Göppingen. Auch wenn die Rhein-Neckar Löwen Frisch Auf Göppingen gerade eine schmerzhafte 25:27 (14:13)-Niederlage beigebracht hatten, standen die Profis des Mannheimer Handball-Bundesligisten bei den schwäbischen Autogrammjägern weiter hoch im Kurs. Besonders die Nationalspieler Juri Knorr, Patrick Groetzki und Jannik Kohlbacher kamen kaum Richtung Mannschaftsbus oder zogen am Sportlereingang der EWS Arena eine große Traube mit vor allem jungen Handball-Fans hinter sich her, bis die meisten Wünsche für eine Unterschrift oder ein Selfie erfüllt waren.
Albin Lagergren schaffte es dagegen völlig unbehelligt zum vor sich hindieselnden Teamgefährt. Mit einer schwarzen Kapuze über der ebenso schwarzen Löwen-Basecap nahm kaum einer Notiz vom schwedischen Nationalspieler des Tabellenzweiten - wobei es doch gerade er war, der gemeinsam mit Torhüter Joel Birlehm in der Schlussphase dafür sorgte, dass die Löwen bei Frisch Auf noch rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge zogen.
„Ich war sehr schlecht“
Dass ausgerechnet der 30-Jährige im Schwäbischen zum Matchwinner avancieren würde, war nach seiner Vorstellung in den ersten 30 Minuten allerdings so wahrscheinlich wie Frühlingsgefühle im Göppinger Schneegestöber vom Samstagabend. Zwischen unglücklich und unmotiviert wirkend agierte der Linkshänder vom Anpfiff bis zu seiner frühen Auswechslung. Pässe kamen nicht an, die eigene Torgefahr ging gegen null, die Zweikampfbilanz war verheerend. „Ich war sehr schlecht in der ersten Halbzeit“, redete Lagergren erst gar nicht um den heißen Brei herum, aber Aufgeben war keine Option für den Routinier: „Dann hätte ich auch auf der Bank sitzen bleiben können.“
Dass es dazu nicht kam, lag nicht zuletzt an einem taktischen Kniff, mit dem Trainer Sebastian Hinze nach dem 18:21 (48.) und der folgenden Auszeit sein letztes Ass aus dem Ärmel zog: Spielmacher Juri Knorr, der nicht seinen besten Tag erwischt hatte, musste weichen, und in der Folge ließ Hinze im Rückraum mit zwei Linkshändern agieren. Das Zusammenspiel von Weltmeister Niclas Kirkeløkke und Lagergren bekam Göppingen nun nicht mehr verteidigt, das Landes-Derby kippte zugunsten der Badener.
„Wir haben lange viel versucht, bis wir dann was hatten, das funktioniert hat“, beschrieb Hinze die Umstellung, die vor allem Lagergren den entscheidenden Schub gab. Vom 20:22-Rückstand (52.) bis zur 23:22-Löwen-Führung (55.) drehte der Schwede die Partie mit einem Dreier-Pack im Alleingang, fand nun endlich Kreisläufer Jannik Kohlbacher und behielt auch vom Siebenmeterpunkt die Nerven - nachdem Knorr zuvor zwei Mal in Folge erst an Daniel Rebmann und dann am Pfosten gescheitert war. Der Linkshänder hatte offenbar einen großen Schluck aus der Flasche mit der Aufschrift „Selbstbewusstsein“ genommen. Dass er zur Linie geschickt wurde, war dabei allerdings nicht unbedingt geplant.
„Das war ein Bauchgefühl. Irgendeiner rief ’Albin’ von der Bank - und das fand ich gar keine schlechte Idee“, lachte Hinze nach der Partie, der die Leistungssteigerung des Linkshänders treffend als „Faktor“ bezeichnete. „Von da an war er voll da und ist sehr gut mit der Verantwortung im Eins gegen Eins und dem Raum, den er dann hatte, sehr gut umgegangen“, beschrieb der Coach den Auftritt Lagergrens, den auch sein Teamkollege Kirkeløkke hervorhob. „Albin wird nie müde, und wir hatten am Ende einfach mehr Reserven“, war für den Dänen die Schlussphase der Schlüssel zum Sieg. Nun vergaben die Göppinger die klaren Chancen, die im ersten Durchgang noch die Löwen hatten liegenlassen. „Joel hat uns am Ende super geholfen“, gab Lagergren die Komplimente an den Keeper weiter, der sich bei seiner Einwechslung gleich mit einem gehaltenen Strafwurf einführte (49.) und in der Schlussphase sechs von zehn Bällen parierte.
Birlehms starkes Comeback
Nachdem sich der Keeper die Windpocken eingefangen hatte, zuletzt gegen Stuttgart fehlte und erst seit Mittwoch wieder im Training stand, war das der passende Einstand für den 25-Jährigen. Seine eigene Leistung wollte der Nationalspieler allerdings hinter den Auftritt der Mannschaft eingeordnet wissen. „Riesen Kompliment ans Team. Wir haben nie aufgesteckt, obwohl es viele Momente gab, an denen man hätte aufstecken können“, blickte Birlehm auf den teilweise fahrigen Auftritt der Löwen, die sich gegen die bissig und ebenso clever verteidigenden Göppinger lange schwertaten.
„Von einem verdienten Sieg zu sprechen wäre deshalb eine extrem subjektive Sichtweise“, blieb Coach Hinze realistisch, bevor er sich fast ebenso unbehelligt wie „Faktor“ Lagergren Richtung Mannschaftsbus aufmachen konnte.
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