Mannheim. Die Stimmung war gelöst, als die Profis des SV Waldhof am Montag zum ersten Training nach dem erlösenden ersten Saisonsieg gegen den VfL Osnabrück (3:2) am Alsenweg zusammenkamen. Doch viel Zeit, sich über den kleinen Befreiungsschlag zu freuen, bleibt den Mannheimern nicht. Schon am Mittwoch (19 Uhr) geht es bei Aufsteiger Alemannia Aachen weiter. Wir fassen die fünf Erkenntnisse aus dem märchenhaften Waldhof-Comeback von Trainer Bernhard Trares am Samstag zusammen.
Die Rückkehr von Aufstiegsheld Bernhard Trares flutet den SV Waldhof mit positiver Energie. Das sieht man auf dem Platz und spürt man den auf den Rängen. Ein Faustpfand für den weiteren Saisonverlauf.
„Wir kommen aus einer Phase der Negativität“, sagte Sportchef Anthony Loviso. Die zuletzt schlechte Stimmung unter Marco Antwerpen ist durch die Verpflichtung des populären Aufstiegstrainers Trares wie weggeblasen. Der 59-Jährige bringt aus glorreichen alten Zeiten einen riesigen Kredit und Vertrauensvorschuss mit. Die packende Atmosphäre im Carl-Benz-Stadion in der Schlussphase des Osnabrück-Spiels weckte Erinnerungen an emotionale Waldhof-Auftritte unter Trares wie beim 4:3 gegen Chemnitz in der ersten Drittliga-Saison.
Diese wieder wohlwollendere Stimmung überträgt sich auch auf die Mannschaft, die nach dem völlig verkorksten Saisonstart und den Turbulenzen der vergangenen Wochen noch einige Päckchen mit sich herumschleppt. Ein leidenschaftliches Aufbäumen gegen eine Niederlage wie gegen Osnabrück hatte man in dieser Saison noch nicht erlebt – man denke nur an das blutleere Derby gegen den 1. FC Saarbrücken (0:1) und vor allem die historische Peinlichkeit im Landespokal bei Siebtligist VfR Gommersdorf (0:1).
Trares hat mit seiner Art offensichtlich innerhalb weniger Tage Zugriff auf diese schlingernde Mannschaft bekommen. Und das bessert die Perspektiven mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf gewaltig.
Der euphorisch gefeierte 3:2-Sieg gegen Osnabrück darf nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Fußballerisch kämpft der SV Waldhof noch mit einigen großen Baustellen.
Seriöserweise konnte niemand davon ausgehen, dass der neue Trainer die Schwachstellen im Team im Handumdrehen beseitigt. Und eine Stunde lang sah der Waldhof-Auftritt am Samstag denn auch nicht viel besser aus als vorher unter Antwerpen. Sieht man von dem klasse herausgespielten 1:0 durch Felix Lohkemper (22.) ab, krankte es weiterhin an einem zielgerichteten Spielaufbau, an Mut und Ideen im Vorwärtsgang. Der als Königstransfer für das zentrale Mittelfeld gehandelte Rico Benatelli fremdelt in der neuen Umgebung weiterhin und musste zur Pause runter.
Trares lobte den eingewechselten Maximilian Thalhammer dafür, dass er dem Mannheimer Spiel in der zweiten Halbzeit mehr Struktur verliehen habe. Allerdings hatte der frühere Osnabrücker auch gewaltige Aktien am 1:2 durch Sebastian Kehl (55.), bevor er mit dem 2:2-Ausgleichstreffer nach einem Eckball die Wende miteinleitete (76.).
In der Abwehr bleiben die fast chronischen Probleme. Osnabrück erzielte zwei sehr einfache Treffer, obwohl die Niedersachsen in der Offensive wenig Gefahr ausstrahlten. Linksverteidiger Sascha Voelcke verhinderte beim 1:1 durch Joel Zwarts (25.) die Flanke nicht, in der Mitte kam Henning Matriciani zu spät. Und beim 1:2 waren sich nach Thalhammers Fehler im Spielaufbau Matriciani und Kapitän Marcel Seegert uneinig, wer den heranstürmenden Kehl attackieren sollte – der Osnabrücker traf ohne Druck aus 16 Metern. Die Abstimmung in der Defensive muss besser werden, die Konzentration höher. Zur Erinnerung: Das letzte Mal, dass der SVW ein Drittliga-Spiel ohne Gegentor beendet hat, liegt jetzt auch schon wieder ein halbes Jahr zurück. Ein 1:0 gegen Arminia Bielefeld am 15. März.
