Mannheim. Es gibt Menschen, von denen weiß man einfach, was man bekommt. Der durch Wind und Wetter gestählte Postbote verteilt nimmermüde seine Briefe, der Konditor von nebenan fertigt auch im 25. Berufsjahr mit großer Liebe seine Torten an – und der Lokführer bringt seine Fahrgäste vielleicht nicht immer pünktlich ans Ziel (was aber zugegebenermaßen eher dem maroden Zustand der Bahn geschuldet ist), sehr wohl aber mit einem großen Verantwortungsbewusstsein.
Nun ist Jannik Kohlbacher weder Postbote noch Konditor oder Lokführer, doch auch von ihm ist seit Jahren bekannt, was man bekommt. Der Kreisläufer der Rhein-Neckar Löwen liefert zuverlässig seine Tore ab. In der Handball-Bundesliga, im Pokal und auch im Europacup, an dem die Löwen in dieser Saison aber nicht teilnehmen, wofür Kohlbacher allerdings in etwa so viel kann wie der Lokführer für die Verspätung. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Leistungsspektrum soll erweitert werden
Zurück also zum Kreisläufer, der seit ein paar Wochen daran arbeitet, sein Leistungsspektrum zu erweitern – und das durchaus spektakulär. Es geht nicht um den Angriff, wo er ohnehin zu den Besten seiner Zunft gehört, sondern um die Abwehr. Dort war bislang die Halbposition sein Arbeitsbereich, was immer gerne vergessen wird, wenn es um die Nationalmannschaft geht und fälschlicherweise behauptet wird, der 27-Jährige könne nicht in der Defensive spielen. Vielleicht machte Kohlbacher sogar eines seiner besten Spiele in der Defensive ausgerechnet im Trikot der DHB-Auswahl. Bei der Heim-WM 2019 in der Nervenschlacht gegen Kroatien.
Der neue Löwen-Trainer Sebastian Hinze wird vermutlich nicht dieses eine Spiel vor Augen gehabt haben, als ihm nun eine besondere Idee kam. Er möchte mehr aus dem Kreisläufer herausholen, ihm eine verantwortungsvolle Rolle im Deckungszentrum, dem Herzstück jeder Abwehr, geben. „Wenn ein Spieler so schnelle Beine hat wie Jannik, muss ein Trainer das nutzen. Er kann das“, sagt Hinze, der zu Beginn der Saisonvorbereitung noch von einer Art Langzeitprojekt sprach. Was man durchaus verstehen konnte.
Denn überspitzt formuliert macht man im Fußball aus einem Weltklasse-Mittelstürmer der Marke Robert Lewandowski ja auch nicht in aller Kürze einen Mann mit Defensivqualitäten wie Virgil van Dijk. Momentan geht aber alles ein wenig schneller als erwartet. Kohlbacher macht in ungewohnter Rolle Entwicklungssprünge statt -schritte, die man vermutlich auch wieder im Testspiel am Donnerstag (19 Uhr) beim Erstligarivalen HSG Wetzlar sehen wird.
„Es läuft überraschend gut. Wichtig ist mir, dass Jannik das Engagement, mit dem er verteidigt, beibehält. Dann kann das von Anfang in der Saison auch eine Option sein“, sagt Hinze, in dessen Handball-Weltbild es schon eine gewisse Bedeutung hat, dass er seine Profis auf beiden Seiten des Spielfeldes einsetzen kann.
Zudem ist es ihm wichtig, sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Entsprechend wenig gibt der 43-Jährige darauf, was einmal war. Er habe schon Spieler gesehen, die hätten in einem Verein nur im Angriff und im anderen nur in der Abwehr gespielt. „So viel zum Thema Spezialisten.“
Kohlbacher findet großen Gefallen an seiner neuen Rolle – und an seiner dadurch noch einmal gewachsenen Bedeutung. „Ich bin für jede Herausforderung offen. Und wir müssen ja nicht drum herumreden, dass es auch für mich von Vorteil ist, wenn ich im Innenblock decke“, sagt der Europameister von 2016 und dürfte dabei ganz gewiss vor allem an die Nationalmannschaft denken.
Dort galten der mittlerweile zurückgetretene Patrick Wiencek und der gerade pausierende Hendrik Pekeler mit ihren Qualitäten in Angriff und Deckungszentrum jahrelang als die absoluten Idealtypen eines Kreisläufers. Dieses Komplettpaket bringt auch der Flensburger Johannes Golla auf Weltklasseniveau mit. Und nun erweitert eben auch Löwe Kohlbacher sein Leistungsspektrum, was Bundestrainer Alfred Gislason sicherlich freuen wird.
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Immer wieder lobt der Isländer die Offensivfähigkeiten Kohlbachers, der beim Mannheimer Bundesligisten im Angriff jahrelang ein spektakuläres Duo mit Spielmacher Andy Schmid bildete. Mit zirkusreifen Einlagen begeisterte das Gespann die Massen, doch nun ist der Schweizer nach seiner Rückkehr in die Schweiz nicht mehr da – und damit fehlt das prägende Element der Offensive. „Natürlich“, sagt Kohlbacher, „ist es für jeden Kreisläufer ein Traum, mit Andy zusammenzuspielen.“ Er hat es ja selbst erlebt. Und davon profitiert.
Doch der Odenwälder will nicht in Erinnerung schwelgen, sondern sich lieber auf die Gegenwart und Zukunft einlassen. Konkret also auf das Zusammenspiel mit den neuen Mittelmännern Olle Forsell Schevfert und vor allem Juri Knorr, der in der Saisonvorbereitung bislang einen blendenden Eindruck hinterlässt und sehr gut mit den Kreisläufern harmoniert. „Der eine oder andere Zauberpass war schon dabei“, freut sich Kohlbacher, der aus Löwen-Sicht am Kreis ein gern gesehener Abnehmer für eben diese Anspiele ist. Und das aus einem einfachen Grund. Man weiß nämlich, was man in der Regel von ihm bekommt: ein Tor.
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