Mannheim. Dallas, welche Überschrift würden Sie der Adler-Saison geben?
Dallas Eakins: Ein Fortschritt. Immer, wenn man versucht, eine nachhaltige Organisation zu bauen, braucht man Geduld für den Prozess. Einfach ein paar neue Spieler zu verpflichten oder am Trainerstab etwas zu ändern, hilft nichts. Du kannst da nicht einfach einen Schalter umlegen. So sehr das Aus immer noch schmerzt, bin ich stolz auf unsere Spieler, die Trainer und die Organisation. Wir sind eine Einheit, lassen uns nicht auseinanderbringen. Im Club herrscht nicht so viel Unruhe wie zuvor.
In welchen Bereichen machen Sie einen Fortschritt aus?
Eakins: Vor dem Saisonstart hatte ich gesagt, dass wir die Runde auf keinen Fall wieder mit einer negativen Tordifferenz beenden wollen. Das ist uns gelungen. Wir mussten uns diesmal auch nicht über die Pre-Play-offs fürs Viertelfinale qualifizieren, haben uns in der Runde der Top Acht sogar durchgesetzt. Ich weiß, dass die Erwartungen hoch sind. In meinen Augen haben wir aber sogar etwas mehr erreicht als gedacht. Bei vielen geht es um das Gewinnen oder Versagen. Das ist eine gefährliche Sichtweise. Wir haben in der Organisation ein neues Klima geschaffen, darauf werden wir aufbauen.
Wir spielen ein ähnliches System wie Berlin, müssen unser Team aber mit Torgefahr ergänzen
Haben Ihnen die Eisbären Berlin aufgezeigt, in welchen Bereichen sich die Adler am meisten verbessern müssen?
Eakins: Jede Mannschaft in unserer Liga ist gefährlich. Ich möchte drei Teams nennen, die wesentliche Bestandteile haben, um zu gewinnen: Berlin hat das komplette Paket, ein gutes Torhütergespann, eine solide Defensive, ein gutes System und drei Reihen, die scoren können. Ingolstadt kommt über die Offensive. Teams, die mehr Tore schießen als Fehler machen, sind gefährlich. Die Tampa Bay Lightning waren über einige Jahre so eine Mannschaft. Und da gibt es noch Bremerhaven mit zwei unglaublich guten Torhütern und einem Powerplay, das dich auseinandernehmen kann. Zudem geben sie in der Defensive kaum etwas her. Um zur Frage zurückzukommen: Wir spielen ein ähnliches System wie Berlin, müssen unser Team aber mit Torgefahr ergänzen. Das braucht Zeit, weil es keine einfache Formel gibt. Wir benötigen Spieler, die zu unseren besten Spielern werden können.
Was ist der größte Unterschied zwischen Eishockey in Nordamerika und in Deutschland?
Eakins: Ich bin immer noch beeindruckt von der Macht, die Spieler in Deutschland haben. Wenn du in der NHL, der besten Liga der Welt, nicht einen Kontrakt abschließt, der eine Klausel beinhaltet, dass du nicht transferiert werden kannst – und eine solche haben nur wenige Topstars wie Austin Mathews von den Toronto Maple Leafs –, kannst du überall hingeschickt werden. In Deutschland haben alle Spieler so eine „No-Trade-Klausel“. Das ist ein Grund dafür, warum der Umbau eines Kaders nicht von heute auf morgen gehen kann.
Laut der offiziellen Adler-Kaderübersicht laufen 17 Verträge aus. Was bedeutet das?
Eakins: Um ehrlich zu sein, sind es nicht so viele. Einige Spieler haben noch bestehende Verträge aus der Vergangenheit.
Hat Berlin in den vergangenen Jahren einen besseren Job bei der Suche nach guten Importspielern gemacht?
Eakins: Ja, Ty Ronning ist ein unglaublicher Spieler, aber die Eisbären haben ja nicht nur ihn! Ronnings Entwicklung ist unglaublich, er will jeden Tag besser werden. Du willst ihn als Teamkollegen, als Bruder, als Sohn. Er allein hat Jungs wie Pföderl oder Tiffels besser gemacht. Sie sehen seine Einstellung und orientieren sich daran. Ronnings offensiven Instinkte kann man nicht lernen, sie haben NHL-Level. Die Importspieler sind sicherlich wichtig, aber der deutsche Kern ist genauso wichtig.
Wie gehen Sie die Suche nach dem richtigen Spieler an?