An Torjäger Terrence Boyd und Sturmkollege Felix Lohkemper geht in der ersten Elf kein Weg vorbei. Sie sind aktuell die Lebensversicherung des SVW.
Sieben Tore haben die Mannheimer in dieser Saison bislang erzielt, fünf davon gingen auf das Konto von Lohkemper (3) und Boyd (2). Eine Statistik, die verdeutlicht, wie abhängig der SVW von seinem höherklassig erfahrenen Angriffsduo ist.
Gegen Osnabrück versuchte es Trares in der Sturmspitze zu Beginn mit dem schnellen Kennedy Okpala für Boyd, weil er den Spielaufbau des Gegners früh mit Pressing und hohem Anlaufen stören wollte. Das ist bekanntlich nicht die Königsdisziplin des Strafraum-Experten Boyd.
Doch erst als der wuchtige Stoßstürmer in der zweiten Halbzeit auf dem Platz stand, konnte der SVW langsam Druck aufbauen. Vor Boyd hat die gegnerische Defensive Respekt, er kann lange Bälle behaupten und weiterleiten – und im Abschluss bleibt er auf Drittliga-Level eine Klasse für sich. Nach Klünters Pfostenschuss in der Nachspielzeit reagierte Boyd am schnellsten und verwertete den Abpraller entschlossen zum 3:2-Siegtreffer.
Der von Zweitligist 1. FC Nürnberg verpflichte Lohkemper wiederum war einer der Wenigen, der schon unter Antwerpen stabile Leistungen abrief. Er ist ein variablerer Stürmertyp als Boyd, aber ebenfalls torgefährlich. Eine echte Verstärkung, die den SVW-Fans noch viel Freude bereiten dürfte.
Samuel Abifade könnte einer der großen Gewinner des Trainerwechsels werden.
Erinnert sich noch jemand an Maurice Deville? Den Außenbahnspieler, der sich 2019 beim 1:1 in Chemnitz mit dem ersten Waldhof-Treffer nach der Rückkehr in den Profifußball in den Vereinschroniken verewigte? Der Luxemburger hatte in seiner eher unscheinbaren Karriere genau zwei richtig gute Jahre: beim SVW unter Bernhard Trares.
Samuel Abifade erinnert als Spielertyp ein bisschen an Deville. Körperlich robust, zweikampfstark, schnell, aber nicht mit der ganz feinen Klinge gesegnet. Gegen Osnabrück zeigte der 25-Jährige nach seiner Einwechslung in der 70. Minute, welchen Wert er für den SV Waldhof haben kann. „Das war super, fantastisch“, meinte Trares, nachdem Abifade die Osnabrücker Defensive fast im Minutentakt düpiert hatte.
Wiederholt sich die Deville-Geschichte? Gut möglich, denn Trares hat ein Faible für Spieler, die mit der richtigen Einstellung das Maximale aus ihrem Talent herausholen. Und der Waldhof-Coach hat in seiner ersten Amtszeit in Mannheim gezeigt, dass er Profis wie Abifade bessermachen kann. Siehe Maurice Deville.
Die nach dem Pokal-Fiasko gegen Gommersdorf aufgekommenen Zweifel am Charakter der Mannschaft entkräftete das Osnabrück-Spiel.
Es war ein kleiner Seitenhieb in Richtung Antwerpen. „Es war keine einfache Zeit. Aber die Jungs haben heute eindrucksvoll ihren Charakter bewiesen, der ihnen phasenweise abgesprochen worden ist“, sagte Sportchef Loviso nach Osnabrück. Trares-Vorgänger Antwerpen hatte schon nach der Heimniederlage gegen Viktoria Köln (1:2) am zweiten Spieltag die angeblich fehlenden Grundtugenden wie Mentalität, Siegeswille und Leidenschaft angeprangert – was den Prozess der internen Entfremdung beschleunigte.
Nach dem Offenbarungseid gegen Siebtligist Gommersdorf im Verbandspokal waren Zweifel an der individuellen Selbstmotivation indes berechtigt. Doch gegen Osnabrück zeigte das Team in einer leidenschaftlichen Schlussviertelstunde, dass die Moral doch intakt zu sein scheint. Ein Eindruck, den es nun zu bestätigen gilt.
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