Mannheim. Im Frühjahr 2020 beendete Hartmut Krämer ein Interview mit dieser Redaktion mit einem ganz besonderen Vorsatz: „In zwei Jahren bin ich 80. Es ist schon ein Ziel, dann in der neuen Startklasse den ein oder anderen Rekord aufzustellen.“ Damals waren wegen des ersten Lockdowns gerade die Leichtathletik-Europameisterschaften der Senioren abgesagt worden. Doch der spätberufene Sprinter von der DJK Käfertal-Waldhof, der zwischen 2017 und 2019 neben zahlreichen deutschen Titeln elfmal bei Europa- und zweimal bei Weltmeisterschaften auf dem obersten Podest stand, hatte wohl hellseherische Fähigkeiten. Am 19. März 2022 feierte er seinen 80. Geburtstag - am 30. Juni gewann er bei der Senioren-WM im finnischen Tampere dann Gold über 100 Meter in der Weltrekordzeit von 14,31 sec. Zwei weitere Titel holte er in Finnland auf den 200 Metern (31,55 sec) und mit der 4x100-Meter-Staffel.
Es war eine Bestzeit mit Ansage. Schon bei einem Sportfest Anfang Februar in Ludwigshafen hatte er mit dem deutschen Rekord über 60 m (8,73 sec) eine hervorragende Frühform bewiesen, die er bei der Hallen-EM Anfang März im portugiesischen Braga mit drei Siegen über 100 m, 200 m und 4 x 200 m noch toppte - obwohl er damals auf internationaler Ebene noch der Altersklasse M 75 zugerechnet wurde.
„Im Gegensatz zu Deutschland zählt international der tatsächliche Geburtstag, nicht das Jahr.“ Danach fühlte sich der ehemalige Apotheker aus Käfertal so gut, dass er bei der WM die Bestzeit in M 80 unbedingt wollte. „Ich war im Training oft schneller als der bisherige Weltrekord von 14,35 sec.“, war der Senioren-Sprinter zuversichtlich.
Auch die 200 m-Marke im Visier
Doch acht Wochen vor den Wettkämpfen erlitt er einen Einriss an einer Sehne der Fußsohle. Dreieinhalb Wochen war an Lauftraining nicht zu denken, der Leichtathlet konzentrierte sich ganz auf Krafttraining oder Ausdauer auf dem Ergometer. „Ohne diesen Rückschlag wäre ich sicher noch schneller gewesen“, ist Krämer überzeugt. Dennoch stimmte während der zwei Wochen in Tampere alles. „Wir hatten eine schöne Zeit, haben außer dem Stadion auch viel anderes gesehen.“
Der für Finnland ungewöhnlich heiße Sommer kam ihm gerade recht, den Vorlauf ließ er in 14,42 sec noch etwas gemächlich angehen, war aber der einzige der Konkurrenten unter 15 Sekunden. Ein Zwicken in der Wade massierte ihm Ehefrau, Trainingspartnerin und Physiotherapeutin Gudrun Stöckel-Krämer weg. „Am nächsten Tag blies ein leichter Rückenwind, wir hatten etwa 35 Grad - genauso wie ich es mag.“ Wegen der Fußverletzung startete er etwas verhalten und aus dem Stand. „Doch nach sechs Metern wusste ich, dass ich schnell unterwegs bin und nichts zu befürchten habe.“ Mit deutlichem Vorsprung kam er nach 14,31 sec ins Ziel, vor Jamie Leon (Portugal, 14,88) und seinem DLV-Kollegen Manfred Arnd (15,23). „Dass es dann auch zum Weltrekord gereicht hat, ist fantastisch“, jubelte Krämer.Bei seinem zweiten WM-Titel über 200 Meter ging es ihm nur um Gold, nicht um die Zeit - noch nicht. „Es war ein toller Lauf, ich konnte mich an Jamie Leon orientieren, 80 Meter vor dem Ziel habe ich dann Gas gegeben.“
Doch bevor Hartmut Krämer am Jahresende zumindest international in Sportrente geht, peilt er Mitte September bei den deutschen Meisterschaften im bayerischen Erding noch einmal eine Weltbestzeit an - die über 200 Meter. „Die hat seit 2012 ein Japaner. Seine 29,54 Sekunden bin ich im Frühjahr auch schon gelaufen“, ist er noch einmal angriffslustig.
Den deutschen Hallenrekord hat er seit der Hallen-EM in Braga bereits (29,50 sec). „Wenn mich meine Corona-Erkrankung, die ich von der WM mitgebracht habe, nicht zu weit zurückwirft, bin ich zuversichtlich, dass es im September mit dem Weltrekord klappt.“
Der Sport wird im Hause Krämer 2023 auch ohne internationale Auftritte weiter eine große Rolle spielen. „Wir trainieren weiter, ich starte auch noch bei einigen Sportfesten. Und wir werden sicherlich bei großen Wettkämpfen als Zuschauer dabei sein“, will das Ehepaar laut Krämer vor allem die weltweiten Freundschaften pflegen. Aber es wird sich auch mehr auf seinen im Mai gegründeten Förderverein „Jugendhilfe in Bewegung e.V.“ konzentrieren.
„Anderen zu helfen wird in Zukunft ein Teil unseres Lebensinhaltes sein. Wir wollen Jugendliche unterstützen, denen es nicht so gut geht. Wir verteilen Sportwunschzettel, wollen ihnen damit helfen, eine Sportart zu finden. Wir werden mit entsprechenden Vereinen Verbindung aufnehmen, die Beiträge zahlen und auch für die Ausrüstung aufkommen. Das Geld kommt derzeit noch von unserer Familie“, erläutert Krämer. Das Problem ist, an die Zielgruppe heranzukommen. „Wir haben zwar zu verschiedenen sozialen Einrichtungen Kontakt, erhalten aber keine Adressen“, hofft er, dass die Wunschzettel dennoch bei den Richtigen ankommen.
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