Handball

Löwen-Showtraining mit giftigen Grüßen nach Stuttgart

Von 
Marc Stevermüer
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Badewanne statt Berlin: Die Löwen Ilija Abutovic (links) und Ymir Gislason haben Spaß. © Binder

Mannheim. Es gehört zu den Gewohnheiten von Andy Schmid, dass er vor einem Heimspiel der Rhein-Neckar Löwen noch etwas essen geht. So machte es der Schweizer auch am Samstag, als sein Club gegen die Füchse Berlin hätte spielen sollen. Doch wegen mehrerer Corona-Fälle beim Hauptstadt-Verein wurde die Begegnung kurzfristig abgesagt, was Schmid mit Blick auf seine zuvor getätigte Menüauswahl augenzwinkernd bedauerte. „Da hätte ich mir eben im Restaurant auch einen Burger bestellen können“, scherzte der Weltklasse-Spielmacher, für den mit den Teamkollegen statt einer Bundesligapartie ein Showtraining anstand. Denn die meisten der 750 zugelassenen Fans waren schon in der Mannheimer SAP Arena, als die Begegnung abgesetzt wurde.

Knorr brilliert als Fußballer

Die Zuschauer sahen beim Aufwärmprogramm, dass Juri Knorr nicht nur ein exzellenter Handballer ist, sondern warum er in der Jugend auch Gastspieler in der Fußball-Akademie des Hamburger SV war. Der verletzte Torwart Mikael Appelgren bewies zudem erneut, dass er nicht nur ein Ausnahme-Schlussmann, sondern auch ein echter Entertainer mit konsequent guter Laune ist. Der Schwede kommentierte das Geschehen, nicht ohne zu betonen, dass er natürlich auch gut kicken könne. Eine Tatsache, die im Löwen-Kader übrigens fast jeder von sich behauptet und im Falle Appelgren erst noch zu beweisen wäre.

Er selbst ist auf jeden Fall von seinen Qualitäten ausnahmslos überzeugt, selbstbewusst kündigte sich der 32-Jährige deshalb schon mal als „schwedischen Lothar Matthäus“ an – und meinte damit (hoffentlich) ausschließlich die fußballerischen Qualitäten des deutschen Rekord-Nationalspielers.

Keine Frage: Die Löwen und ihre Fans machten das Beste aus der ein wenig surrealen Situation, Geschäftsführerin Jennifer Kettemann fiel es aber dennoch schwer, sich mit der am Freitag in Baden-Württemberg extrem kurzfristig beschlossenen und sehr drastischen Zuschauerbegrenzung anzufreunden. Sie kritisierte die Landesregierung, weil diese die vom Bund beschlossenen Corona-Regeln (maximal 5000 Besucher in Hallen) deutlich verschärfte und die nächsten vier Wochen nur 750 Zuschauer kommen dürfen, was einem Geisterspiel gleicht.

„Ich bin dafür, das Thema ernst zu nehmen und vorsichtig damit umzugehen. Aber die Entscheidungen, die da getroffen werden, sind nicht immer ganz nachvollziehbar. Ich bin fassungslos“, sagte die 39-Jährige und erläuterte ihre Kritik: „2Gplus mit 5000 Zuschauern wäre kein Problem für uns gewesen. Jetzt aber sitzen in einem Theater mit 1500 Plätzen 750 Menschen und in unserer Arena mit mehr als 13 000 Plätzen sitzen auch 750 Menschen. Das erschließt sich mir nicht. Ich dachte, dass da nach fast zwei Jahren differenzierter draufgeschaut wird. Aber anscheinend ist das nicht der Fall.“

Seit Monaten plädiert Kettemann in den Gesprächen mit der Politik dafür, dass bei der Hallenauslastung die Gesamtgröße der jeweiligen Arena berücksichtigt und nicht einfach fixe Obergrenzen wie eben 750 Zuschauer beschlossen werden. Auch andere baden-württembergische Proficlubs argumentieren so, doch fanden sie mit ihren Argumenten kein Gehör. Zur Krönung des nicht selbst verschuldeten Durcheinanders kam für die Löwen dann noch die kurzfristige Absage am Samstag. Kettemann: „Über die vergangenen 48 Stunden können wir ein Buch schreiben.“

Bei den Füchsen waren zunächst drei Profis positiv getestet worden. In ihrem Mannheimer Hotel galt die 2Gplus-Regel, die gesamte Mannschaft musste deshalb in ein Testzentrum. Dort folgte der Schock. Dennoch sollte die Begegnung zunächst wie geplant ausgetragen werden, was den Statuten der Handball-Bundesliga (HBL) entspricht. Es muss gespielt werden, wenn die Hälfte des Kaders einsatzfähig ist. Erneute Schnelltests in der Halle fielen bei weiteren Berliner Spielern allerdings ebenfalls positiv aus, weshalb eine Kettenreaktion nicht mehr auszuschließen war. „Die Gesundheit aller Spieler, auch die der Löwen, hat absolute Priorität“, sagte Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar. Löwen-Co-Trainer Sascha Zollinger sprach von „einer richtigen Entscheidung“, stellte ein wenig ungläubig dreinschauend aber auch fest: „Es gibt in dieser Saison offenbar nichts, was es nicht gibt.“

Hoffen auf „volle Hütte“ im April

In der Tat hat der badische Bundesligist mit Punktverlusten in letzter Sekunde und immer neuen Verletzungssorgen auf der Torwartposition schon viel erlebt – und die Hinrunde ist noch nicht einmal vorbei. Es bleibt also ausreichend Zeit für weitere Überraschungen, wohl aber nicht für eine kurzfristige Nachholpartie gegen Berlin. Vermutlich wird die Begegnung erst 2022 ausgetragen, was Löwen-Trainer Klaus Gärtner mit einer leisen Hoffnung verbindet: „Im April mit voller Hütte – das wäre schon ziemlich cool.“

"Die Entscheidungen, die da getroffen werden, sind nicht immer nachvollziehbar."
Jennifer Kettemann

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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