Fußball

Waldhof-Analyse: Hat Trainer Neidhart Recht mit seiner Kritik?

Trotz seiner Kritik an der Vereinsspitze bleibt Waldhof-Trainer Christian Neidhart zumindest vorerst im Amt. Mit welchen Punkten hat der SVW-Coach Recht? Eine Analyse

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Alexander Müller
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Die Sportliche Leitung beim SV Waldhof pflegt ein vertrauensvolles Verhältnis: Trainer Christian Neidhart (l.) und Geschäftsführer Tim Schork. © Michael Ruffler/PIX

Mannheim. Auf das sportliche Debakel folgte ein PR-Fiasko. Am Tag nach der deprimierenden 1:3-Niederlage gegen Abstiegskandidat VfB Oldenburg klärte der SV Waldhof mit einem Beitrag in den Sozialen Netzwerken den Zweck der Reise auf, die Präsident Bernd Beetz am Sonntagmorgen mit seiner Privatmaschine von Paris nach Mannheim unternommen hatte. Er sei keineswegs zu einer Krisensitzung wegen der Trainerfrage in die Heimat geflogen, sondern um seiner Mutter kurz zum Muttertag zu gratulieren. Ein Bild mit lächelndem Beetz und Blumenstrauß inklusive.

Am Nachmittag ging es für Beetz laut der Mitteilung mit Geschäftsführer Markus Kompp weiter nach Österreich, wo sich die Waldhof-Spitze das Spiel des Linzer ASK gegen Red Bull Salzburg anschaute und sich über den dortigen Stadionneubau informieren wollte. Das Echo in den Kommentarspalten auf das Posting des SVW: verheerend. „Auch noch hochnäsige Beiträge verfassen, passt derzeit zum Klub“, schrieb einer.

Christian Neidhart leitet normales Sonntagstraining

Beim SV Waldhof droht sich in diesen Tagen ein seit Saisonbeginn existentes explosives Gemisch endgültig zu entzünden. Teile der Fans haben Trainer Christian Neidhart als Sündenbock für den verpassten Zweitliga-Aufstieg auserkoren, ablesbar an lauten „Neidhart-raus“-Rufen nach der Oldenburg-Schlappe am Samstag. Der Coach selbst übernahm die sportliche Verantwortung für den unübersehbaren Abwärtstrend, der sich in sieben Niederlagen aus den vergangenen neun Spielen, bereits 61 Gegentoren und nur Platz acht in der Rückrundentabelle manifestiert.

Aber was Neidhart nicht auf sich sitzen lässt: „Ich möchte hier nicht der Prügelknabe für alles sein.“ 13 Minuten lang redete sich der 54-Jährige am späten Samstagnachmittag vor Medienvertretern den Frust von der Seele. Es ging um fehlende Rückendeckung von der Vereinsspitze, mangelnde Fortschritte beim Ausbau der Infrastruktur und eine Erwartungshaltung im Umfeld, die nicht von der Realität gedeckt sei.

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Der emotional mitgenommene Neidhart erzählte eine Geschichte von Anspruch und Wirklichkeit beim SV Waldhof. Als er fertig war, stand die Frage im Raum, ob sich Beetz diese Kritik gefallen lässt – oder es zu einer Trennung kommt.

Am Sonntagnachmittag sah es so aus, als werde Neidhart zumindest bis Saisonende im Amt bleiben. Der 54-Jährige leitete am Morgen wie üblich das Training am Alsenweg und fuhr danach zu seiner Familie nach Osnabrück. Am Dienstag um 14 Uhr steht die nächste reguläre Trainingseinheit an.

„Es muss ja auch uns als Trainerteam Spaß machen, in einem Verein zu arbeiten und Rückendeckung zu haben. Diese Rückendeckung habe ich hier leider nicht gespürt“, hatte Neidhart am Samstag gesagt. Er fühle sich allein gelassen. „Grundsätzlich muss man sich überlegen, ob man hier einen Trainer hat, mit dem man zusammenarbeiten möchte. Dass man auch gewisse Dinge von der obersten Front klärt, sich auch mal schützend vor den Trainer stellt. Wenn man das nicht kann, muss man sich zusammensetzen und eine Lösung finden. Ich hätte mir schon nach vielen Spielen mal ein Statement erwartet. Das ist nicht passiert.“ Beetz und Kompp äußerten sich auch am Sonntag nicht. Sie waren mit dem Muttertag und ihrem Trip nach Graz beschäftigt. Sportchef Schork war bis zum Abend nicht zu erreichen.