Eakins: Ich schaue ihn mir so oft wie möglich an, um mir ein Bild von ihm zu machen. Und ich hole ganz viele Meinungen von Menschen aus dem Eishockeygeschäft ein, denen ich vertraue. Das Wichtigste ist, dass er ein Wettkampftyp ist. Dann müssen wir erkennen, ob er eine Stärke hat, die uns weiterbringt – sein Talent, seine Geschwindigkeit etwa. Da es nichts bringt, sich nur auf die Statistiken der Spieler zu verlassen, greifen wir auf ein hervorragendes Scouting-Team um Todd Hlushko zurück. Nach meiner Rückkehr in die USA werde ich meine Familie nur wenige Tage sehen, dann setze ich mich ins Auto, um mir so viele Spiele wie möglich anzuschauen. Ich werde mir Partien in der American Hockey League genauso anschauen wie die deutsche U 18 bei der WM, auch ein Besuch der Herren-WM steht auf meiner Liste. Diese Arbeit endet nie.
Ist es auch ein Ziel, den Konkurrenzkampf bei den U-23-Spielern anzufachen?
Eakins: Ich mag die U-23-Regel nicht. Wenn Spieler wissen, dass sie immer spielen werden, komme, was wolle, ist das nicht gut. Ich möchte mehr Spieler bei uns unter Vertrag haben und sie gegebenenfalls zu Clubs schicken, bei denen Trainer arbeiten, denen wir vertrauen. Ich werde keinem Team aus der DEL2 oder der Oberliga sagen, dass ich ihnen einen Spieler schicke und der 15 Minuten spielen muss. Ich will nur, dass er eine faire Chance erhält, sich die Eiszeit zu verdienen. Unser Nachwuchsprogramm ist exzellent, die U 20 hat gerade den Titel gewonnen. Unser Ziel muss es sein, diese jungen Spieler nachhaltig zu fördern. Ich respektiere die Auf- und Abstiegsregelung, die in Deutschland eine so große Tradition hat. Sie hilft der Nachwuchsförderung aber nicht gerade. Die Clubs, die hinten drinstehen, schrecken davor zurück, jungen Spielern eine Chance zu geben, weil über ihnen das Damoklesschwert Abstieg hängt.
Was muss verändert werden, damit die Lücke zwischen der U20 und der DEL verkleinert wird?
Eakins: Das ist eine Mammutaufgabe. Ich habe mir deswegen sogar Gedanken darüber gemacht, wie teuer es ist, eine Oberliga-Mannschaft zu unterhalten. Daniel Hopps Bekenntnis nicht nur zu den Adlern, sondern auch zum deutschen Eishockey ist unglaublich. Nachdem ich das ausgerechnet hatte, bin ich mit den Zahlen zu ihm gegangen und er hat gesagt: ,Okay, lass uns das machen!‘ Ein Oberliga-Team wäre zwar eine gute Brücke, aber nachdem ich hochgerechnet hatte, wie viel Geld ich nach fünf Jahren dafür ausgegeben hätte – und das wäre viel Geld gewesen –, habe ich mir die Frage gestellt, was der Ertrag gewesen wäre. Ich war mir nicht sicher, dass Aufwand und Ertrag in einem gesunden Verhältnis stehen.
Lassen Sie uns zur Mannschaft für die nächste Saison kommen. Die Dallas Stars halten die Rechte an Arno Tiefensee. Können Sie mit Ihrem jungen Torhüter planen?
Eakins: Ich habe einige Male mit Jimmy Nill, dem General Manager der Stars, darüber gesprochen. Und ich verstehe, wie NHL-Clubs arbeiten: Sie treffen ihre Entscheidung, wenn sie diese treffen wollen. Am Anfang der Saison waren sie noch nicht so weit. Die Stars haben alle Zeit der Welt. Und ich bin der Meinung: Wenn du Zeit hast, dann nutze sie! Arno hatte ein tolles Jahr. Ich habe ihn nach dem Halbfinal-Aus gefragt, was er machen will, und seine Antwort hat mich stolz gemacht. Er hat gesagt, dass er natürlich irgendwann in der NHL spielen will, dass er aber auch weiter hier sein Bestes geben wird, wenn Dallas meint, dass er mehr Zeit in Mannheim benötigt. Ich liebe es, wie er denkt, denn genauso muss man denken. Das hängt also in der Luft.
