Münster. Sascha Hildmann schaut ein wenig ungläubig drein. Auch wenn er dabei lacht. Wobei diese Formulierung einer Untertreibung gleicht. Sie reicht nicht aus, um zu beschreiben, was der Trainer von Preußen Münster in diesem magischen Moment für die Ewigkeit ausdrückte. Und ganz offensichtlich auch fühlt. Denn Hildmann, der Mann der Emotionen, strahlt. Und genießt den Augenblick in vollen Zügen. Es ist das pure Glück, gepaart mit einer gewissen Form von Fassungslosigkeit. Denn so richtig kann der gebürtige Kaiserslauterner nicht glauben, was er da sieht. Und was er im Herzen von Westfalen geschaffen hat. Es ist ein kleines Gesamtkunstwerk. Es ist sein Kunstwerk.
Als bei der Aufstiegsfeier des künftigen Fußball-Zweitligisten der Bus auf den Prinzipalmarkt, der guten Stube Münsters, einbiegt, jubeln Tausende Fans ihren Helden zu. Und sie rufen immer wieder einen Namen: „Sascha Hildmann.“
Der Trainer ist es, der den Traditionsverein schnurstracks von der Regionalliga in die 2. Liga geführt hat. Und bei bestem Wetter spricht er als erster Preuße zu den Fans: „Wir haben zusammen das Wunder von Münster geschafft.“ Die Betonung liegt bei diesem Satz auf „zusammen“. Und nicht auf „Wunder“. Denn Hildmann beschwört seit seinem ersten Tag bei den Preußen den Zusammenhalt - und sorgte damit für ein Münsteraner Fußball-Märchen. Nachdem er ganz unten angefangen war.
Eine ganze Stadt steht hinter dem Club - auch dank des Trainers
Rückblick: Den Absturz der Westfalen aus der 3. Liga im Sommer 2020 kann der damals im Januar gekommene Pfälzer trotz guter Punktausbeute nicht verhindern, zu schlecht war die Bilanz seines Vorgängers Svens Hübscher. Weshalb in der Regionallig ein Neuanfang hermuss. Und zwar einer unter schwierigsten Bedingungen. Denn das Bundesliga-Gründungsmitglied liegt zu diesem Zeitpunkt am Boden. Sportlich. Finanziell. Und vor allem auch emotional. Doch Hildmann bleibt. Will nicht einfach wieder gehen. Sondern den Schaden beheben. Die Richtung vorgeben. Was ihm zusammen mit Sport-Geschäftsführer Peter Niemeyer gelingt.
Im ersten Regionalliga-Jahr sortiert sich der Verein neu, im zweiten verpasst er punktgleich mit Rot-Weiss Essen nur knapp den Drittliga-Aufstieg, der ein Jahr später gelingt. Und jetzt folgt die Krönung.
Niemeyer, einst in der Bundesliga für Darmstadt 98, Hertha BSC und Werder Bremen aktiv, stellt vor dieser Saison einmal mehr einen exzellenten Kader zusammen. Mit Joel Grodowski und dem in Bretten bei Karlsruhe geborenen Malik Batmaz kommen zwei neue Stürmer, beide treffen anschließend 17 Mal. Auch fast alle anderen Neuzugänge schlagen ein. Wieder einmal. Weshalb es nicht sonderlich verwundert, dass Niemeyer das Interesse größerer Vereine auf sich zieht und in diesem Sommer der neue Leiter des Profifußballs bei Erstligist Werder Bremen wird. In Münster nimmt ihm den Abschied keiner übel, die Geschichte wird nun eben ohne ihn fortgesetzt. Aber mit Hildmann.
Götz Alsmann ist Preußen-Münster-Fan und kommt gerne ins Stadion
Der Trainer trägt seit einigen Jahren einen großen Teil dazu bei, dass die Münsteraner wieder stolz auf ihre Preußen sind. Und das nicht nur wegen der Erfolge. Hildmann gibt sich volksnah und bodenständig. Seine Familie wohnt zwar weiterhin in der Pfalz, aber der 52-Jährige identifiziert sich zu 100 Prozent mit dem Verein. Man trifft ihn bisweilen joggend im Stadtteil Gremmendorf oder im Baumarkt. Einen Fan-Abend in einer Kneipe im Kreuzviertel verlässt er nicht einfach, wenn das offizielle Programm beendet ist. Hildmann bleibt. Spricht mit den Menschen. Geht auf sie zu. Tauscht sich aus, trifft den richtigen Ton. Und weckt vor allem Emotionen.
