Leichtathletik - WADA durch neue Erkenntnisse alarmiert

146 Medaillen durch Doping-Betrug gewonnen?

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Berlin. Fast 150 fragwürdige Olympia- und WM-Medaillen, über 800 verdächtige Blutproben sowie weitere Doping-Anschuldigungen gegen Russland und Kenia: Neue Enthüllungen einer ARD-Dokumentation erschüttern drei Wochen vor der WM in Peking die internationale Leichtathletik und bringen den Weltverband IAAF in Erklärungsnot.

"Die Dokumentation zeigt, dass der Sport alleine generell mit dem Problem überfordert ist", sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV): "Neben der nachvollziehbaren Aufklärung der Vorwürfe muss die Dopingbekämpfung auch strukturell überprüft werden, ob sie die notwendige Effizienz hat."

Das Kernstück der Dokumentation "Geheimsache Doping, im Schattenreich der Leichtathletik" ist eine Datenbank von über 12 000 Blutproben, die von der IAAF stammen soll. Nach Meinung zweier führender Experten gebe es bei einem Siebtel der Proben Hinweise auf Doping. Ein echter Beweis sei dies allerdings nicht.

Datenbank-Analyse als Basis

Nach Analyse der Datenbank könnte insgesamt ein Drittel aller Medaillen in Ausdauersportarten bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen von 2001 bis 2012 von Sportlern mit verdächtigen Blutwerten gewonnen worden sein. Insgesamt 146, davon 55-mal Gold. In einigen Disziplinen gebe es sogar Verdachtsmomente gegen alle Athleten auf den ersten drei Plätzen.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), die bereits die Anschuldigungen aus einer ARD-Dokumentation im vergangenen Dezember untersucht, zeigte sich nach den neuen Erkenntnissen alarmiert. "Die WADA ist sehr beunruhigt über die neuen Anschuldigungen. Dies wird erneut das Fundament eines jeden sauberen Athleten weltweit erschüttern", sagte Präsident Craig Reedie.

Weltverband schweigt noch

"Die Werte in der Datenbank lassen aus meiner Sicht keinen Zweifel daran zu, dass die Ausdauerdisziplinen bei Weltmeisterschaften und Olympia von Blutdoping durchsetzt waren", sagt der australische Doping-Experte Michael Ashenden in der Dokumentation.

Ashenden und Robin Parisotto hatten unabhängig voneinander die Datenbank ausgewertet. Die Olympiasieger Mo Farah und Usain Bolt sollen nach britischen Medienberichten nicht zu den verdächtigen Athleten zählen.

Die IAAF teilte auf ARD-Anfrage mit, ohne genaue Kenntnis des Datensatzes könne man die Ergebnisse nicht kommentieren, und verwahrte sich gegen den Vorwurf, nicht genug unternommen zu haben. Svein Arne Hansen, Präsident des europäischen Leichtathletik-Verbands EAA, erklärte: "Die Vorwürfe bestürzen uns. Wir fordern die IAAF auf, die Situation aufzuklären." sid

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