SV Waldhof - an vielen Stellen nicht professionell genug aufgestellt

Die Fragen, die bei einer fairen Bewertung von Neidharts Arbeit zentral sind, lauten: Welchen Anteil hat der Trainer selbst daran, dass es letztlich nicht für ganz oben gereicht hat? Inwieweit ist Neidhart aber auch ein Stück weit das Opfer anderer Umstände, die er nicht zu verantworten hat? Und da zeichnet sich dann ein deutlich differenzierteres Bild. Wenn man das große Ganze kennt, wird es deutlich schwieriger, die Verantwortung für die schlechte Stimmung rund um den SVW nur Neidhart in die Schuhe zu schieben.

Das Grundproblem ist die Zielsetzung und die damit ausgelöste Erwartungshaltung. Beetz und auch Kompp („Ab sofort heißt es: Wir werden jedes Spiel gewinnen“) vermittelten den Eindruck, dass der Aufstieg in die 2. Liga in dieser Saison ein absolut realistisches Ziel sei. Neidhart ging dabei anfangs mit, musste aber schnell erkennen, dass der SVW auch im vierten Jahr in der 3. Liga an vielen Stellen nicht professionell genug aufgestellt ist.

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Die veraltete Infrastruktur auf dem Trainingsgelände am Alsenweg wartet weiterhin auf die dringend benötigte große Modernisierung – an frostigen Tagen im Winter musste der SVW sogar in ein Soccercenter ausweichen. Rasenplätze, Krafträume, Duschen, Besprechungszimmer – alles weiterhin weit entfernt von den Erfordernissen des Profifußballs.

Verantwortlich für diesen Bereich ist Kompp, der seit seinem Umzug in die Nähe von Stuttgart aber nicht mehr allzu häufig am Alsenweg präsent sein soll. Dass teilweise Hotels bei Auswärtsfahrten Vorkasse verlangt haben sollen, weil die Rechnung aus der Vorsaison noch nicht beglichen worden sei, und einige Berater weiter auf ihnen zustehende Provisionen warten müssen, spricht sich in der Szene ebenfalls herum. Und gereicht dem SV Waldhof sicher nicht zum Vorteil.

Beim Etat nur im Mittelfeld

Finanziell können die Mannheimer außerdem deutlich kleinere Sprünge machen, als mancher großspurige Spruch von der Spitze der GmbH vermuten lässt. Im Etatranking der 3. Liga steht der SVW nach Informationen dieser Redaktion nur im Mittelfeld, selbst Konkurrenten wie Wehen Wiesbaden oder Viktoria Köln stechen die Kurpfälzer im Werben um interessante Spieler regelmäßig locker aus. Neidhart will sich zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vereins nicht konkret äußern, er meinte mit Blick auf das ausgegebene Ziel 2. Liga am Samstag nur: „Wer A sagt, muss auch B sagen. Man kann nicht immer nur sagen: Ich will aufsteigen. Alles, was dazugehört, muss ich dann auch machen als Verein.“

Das sind zusätzliche Erklärungsansätze, aber natürlich keine Ausrede oder gar Rechtfertigung für peinliche Auftritte wie am Samstag gegen Oldenburg. Neidhart muss sich ankreiden lassen, die Abwehrproblematik im kompletten Saisonverlauf nie dauerhaft in den Griff bekommen zu haben und dem Team generell seine seltsame Wankelmütigkeit nicht ausgetrieben zu haben.

Ob der Trainer die Chance bekommt, das in der neuen Saison besser zu machen, dürften auch die beiden noch ausstehenden Spiele entscheiden. Am Freitag geht es zum TSV 1860 München, am letzten Spieltag gegen den MSV Duisburg. Auch die Mannschaft selbst kann jetzt für ihren Trainer spielen.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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