Das macht Ihre Arbeit aber nicht unbedingt leichter.
Eakins: Wir kennen die Situation seit Monaten und schauen uns die Liste der verfügbaren Torhüter an. Wir werden damit klarkommen.
Ist Alexis Gravel ein Thema, den Sie zur Absicherung verpflichtet haben?
Eakins: Er ist ein guter Torhüter, hat hart an sich gearbeitet und steht auf der Liste. Er würde von einem deutschen Pass profitieren, hat den Status aber nicht, obwohl er in Berlin geboren wurde. Ähnliches gilt für unseren Verteidiger Tim Lovell. Wenn er einen deutschen Pass bekäme, könnte er eine gute DEL-Karriere hinlegen. Einfach nur in Deutschland geboren zu sein, reicht nicht aus, um einen deutschen Pass zu bekommen.
Dallas Eakins
- Dallas Eakins wurde am 27. Februar 1967 in Dade City, Florida (USA) geboren .
- Als Spieler kämpfte er sich über die kanadischen Juniorenligen bis in die Profiliga NHL .
- Dort arbeitete Eakins auch als Trainer – bis 2023 als Chefcoach der Anaheim Ducks .
- Ende November 2023 löste Eakins den Schweden Johan Lundskog als Trainer der Adler Mannheim ab . Er übernahm auch die Aufgaben von Sportmanager Jan-Axel Alavaara.
- Im Mai 2024 verlängerte Eakins seinen Vertrag bei den Adlern als Trainer und Sportmanager um drei Jahre .
Können Sie bestätigen, dass Nicolas Mattinen die Adler-Abwehr ergänzt?
Eakins: Ich habe mich sehr gefreut, als er das Angebot aus der Organisation der Toronto Maple Leafs erhalten hat. Ich weiß aber, wie es dort abläuft, denn ich habe selbst in Toronto gearbeitet: Es richten sich alle Augen auf dich, damit musst du umgehen können. Nicolas hat ein hartes Jahr hinter sich, wir kontrollieren seinen Vertrag. Wir werden die Gespräche intensivieren, wenn die Saison auch in Nordamerika vorbei ist.
Zach Solow und Joey Blandisi, Mattinens Teamkollegen beim AHL-Club Toronto Marlies, werden mit den Adlern in Verbindung gebracht. Was können Sie dazu sagen?
Eakins: Blandisi hat schon für mich gespielt. Ich musste lachen, als das Gerücht aufgetaucht ist, weil er mich vor zwei Monaten aus heiterem Himmel angeschrieben hat. Er wollte mit seinem Team den gleichen Tiefsee-Angelausflug vor San Diego machen, den ich mit meiner Mannschaft und ihm unternommen hatte. Ich würde nicht zu viel auf diese Gerüchte geben.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Eakins: Über ein Thema würde ich noch gerne sprechen.
Welches?
Eakins: Ein Thema, das wir klären müssen, ist das mit Samuel Soramies, das ich bislang unter dem Radar gehalten habe. Wir kennen die Geschichte: Er wurde verpflichtet, bevor ich nach Mannheim kam. Er hat aber nicht zu dem gepasst, was wir meiner Meinung nach gebraucht haben. Ich habe die ganze Zeit mit ihm und seinem Agenten offen kommuniziert. Er kam ins Trainingscamp und hat hart trainiert. Mein Plan war allerdings, ihn nicht zu lizenzieren. Aber da er so viel investiert hat und wir noch eine Lizenz übrig hatten, habe ich mich umentschieden. Nach der Länderspielpause im Februar habe ich zur Mannschaft gesprochen. Ich sagte: Das ist unsere Gruppe. Wenn ihr nicht in der Aufstellung steht, müsst ihr alles geben, um bereit zu sein. Sam ist danach auf mich zugekommen und hat mich darüber informiert, dass das alles an ihm zerrt und mich gefragt, ob er aus persönlichen Gründen die Mannschaft verlassen könne. Er wolle keine Ablenkung sein. Wir haben ihm diesen Wunsch erfüllt. Während der Saison haben mich mehrere Clubs angerufen und sich nach Sam erkundigt. Er hat immer gesagt, dass er hierbleiben will. Straubing hat ihn gefragt, ob er den Spengler Cup mit den Tigers absolvieren möchte, auch dieses Angebot schlug Sam aus. Das wäre eine tolle Möglichkeit für ihn gewesen. Wir müssen das klären und für ihn eine Lösung finden.
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