Kolumne

Niemals geht man so ganz

Wenn Amateurfußballer ihre Karriere beenden, geht es oft trotzdem noch weiter

Von 
Claudio Palmieri
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Auch der Ur-Bibliser Patrick Wagner lässt sich nach seinem offiziellen Karriereende ein Hintertürchen offen. © Berno Nix

Ried. Wenn Fußballprofis ihre Karriere beenden, ist eine offizielle Verabschiedung im Stadion mit Bilderrahmen und Blumenstrauß schon seit Jahren gang und gäbe. Auch auf Amateursportplätzen sind solche Szenen immer häufiger zu sehen. Mit einem Unterschied: Von einem Ende der aktiven Laufbahn kann in vielen Fällen nicht die Rede sein.

„Das Telefon wird irgendwann bimmeln“, sagt Patrick Wagner und lacht. Der frischgebackene Torschützenkönig der C-Liga (41 Tore) wurde am letzten Heimspieltag beim FV Biblis verabschiedet – jenem Verein, bei dem der 31-Jährige seine ganze Karriere verbrachte. Wagner weiß aber genau: Sobald Erstmannschaftstrainer Torsten Schnitzer oder 1b-Coach Lukas Berg anruft, ist es vorerst wieder vorbei mit der Fußballrente.

„Ich werde auch ab und an in der Vorbereitung vorbeischauen. Ich will ja fit bleiben“, erklärt der Ur-Bibliser, der sich vielmehr im Standby-Modus sieht. „Die Fußballschuhe ganz an den Nagel zu hängen – das kann ich nicht. Sogar meine Freundin sagt, dass ich den Fußball als Ausgleich brauche“, meint Wagner. Und merkt vielsagend an: „Mal schauen, wie viele Spiele ich nächstes Jahr mache.“

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Von
Marc Stevermüer
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Warum er überhaupt von einem Karriereende spricht, wird im Gespräch mit Wagner trotzdem schnell deutlich. Der Mechatronikermeister zählt mehrere Beispiele auf, die zeigen, wie viel vor allem Wochenendarbeiter in Kauf nehmen, um sonntags ihrem Hobby nachgehen zu können. „Vor dem Spiel gegen Birkenau neulich bin ich um 16 Uhr zur Nachtschicht gefahren“, berichtet Wagner: „Um 6 Uhr morgens war ich zu Hause und bin noch kurz mit dem Hund raus. Um 6.30 Uhr war ich im Bett, um 11 Uhr war wieder Treffpunkt.“

Zwei Wochen vorher hatte Wagner morgens bei der Konfirmation seiner Schwester Pate gestanden. Das Festessen ließ er sausen, um rechtzeitig auf dem Sportplatz zu erscheinen. „Für solche Dinge will ich mir künftig mehr Zeit nehmen“, kündigt er an. Ein Nein ging für den Torgaranten oft mit einem schlechten Gewissen einher: „Wenn ich nicht dabei bin, in die Whatsapp-Gruppe schaue und sehe, dass wir zurückliegen, sage ich mir: ‚Ach, hätte ich doch gespielt.’“

Bajrami: „Ganz aufhören ist für mich kein Thema“

Ein Knorpelschaden im Knöchel – eine OP ist vorerst nicht nötig – und eine Bänderverletzung, die er bei einem Skiurlaub im Februar erlitt, erleichterten Wagner die Entscheidung, künftig kürzerzutreten. „Es wird jetzt nicht mehr so sein, dass ich gezwungen bin, ins Training zu gehen und Spiele zu machen“, erläutert der Schichtarbeiter.

Mit seiner Vorgehensweise ist Wagner in Biblis nicht alleine. Auch Patrick Jakob und Kevin Gumbinger wurden verabschiedet. Für den bisherigen Erstmannschaftsspieler Jakob wird es wohl in der C-Liga bei der SG BiNoWa weitergehen. Der frühere 1b-Kapitän Gumbinger soll Coach Berg unterstützen – und bei Bedarf ebenfalls wieder das Trikot überstreifen.

Für ein Karriereende auf Raten entschied sich auch Flamur Bajrami. Nach dem Last-Minute-Klassenerhalt mit Eintracht Bürstadt vor zwei Jahren wollte sich der Kapitän des damaligen Gruppenligisten mehr Zeit für seine Familie nehmen. Das gelang zunächst nicht ganz so gut: Ende 2022 sprang er als Interimstrainer in Bürstadt ein. In der Rückrunde kam er dann unter dem neuen Chefcoach Karl-Heinz Göbel sogar wieder regelmäßig zum Einsatz.

Mittlerweile hat der 37-Jährige in der zweiten Mannschaft seinen Platz gefunden. „Ganz aufhören ist für mich kein Thema. Das brauche ich als Ausgleich. Außerdem geht es meinen Knochen gut, auch wenn die C-Liga etwas mehr wehtut als die Gruppenliga“, sagt der Familienvater, der von einer „Motivationssache“ spricht: „Viele hören auf, wenn sie ein Haus bauen oder Väter werden. Aber ganz ehrlich: Ich habe zwei Kinder, eine Firma und finde auch immer Zeit.“ Selbst ein weiteres (Kurzzeit-)Comeback in der „Ersten“ schließt Bajrami nicht aus. Aus einem einfachen Grund: „Wenn du in der 1b spielst, kannst du nicht Nein sagen, wenn die erste Mannschaft dich braucht.“

Freier Autor Geboren in Viernheim, aufgewachsen in Bürstadt. Freier Mitarbeiter seit 2009

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