Mannheim. Hendrik Pekeler vom THW Kiel ist Deutschlands Handballer des Jahres. Im Interview erklärt er, dass er mit der hohen Zielsetzung von DHB-Vize Bob Hanning wenig anfangen kann.
Herr Pekeler, Sie sind handwerklich begabt und hatten zuletzt mit Quarantäne und WM-Verzicht viel Zeit. Was gibt es also Neues, einen Zaun oder ein Klettergerüst?
Hendrik Pekeler: (lacht) Ich bin gerade dabei, ein Häuschen für meinen Rasenmäher und andere Gartengeräte zu bauen. Aber ich komme nicht so richtig weiter. Als wir uns mit dem THW Kiel in Quarantäne begeben mussten, war es so kalt, dass ich den gefrorenen Boden nicht ausheben konnte. Und jetzt verhindert der Spielplan den Bau-Fortschritt.
Ist die Erholung nach dem freien Januar angesichts des momentanen Mammutprogramms schon verflogen?
Pekeler: Das kann ich noch nicht mit ,Ja’ oder ,Nein’ beantworten. Momentan bleibt auf jeden Fall keine Zeit für Regeneration oder ein vernünftiges Training. Gefühlt spiele ich ja gerade mit Kiel so etwas wie meine eigene WM (lacht). Sieben Spiele in 13 Tagen, das ist an sich schon hart. Aber mehr zu schaffen macht uns die Quarantäne davor. Wir waren 14 Tage komplett raus, das Training in den eigenen vier Wänden lief eingeschränkt ab. Entsprechend ist nach dieser Zwangspause fast alles, was man sich zuvor erarbeitet hatte, wieder weg.
Wie finden Sie es, sofort nach einer Quarantäne solch ein Programm aufgehalst zu bekommen? Es blieb ein einziges Training, dann ging es gegen Magdeburg.
Pekeler: Uns wäre sicherlich geholfen gewesen, wenn wir ein, zwei Tage früher aus der Quarantäne gekonnt und ein paar Trainingseinheiten gehabt hätten. So war es praktisch ein Kaltstart – und zwar ein grenzwertiger. Ich fand es mit Blick auf die Gesundheit der Spieler nicht sonderlich verantwortungsvoll, uns nach einer Quarantäne und einem einzigen Training gegen Magdeburg spielen zu lassen.
Es geht nicht anders, sagen Handball-Bundesliga (HBL) und Europäischer Verband (EHF).
Pekeler: Ich verstehe, dass jeder Verband seinen Spielplan durchdrücken will. Aber der Zeitplan ist auf Kante genäht. Im Europapokal sind bereits Spiele am grünen Tisch gewertet worden, weil man sie einfach nicht mehr austragen kann. Aber die Probleme bleiben doch: Was ist, wenn wir im Achtelfinale der Champions League auf Porto treffen? Portugal ist wegen der Corona-Mutation ein Hoch-Risikogebiet. Wie sollen wir da hinreisen, ohne danach in Quarantäne zu müssen? Und wie soll Porto zu uns kommen, ohne in Quarantäne zu müssen? Ich bin gespannt, wie so etwas gelöst wird.
Und wie sehen Sie die Chance, die Liga wie geplant zu beenden?
Pekeler: Normalerweise beginnt in der Bundesliga rund um die Weihnachtstage die Rückrunde. Jetzt haben wir März – und die Hinrunde ist nicht beendet. Uns fehlen jetzt noch 24 Spiele, um die Bundesliga bis Ende Juni abzuschließen. Dazu kommen die Champions-League-Termine. Fakt ist: Wenn wir oder eine andere Mannschaft noch einmal in Quarantäne muss, werden wir die Saison nicht so beenden können, wie sich das die HBL vorstellt.
Nach all den Strapazen reisen Sie an diesem Sonntag ausgelaugt zur Nationalmannschaft, um die Olympia-Qualifikation mit drei Spielen in drei Tagen in Angriff zu nehmen …
Pekeler: Ich habe den Trainingsplan gesehen – und wenn wir Kieler den so durchziehen müssen, werden wir im ersten Qualifikationsspiel gegen Schweden vermutlich keine große Hilfe sein (lacht). Aber Bundestrainer Alfred Gislason weiß das. Wichtig ist, dass wir freitags gegen Schweden voll da sind und wissen, was und wie wir spielen wollen.
Aus Rücksichtnahme auf die Familie haben Sie auf die WM verzichtet. Würden Sie noch einmal so entscheiden?