„Alle zusammen für Preußen Münster“, schallt es seit einigen Jahren durch die die baufällige Antik-Arena an der Hammer Straße nahe des Stadtzentrums. Es ist ein Satz, der nicht einfach nur so gerufen, sondern auch gelebt wird. Mit Frontmann Hildmann. Und prominenten Edelfans wie Musiker und Moderator Götz Alsmann auf der Tribüne, der nur unweit des Stadions wohnt.
Der Verein steht wie die Bürger für bestimmte Werte ein
Knapp 12 000 Zuschauer fasst die im Prinzip immer ausverkaufte Heimspielstätte, das Einzugsgebiet des Vereins ist riesig. Natürlich gibt es auch in Münster Fans von Borussia Dortmund und Schalke 04, bis in den „Pott“ sind es aber trotzdem noch 70 Kilometer. Und ein bisschen weiter östlich, nun ja… da spielt Arminia Bielefeld. Ein Verein, der in Münster in etwa so beliebt ist wie Kaiserslautern in Mannheim - und der vor zwei Jahren noch drei Ligen über den Preußen spielte. Nun aber eine Klasse tiefer angesiedelt ist. So schnell kann es gehen. Mit richtigen Leuten. Mit richtigen Entscheidungen.
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In Münster wissen sie allerdings, dass die 2. Liga möglicherweise nur ein einjähriges Intermezzo ist. Gerade aber die Einnahmen aus den TV-Rechten werden helfen, den Club weiterhin zu stabilisieren und professionalisieren. Das Trainingszentrum wurde bereits modernisiert, ein Nachwuchsleistungszentrum gebaut. Eine Grundvoraussetzung für Erfolg. Gerade in Münster. Denn die Ausbildung eigener Spieler gehört zur Identität des Vereins, die zweite Mannschaft ist entsprechend auch in der Oberliga am Ball.
Im Kader beim 2:0 über die Spielvereinigung Unterhaching am Samstag stehen mit Maximilian Schulze Niehues, Simon Scherder, Marc Lorenz, Jano ter Horst und Dennis Grote gleich fünf Profis im Kader, die schon in der Jugend das SCP-Trikot trugen. Vier spielen von Beginn an. Auch das schafft Identität in einer Kommune, die seit Jahren gemeinhin zu den lebenswertesten in Deutschland zählt.
Dauerkartenverkauf in Münster dürfte explodieren
Die Arbeitslosenquote ist in Münster gering, die Kriminalitätsrate niedrig. „Hier fließt noch Milch und Honig durch den Aasee“, scherzt ein Polizist mit Blick auf ein Gewässer samt Naherholungsgebiet im Herzen der Stadt, deren Bürger sich stark gegen Rechtsextremismus engagieren. Bei Bundestagswahlen fährt die AfD traditionell ihr schlechtestes Ergebnis in Münster (2021 waren es 2,9 Prozent) ein. Zum Neujahrsempfang der Populisten vom rechten Rand ließ die Stadt vor einigen Jahren sogar das historische Rathaus verdunkeln. In diesem Jahr gingen zeitgleich 30 000 Menschen auf die Straße und demonstrierten gegen die AfD, als sich die Partei traf. Auch die Preußen zeigen immer Flagge, stehen für kulturelle Vielfalt. Kurzum: Mit den Rechten will in Münster keiner etwas zu tun haben. Mit den Fußballern hingegen schon.
Der Dauerkartenverkauf für die nächste Saison dürfte explodieren - und angesichts der geringen Stadion-Kapazität für Enttäuschungen sorgen. Doch 33 Jahre nach dem Zweitliga-Abstieg - damals übrigens mit einem Talent namens Ansgar Brinkmann als Publikumsliebling - tut sich auch etwas bei diesem Thema. Der Umbau der Antik-Arena in ein reines Fußballstadion mit mehr als 20 000 Plätzen ist eine beschlossene Sache, im April stockte die Stadt ihr Budget dafür noch einmal um 23 Millionen Euro auf insgesamt nun 88,5 Millionen Euro auf. Die Bauarbeiten sollen 2025 beginnen.
Möglicherweise wird das neue Stadion nach der Fertigstellung aber keinen Zweitliga-Fußball sehen. Doch dieses eine Jahr kann den Preußen erst einmal keiner mehr nehmen.
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