu viel gewollt. Gold vor Augen und dann im Kopf komplett dicht gegangen.“ Auf den Tribünen feiern trotzdem 12 800 Zuschauer – das Gros von ihnen ist aus Deutschland gekommen, singt schon bei der Hymne lauthals mit, feiert die Hamburger mit Sprechchören – auch während des eindeutigen Spielverlaufs.
Ehlers macht klar, dass es „uns ein bisschen guttäte, darauf zu gucken, was wir für ein unfassbar geiles Turnier gespielt haben“. Die Sicht der Dinge zu erweitern, hilft. Zu erkennen, dass die Beacher in jedem Match über sich hinaus und nochmals enger zusammengewachsen sind. Schon bei der Party bis in die frühen Morgenstunden drehen sich die Emotionen dann auch in Richtung Freude und Stolz auf die Gesamtleistung in Paris.
Im Zug auf dem Weg in die Niederlande, wo am Mittwoch bereits die EM beginnt, bleibt zudem Zeit, sich die Welle der Euphorie, die sie in der Heimat ausgelöst haben, bewusst zu machen.
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