Pekeler: Wäre die Situation in Deutschland jetzt genauso wie im Dezember, würde ich die Entscheidung noch einmal so fällen. Ich bin nicht nur Handballer, sondern trage als Familienvater auch Verantwortung für eine Frau und drei Kinder. Aber wir haben jetzt eine andere Situation als vor drei Monaten: Die Kitas sind wieder geöffnet, was uns als Familie extrem entlastet. Wären die aktuellen Gegebenheiten genau so schon im Dezember oder Januar gewesen, hätte ich wahrscheinlich die WM gespielt.
Sie haben die WM als TV-Zuschauer verfolgt. Gab es einen Moment, bei dem Sie dachten, jetzt wäre es schön, doch dabei zu sein?
Pekeler: Auf jeden Fall. Als es gegen Ungarn um den Gruppensieg oder eigentlich schon um den Achtelfinaleinzug ging, haben die Hände gekribbelt. Da hätte ich auch Lust gehabt, auf dem Feld zu stehen, weil das die Spiele sind, für die man Handballprofi geworden ist und an einer WM teilnimmt.
Ihr WM-Verzicht ist bundesweit auf sehr viel Verständnis gestoßen. Nur bei Nationalmannschafts-Torwart Andreas Wolff nicht. Er hat Sie und alle anderen Daheimgebliebenen kritisiert.
Pekeler: Zunächst einmal glaube ich nicht, dass dieser Angriff im Verband gut ankam. Die Kritik hat auch der Mannschaft in diesem Augenblick nicht geholfen, sondern nur für Unruhe gesorgt, was ein bisschen unnötig war. Denn zwischen den Verbandsverantwortlichen, Bundestrainer Alfred Gislason und den Spielern, die auf die WM verzichten, war alles geklärt. Das Thema hatte sich also längst erledigt, es war einfach keines mehr – und Andi hat es kurz vor der WM wieder aufgemacht. Das musste man jetzt nicht unbedingt verstehen.
Wie erklären Sie sich das und steht da noch ein klärendes Gespräch mit Andreas Wolff an oder hat es eines gegeben?
Pekeler: Wir kennen doch Andi. Er benötigt ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und vertritt seine Meinung gerne etwas lauter. Das ist aber nichts Neues. Für mich ist das Thema erledigt, weil ich weiß, wie er denkt und wie er tickt. Deshalb brauche ich auch keine Aussprache mehr mit Andi Wolff. Vonseiten des Verbandes und auch von Alfred wurde alles geklärt und auch gesagt, was gesagt werden musste.
Große Hoffnungen ruhen bei der Olympia-Qualifikation in der nächsten Woche auf die Rückkehr von Patrick Wiencek und Ihnen. Sind die Erwartungen überzogen?
Pekeler: Wir sind ganz sicher nicht die Heilsbringer, auch wenn bei der WM die Defensive und das Zusammenspiel mit den Torhütern nicht so gut funktioniert haben. Natürlich kommt mit uns Erfahrung zurück, aber wir treffen trotzdem auf sehr gute Gegner. Slowenien ist eine spielstarke Mannschaft und Schweden kommt als Vize-Weltmeister nach Berlin. Algerien müssen wir sicherlich schlagen. Aber die Olympia-Teilnahme wird für uns in dieser Konstellation kein Selbstläufer.
Nominell ist es die stärkste deutsche Mannschaft.
Pekeler: Wir strotzen aber im Gegensatz zu den Schweden vermutlich nicht vor Selbstvertrauen. Außerdem hat der eine oder andere Spieler von uns gerade auch mit Problemen im Verein zu kämpfen. Es wird darum gehen, all diese Kleinigkeiten in der Trainingswoche irgendwie in den Hintergrund zu drücken. Denn ich bin auch davon überzeugt, dass wir stark genug sind, um zwei Mannschaften hinter uns zu lassen.
DHB-Vize Bob Hanning findet die Deutschen sogar so stark, dass er Olympia-Gold als Ziel ausgerufen hat.
Pekeler: Über Ziele kann man sich unterhalten, wenn man sich qualifiziert hat. Und selbst wenn das gelingen sollte, müssen wir doch so ehrlich sein und mit Blick auf die personellen Möglichkeiten anderer Mannschaften sagen: Für Olympia-Gold kommen andere Nationen eher infrage als wir, wenn ich da an Dänemark, Spanien, Norwegen oder Frankreich denke. Diese Teams sind rein nominell besser besetzt als wir. Uns sehe ich dahinter, was nicht heißen soll, dass wir nicht auch eine Medaille gewinnen können. Aber Stand jetzt kann man diese nicht erwarten. Das wäre unrealistisch.
Eine Qualifikation für Tokio vorausgesetzt. Sie wären dabei?
Pekeler: Ja, davon gehe ich aus, wenn die Situation so bleibt, wie sie jetzt ist.
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